Oft zwickt und zwackt das Gedärme – oder es plagt uns mit Blähungen. Was bringt in solchen Situationen mehr Linderung: Schonkost oder eine angepasste Vollkost? Expertin Ruth Ellenberger erklärt die Unterschiede.
Interview: Roland Grüter
Schonkost gilt salopp formuliert als «Wellnesskur» für den Darm: Weshalb? Weil sie auf nahrungs faserarme Ernährung setzt. Diese wirkt beruhigend, wenn Magen oder Darm rebellieren. Man stellt den Darm sozusagen still. Kurzfristig macht die Schonkost Sinn, etwa nach Operationen, Infekten oder nach dem Konsum verdorbener Lebensmittel. Bei vielen anderen Leiden ist sie nur bedingt empfehlenswert. Wichtig: Dieses Regime sollte nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen. Denn der Magen-Darm-Trakt muss arbeiten, um gesund zu bleiben.
Auf welche Lebensmittel wird grundsätzlich verzichtet? Auf nahrungsfaserreiche und blähende, egal, ob auf rohe oder gekochte.
Weshalb ist Schonkost nach invasiven Eingriffen nötig? Nach einem operativen Eingriff dauert es bei älteren Menschen etwas länger, bis der Darm wieder in die Gänge kommt. Jede Vollnarkose wirkt auf den Magen-Darm-Trakt dämpfend, selbst nach einer Schulter oder Hüftoperation. Ein Kostaufbau, der Wechsel von Schon- zur normalen Vollkost, kann daher bis zu einer Woche dauern. Manche glauben übrigens, Schonkost sei auch bei chronischen Erkrankungen empfehlenswert, die den Magen oder Darm betreffen. Doch solche «Diäten» haben damit nichts zu tun. Die Anpassungen müssen von einer dafür ausgebildeten Ernährungsfachperson individuell festgelegt werden.
Auch bei Verstopfung wird Schonkost empfohlen. Zu Recht? Nein. Bei Verstopfung ist Schonkost kontraproduktiv. Nur ein bewegter Darm mit aktiver Peristaltik (Muskeltätigkeit) garantiert einen regelmässigen Stuhlgang. Legt man diese still, verschlimmert man die Misere. Die häufigste Ursache für Verstopfung im Alter ist übrigens eine zu geringe Trinkmenge. Mit Wasser verdünnter, trüber Süssmost (im Verhältnis 1:4) regt die Darmtätigkeit wieder an.
In welchen Fällen ist der Schongang für den Darm sonst empfehlenswert? Ein grosses Problem sind Magen-Darm-Beschwerden, die auf Medikamente zurückgehen. Das erleben wir oft im Beratungsalltag. Beispielsweise können chronische Schmerzerkrankungen, die eine langfristige Medikamenteneinnahme nötig machen, zu Magenschmerzen, Durchfall oder Verstopfung führen.
Und Betroffene versuchen die Leiden zu beheben, indem sie auf Schonkost umstellen … Das sollten sie lassen. Auch hier gilt: Rat holen! In einem ersten Schritt gilt es die Einnahme des Medikamentes so zu planen, dass die Beschwerden geringer werden oder gar nicht mehr auftreten. Dazu fragt man am besten in der Apotheke nach, wie das zu erreichen ist. Das Ziel muss sein, das Nahrungsmittel-Spektrum nicht allzu sehr einzuschränken. Denn je abwechslungsreicher die Ernährung ist, umso besser geht es dem Mikrobiom, der Darmflora. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Immunsystems.
Im Internet ist nachzulesen, dass Schonkost von angepasster Vollkost abgelöst werde: anderer Name, gleicher Inhalt? Nein, die beiden Varianten unterschei den sich wesentlich voneinander. Die angepasste Vollkost ist eine abwechslungsreiche Ernährung, die auf jene Besonderheiten Rücksicht nimmt, die gerade bei älteren Personen oft auftreten. Ein Beispiel: Die Verdauungs- und Kontraktionsleistung (Peristaltik) ist im Alter verlangsamt. Da macht es durchaus Sinn, keine allzu schwer verdaulichen Speisen wie Frittiertes, Fondue oder Kohl zu essen. Es gibt auch ältere Personen, die abends keinen rohen Salat mehr vertragen. Auch hier sind Anpassungen hilfreich. Kurzum: Eine angepasste Vollkost ist ideal für Senioren und Seniorinnen – auch auf lange Sicht hinaus.
Was genau muss man weglassen? Das lässt sich nicht generell beantworten. In der angepassten Vollkost lässt man einzelne Nahrungsmittel weg, welche die spezifischen Beschwerden verursachen. Das Spektrum ist gross. Ziel der Anpassungen ist es aber immer, eine möglichst abwechslungsreiche Ernährung zu erhalten.
Welche Zubereitungsweisen helfen über die beiden Ernährungsweisen hinaus, um Magen und Darm zu schonen? Dämpfen statt Braten – das ist die wichtigste Regel. Eine fettarme Zubereitung und der Verzicht auf stark blähende Nahrungsmittel wie Kohl arten, Lauch, Zwiebeln, Knoblauch oder rohes Steinobst gehören ebenfalls dazu. Auf fettreiches Gebäck, Wurst waren und Blauschimmelkäse sollte man ebenfalls verzichten. Beim Kohl gibt es übrigens eine wichtige Ausnahme: Blumenkohlröschen sind gedämpft sehr gut verträglich.
Womit entlastet man den Verdauungstrakt sonst? Indem man sich viel bewegt und genügend trinkt! Bewegung hält die Peristaltik in Schwung – und wenn diese funktioniert, leidet man beispielsweise deutlich weniger unter schmerzhaften Blähungen. Regelmässig spazieren reicht bereits.
Zur Expertin
Ruth Ellenberger ist dipl. Ernährungsberaterin HF SVDE und Mitinhaberin des Ernährungszentrums Zürich. Mehr Informationen auf ernaehrungszentrum.ch
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