Ferngesteuerte Schlafhilfe

Die Atmung normalisieren

Schlafapnoe lässt sich in der Regel gut therapieren. Mit Zungenschienen oder sogenannten CPAP-Gesichtsmasken (siehe Box) kommt die Atmung meist wieder in Ordnung. Doch Jacqueline W. kam damit nicht zurecht. Die CPAP-Maske rutschte ihr in der Nacht ständig von der Nase, ihre Schleimhäute schwollen an. Deshalb suchte sie nach einer anderen Lösung und fand so auf ihren Recherchen zum Zungenschrittmacher. Dabei handelt es sich um ein zündholzschachtelgrosses, flaches Gerät, das Betroffenen operativ auf der Höhe des Schlüsselbeins unter die Haut eingesetzt wird. Das Implantat enthält eine Elektrode und wird mit einem Nerv unter dem Kiefer verkabelt. Der Schrittmacher kann dadurch mit fein justierten Stromimpulsen den damit verbundenen Muskel aktivieren. Genauer: Es hält die Zunge dazu an, sich bei jedem Atemzug leicht nach vorne zu schieben, die Luft kann folglich ungebremst durch den Rachenraum fliessen, die Atmung im Schlaf normalisiert sich. Der Zungenschrittmacher kommt in anderen Ländern schon seit knapp zehn Jahren zum Einsatz, in der Schweiz werden entsprechende Operationen erst seit Kurzem durchgeführt. 

So etwa im Universitätsspital Zürich. An der dortigen Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie (ORL) wurde Ende März Jacqueline W. ein Zungenschrittmacher eingesetzt – als erster Patientin überhaupt. Oberarzt Lorenz Epprecht führte die Operation durch. Er leitet am Universitätsspital die sogenannte Schnarch-Sprechstunde. Darin werden in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten anderer Fachabteilungen interdisziplinär all die möglichen Ursachen abgeklärt, die zu starkem Schnarchen oder eben zu Schlafapnoe führen. «Der Zungenschrittmacher kommt für jene Patientinnen und Patienten in Frage, bei denen zuvor andere Methoden versagt haben», sagt Lorenz Epprecht. Die Kosten für den Eingriff werden von den Krankenkassen übernommen: vorausgesetzt, Betroffene verzeichnen mindestens 15 Atempausen pro Stunde. 

Ein Segen für Schwerbetroffene

Vor dem Eingriff stehen lange und genaue Abklärungen, ob die Anatomie der Interessierten für einen Zungenschrittmacher überhaupt taugt. Nicht in allen Fällen macht das Implantat Sinn. «Für Menschen, die schon lange unter den Folgen von Schlafapnoe leiden, ist er ein Segen – insofern profitieren insbesondere ältere Menschen von dieser Innovation.»

Der Zungenschrittmacher wird über eine Fernsteuerung bedient. Man kann sie vor der Nachtruhe einschalten, falls gewünscht mit zeitlicher Verzögerung – damit die elektronischen Impulse die Einschlafphase nicht stören. Die Stromstärke lässt sich individuell regulieren, damit sie nicht als unangenehm wahrgenommen wird. «Ich spüre jeweils einen leichten Druck in der Zunge – mehr nicht», sagt Jacqueline W. Steht sie in der Nacht auf, um beispielsweise Wasser zu trinken, drückt sie einfach den Pausenknopf. Würde sie die OP nochmals machen? «Auf jeden Fall», sagt sie. Sogar das laute Schnarchen ist versiegt. Nun findet auch ihr Partner wieder zur verdienten Nachtruhe.