Der Wind der Prärie
Die Pflanzenwelt der nordamerikanischen Prärie gilt als allwetterfest und pflegeleicht. Entsprechend dient sie vielen Hobbygärtnerinnen und -gärtnern als Vorbild. Auch unser Gartenpöstler Roland Grüter richtet sich darauf aus.
In der Regel ist mir das Wetter schnurzegal. Soll doch die Sonne scheinen, es regnen, schneien oder hudeln – ich kann eh nichts dagegen ausrichten, also mache ich mir keinerlei Gedanken darüber. In diesem Punkt bin ich sozusagen ein Anti-Brite. Denn diese jammern hochgerechnet sechs Monate ihres Lebens über Regen & Co. Wetterthemen sind fester Bestandteil ihrer Smalltalk-Kultur.
In den vergangenen Monaten aber stöhnte und klönte ich willig mit, denn die Gluthitze des Sommers setzte mir zu. Sie raubte mir dermassen viel Saft und Kraft, dass ich am liebsten in den Kühlschrank eingezogen wäre – um in dessen kühlem Bauch darauf zu warten, dass das Thermometer in einen Bereich absackt, in dem es kein Schwitzen mehr gibt. Kurzum: Ich war rekordmässig geschafft und das aus rekordverdächtigem Anlass. Allein im Juni stiegen die Temperaturen an 15,7 Tagen über die 25 Grad-Marke und auch der August war überdurchschnittlich heiss. Keine Ahnung, was Petrus in den vergangenen Monaten geritten hat, aber er schraubt das Thermometer unanständig hoch: so als hätte ihm jemand zum Geburtstag einen Heizer-Kurs geschenkt. Eine blöde Idee!
Zaubernuss macht FKK-Ferien
Leider haben die Wetterlaunen andere, ernsthaftere Gründe. Starkregen und Hitzephasen wechseln sich ab. Die Sommer werden heisser und trockener. Das Klima steht mitten im Wandel und setzt nicht nur uns, sondern auch der Natur empfindlich zu – und damit auch meinen Gartenstauden. Das zeigte sich in den vergangenen Monaten neuerlich. Um meine Beete grün zu halten, musste ich regelmässig zur Giesskanne oder zum Gartenschlauch greifen. Meine Zaubernuss entschied sich sogar für FKK-Ferien und warf ihr Laub komplett ab. Selbst Trockenspezialistinnen liessen ihre Blütenköpfe hängen. Denn im Sommer wird Wasser zusehends zur Mangelware – und im Winter und Frühling zur Plage. In diesen Jahreszeiten fällt Regen meist in Strömen, was viele traditionelle Gartenstauden zusätzlichen Stress bereitet.
Dieses Elend drängt Naturfreundinnen und Naturfreunde zu den immer gleichen Fragen: Wie lässt sich der Hobbygarten für die Zukunft rüsten? Ständig wässern? Einjährige Sommerblumen konsequent weglassen, die als besonders empfindlich gelten? Also Zinien, Kosmeen und Sommerastern verschmähen? Wie Klimaforscherinnen und -forscher voraussagen, ist Umdenken dringend nötig. Selbst Wildstauden, die es gewohnt sind, ohne menschliche Obhut auszukommen, sind mit den Wetterextremen überfordert. Jede fünfte Pflanzenart, die bei uns in freier Natur wächst, könnte deshalb bis 2080 einen Teil ihres heutigen Verbreitungsgebietes verlieren. Das zeigte eine Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und des französischen Laboratoire d’ Ecologie Alpine. Keine guten Aussichten.
Ein Modell mit Zukunft
Umdenken tut folglich Not, denn viele Bewohnerinnen unserer Gartenparadiese geraten mit voller Wucht unter Druck. Deshalb schwenken kluge Hobbygärtnerinnen und -gärtner bereits jetzt auf Pflanzenkonzepte um, die robuster und gleichzeitig pflegeleicht sind. Ihre Suche führt sie oft zur Gartentür zum Präriegarten, dieser wird als Modell der Zukunft gesehen. Denn die Bewohnerinnen der amerikanischen Prärie gelten als besonders zäh und allwetterfest. Sie kommen ohne aufwändige Pflegemassnahmen aus. Damit entfällt beispielsweise das Wässern und Düngen weitgehend. Eine gute Sache also.
Die Robustheit geht auf die Topografie der Prärieweiten zurück. Die Bergrücken der angrenzenden Rocky Mountains sind von Norden nach Süden ausgerichtet. Deshalb pfeifen seit Jahrhunderten arktische Winde aus dem Norden ungebremst übers Land – aber auch trockenheisse Südwinde. Prärie-Pflanzen sind folglich seit jeher starken Regen- und langen Trockenphasen ausgesetzt, in den Übergangszeiten prasseln ständig Unwetter auf sie nieder. Das hat sie zu veritablen Überlebenskünstlerinnen gemacht – und damit fit für den hiesigen Klimawandel.
Die Auswahl ist riesig
Die Auswahl ist riesig. Dazu zählen beispielsweise das Indianergras, die Ruten-Hirse und viele andere Schmuckgräser. Denn die endlosen Weiten der Prärien werden von Gräsern dominiert, sie machen fast drei Viertel des dortigen Pflanzenbestandes aus. Dazwischen setzen Wildstauden mit ihren Blüten farbige Akzente. Zu den bekanntesten Arten gehören Astern, Präriekerzen und -salbei, Purpursonnenhüte, Kokardenblume, Flammenblumen, Indianernessel, Fetthennen, Blauraute, Duftnessel, Kugellauch, der Grossblatt-Phlox oder Prachtscharten. Sie stehen in unseren Gärten buchstäblich vor einer Hochblüte – und tragen vom Frühjahr bis in den späten Herbst hinein Farbtupfer in unsere Beete.
Gräser der Prärie: Indiandergras (links) und Büffelgras (rechts). © shutterstock.
Sind wettererprobt und fit für den Klimawandel: Fetthennen (links) und Präriekerzen (rechts) © shutterstock.
Die Prärie ist eine grosse, baumlose Graslandschaft mit unterschiedlichsten Stauden und zahlreichen Gräsern. Sie überziehen tiefgründige Lössböden, die während und nach der Eiszeit entstanden sind. Brände und Beweidung durch riesige Büffelherden verhinderten, dass Gehölze wuchsen. Viele Bewohnerinnen lassen ihre Wurzeln tief in die Erde wachsen, und bedienen sich im Untergrund mit Wasser, um über Trockenzeiten zu kommen.
Das bewährte Ökosystem lässt sich ohne grossse Mühen auf hiesige Gärten übertragen, selbst wenn diese klein sind – vorausgesetzt, man verfügt über tiefgründige, stark besonnte und nährstoffreiche Böden.
Freddy Quinn war schon in den 1960er-Jahren Fan der amerikanischen Graslandschaft und widmete ihr ein Lied. Sein «Wind der Prärie» weht nun mit voller Kraft durch unsere Beete. Gartenfreunde sollten darauf vertrauen – selbst wenn Petrus wider Erwarten zur Vernunft zurückkehrt.
Der Gartenpöstler
Roland Grüter (62) ist leidenschaftlicher Hobbygärtner und folgt strikt den Regeln des Bio-Gärtnerns. Heute lebt er in der Nähe von Zürich und hegt und pflegt einen kunterbunten, wilden Blumengarten. Roland Grüter schreibt an dieser Stelle regelmässig über seinen Spass und seine Spleens im grünen Bereich.
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