Kultur Mai 2023
Hier finden Kultur-Interessierte aktuelle Tipps: die Palette reicht von Jazz übers Kino bis zur Ausstellung.
Zeit, Abschied zu nehmen
Der Dokumentarfilm «Röbi geht» hält die letzten Monate eines Menschen fest.
Röbi Widmer ist an Lungenkrebs erkrankt. Er möchte sich weder einer Chemo- noch einer Bestrahlungstherapie aussetzen. Die Filmemachenden Heidi Schmid und Christian Labhart begleiten den ehemaligen Krankenpfleger im letzten Jahr seines erfüllten und nicht immer einfachen Lebens. Er selbst hat viele Menschen auf diesem letzten Abschnitt unterstützt und weiss um die Bedeutung von Freundschaften, Hunden, Humor und Familie. «Röbi geht» ist ein nüchternes, aber vielleicht gerade deshalb so ergreifendes Porträt eines Menschen am Ende seines irdischen Daseins, aber auch seines Umfelds.
«Röbi geht» mit Röbi Widmer, von Heidi Schmid und Christian Labhart, jetzt im Kino. Trailer
Plötzlich pensioniert
Was passiert, wenn der Feierabend ewig währt?
In ihrem Debüt-Roman schildert Kathrin Burger ihren Übergang in den «Ruhestand» präzis, persönlich und poetisch. Im leeren Haus – die Kinder sind erwachsen, der Ehemann auf Reisen – beobachtet die Erzählerin jeden Tag, wie sich das erste Licht in ihren Garten tastet. Jeder Morgen ist anders und ruft andere Erinnerungen wach: Ans Elternhaus, an den Paris-Aufenthalt als Studentin, an die Familienzeit, die Jahre als Deutschlehrerin oder an den früh verstorbenen Bruder, den Schriftsteller Hermann Burger. An der Schwelle zum Älterwerden blickt die Autorin versöhnt auf das Entschwundene und mit Zuversicht auf das Kommende.
Kathrin Burger, «Vor mir wird es Morgen», 192 Seiten, Rotpunktverlag, ca. CHF 29.–
Hier wird es surreal
Das Kunsthaus zeigt erstmals die surrealistische Kooperation der beiden Künstler Alberto Giacometti und Salvador Dalí.
Das französische Sammler-Ehepaar Charles und Marie-Laure de Noailles erteilte Alberto Giacometti 1929 den Auftrag, eine Installation für den Aussenbereich ihres südfranzösischen Sommersitzes zu entwerfen.
Fertig gestellt wurde das Projekt nie, aber Vorstufen dazu schon. Nun wurde es 1:1 für die Ausstellung nachgebaut und bildet deren Herzstück. 1930 bat Dalí seinen Schweizer Kollegen, den Surrealisten beizutreten. Den Spanier interessierten die Werke Giacomettis, und so kam es zu einer surrealistischen Kooperation, von der Skizzen und Werke gezeigt werden.
«Giacometti – Dalí. Traumgärten», bis 2.7., Kunsthaus Zürich, Heimplatz, Zürich, Telefon 044 2538484, kunsthaus.ch
Düstere Vergangenheit
Ihr achter Kriminalfall führt Schnyder und Meier in die Kolonialzeiten.
Eines gleich vorweg: Auch wenn es sich um einen weiteren Band der erfolgreichen Krimiserie mit Zita Schnyder und Werner Meier handelt, Vorwissen braucht es für den Genuss dieser spannenden Geschichte nicht. Eine junge Frau aus der Karibik sucht nach ihrer verschollenen Mutter. Ein Hinweis führt sie nach Zürich und damit zu Schnyder und Meier, die ihr helfen. Gemeinsam stossen sie auf unschöne Verstrickungen, die bis in die Kolonialzeiten zurückreichen. Autorin Gabriela Kasperski greift zeitgenössische Themen wie Rassismus und kulturelle Aneignung auf und verpackt sie in einen süffigen Roman.
Gabriela Kasperski, «Zürcher Verstrickungen», 336 Seiten, Emons, ca. CHF 23.–
Brad ist das Walross
Der Jazzpianist Brad Mehldau interpretiert die Beatles neu.
Die abgenudelten Hits wie «Yesterday», «Eleanor Rigby» oder «Strawberry Fields» sucht man auf dem jüngsten Album von Brad Mehldau vergebens. Der begnadete Jazzpianist hat etwas weniger bekannte Songs wie «Maxwell’s Silver Hammer», «I Am the Walrus» oder den namensgebenden «Your Mother Should Know» ausgewählt. Die Mischung sorgt für Abwechslung, die von Ragtime-Momenten über fast klassisch anmutende Interpretationen zu jazzigen Variationen reicht. Nicht nur für Beatles-Fans geeignet.
Brad Mehldau, «Your Mother Should Know», Nonesuch Records, CD oder über Streaming-Dienste
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