Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) will Menschen dazu anhalten, über die Spende ihrer Organe nachzudenken. Expertin Dr. Susanne Nyfeler, Co-Leiterin der Sektion Transplantation erklärt, welche Argumente dafür sprechen – und welche Widerstände noch immer bestehen.
Interview: Roland Grüter
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) macht derzeit in einer nationalen Aktion auf die Dringlichkeit der Organspende aufmerksam: Ist das Thema tatsächlich noch immer dringlich? Ja, in der Schweiz herrscht unverändert ein Mangel an gespendeten Organen – und Spenden sind ein seltenes Ereignis. Deshalb ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen dazu ihren Willen äussern. Die Entscheidung kann Leben retten.
Gemäss der Stiftung Swisstransplant wurden in jüngster Vergangenheit so viele Organe gespendet wie nie zuvor. Stimmt Ihre Bilanz tatsächlich? Auch wenn die aktuellen Zahlen Hoffnung machen: Organspenden schwanken stark und unterliegen keiner Regelmässigkeit. Schliesslich muss ein Mensch erst unter ganz bestimmten Voraussetzungen versterben, bevor eine Spende überhaupt möglich ist. Es wird sich zeigen, ob der Trend kurzfristig ist oder ob er anhält.
Die Argumente, die für eine Organspende sprechen, dürften allseits bekannt sein: Welche Vorbehalte halten Menschen dennoch davon ab? Noch immer glauben viele, dass eine Willensäusserung erst gar nicht wichtig sei. Darüber hinaus wird grundsätzlich ungern über das Thema Organspende gesprochen, weil es emotional zu stark aufgeladen ist. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod wird generell oft vermieden oder als Privatsache angesehen. Weitere Gründe: Ältere Menschen denken, sie seien zu alt, um als Spenderin oder Spender in Frage zu kommen.
Eine Fehlannahme? Durchaus. Selbst über 80-Jährige sind davon nicht gemeinhin ausgeschlossen. Eine Organspende nach dem Tod ist bis ins hohe Alter möglich. Der Gesundheitszustand einer Person entscheidet darüber – nicht das biologische Alter. Selbst Menschen mit Krankheiten können unter Umständen spenden.
In aller Kürze: Welche Argumente sprechen Ihrer Ansicht nach für eine Organspende? Das Bundesamt für Gesundheit hat unlängst die Bevölkerung dazu befragt. Oft wird Selbstbestimmung über den eigenen Körper sowie das Helfen als Argument genannt. Mit einem Ja zur Spende wollen überdies die Menschen andere Leben retten. Der wichtigste Grund aber ist: Wer seinen Willen schriftlich festhält und eine entsprechende Spendekarte ausfüllt, hilft seinen Angehörigen, nach dem Tod die Entscheidung zu vereinfachen und damit die Trauerphase zu entlasten.
Schweizer Bürgerinnen und Bürger hiessen im Mai 2022 an der Urne die erweiterte Widerspruchslösung gut. Diese besagt, dass man schriftlich festhalten soll, wenn man nach dem Tod Organe, Gewebe oder Zellen nicht spenden will. Bei allen andern ist die Entnahme möglich. Ist damit das Thema nicht ein für alle Mal abgehakt? Nein. Die Information der Bevölkerung bleibt dringlich – einfach mit anderen Schwerpunkten. Die Menschen sollen darüber aufgeklärt werden, wie sie zu Lebzeiten einer Organentnahme widersprechen können, falls sie das wollen. Durch den Entscheid wird es noch dringlicher, dass sich jede und jeder mit dem Thema genauer auseinandersetzt – sonst müssen es später womöglich die Angehörigen tun. Deshalb wird das BAG in den ersten Jahren nach dem Systemwechsel seine Aufklärungsarbeit sogar verstärken.
«Die Angehörigen haben auch das Recht, eine Spende abzulehnen, falls dies dem Willen der Person entspricht.»
Dr. Susanne Nyfeler, Co-Leiterin der Sektion Transplantation, BAG
Weshalb sind Diskussionen weiterhin vorprogrammiert? Die Angehörigen werden auch nach Einführung des neuen Gesetzes in den Entscheidungsprozess einbezogen – auch, wenn kein Widerspruch festgehalten wurde. In den Gesprächen wird der Wille der betroffenen Person in jedem Fall nochmals sorgfältig eruiert. Die Angehörigen haben auch das Recht, eine Spende abzulehnen, falls dies dem Willen der Person entspricht.
Die Widerspruchslösung tritt 2025 in Kraft. Was genau muss man bis dahin tun? Bis zur Einführung gilt die Zustimmungslösung. Sagen Menschen Ja zur Organspende, sollten sie ihre Entscheidung dringend schriftlich festhalten und die Angehörigen darüber informieren – damit sie Bescheid wissen. Schliesslich werden diese später im Spital in den Entscheidungsprozess miteinbezogen. Nur durch klärende Gespräche können sie im Sinne der verstorbenen Person entscheiden.
Wie und wo kann man seinen Willen hinterlegen? Mit einer Organspende-Karte, in einer Patientenverfügung oder im elektronischen Patientendossier. Eine Spendekarte lässt sich beispielsweise unter leben-ist-teilen.ch kostenlos bestellen. Unter der gleichen Anschrift kann man diese auch online ausfüllen und danach ausdrucken. Zudem wird der Bund voraussichtlich ab Mitte 2025 ein neues Register für die -Willensäusserung einrichten.
Zu guter Letzt: Haben Sie selbst eine Spendekarte – und warum? Ja, ich habe selber eine Spendekarte ausgefüllt und auch meine Familie darüber informiert. Ich möchte bis zuletzt über meinen Körper entscheiden und meinen Angehörigen diesen Entscheid nicht zumuten.
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