Raus aus der Komfortzone! Wir probieren neue Dinge aus. Diesmal: Zeitlupe-Redaktor Marc Bodmer schwebt in absoluter Stille.
Manche von uns erinnern sich: Ende der Siebzigerjahre waren geschlossene (Samadhi-)Tanks, gefüllt mit einer körperwarmen Salzwasserlösung, sehr in Mode. Es war von Bewusstseinserweiterung – besonders in Kombination mit psychedelischen Drogen – die Rede. Beides Dinge, mit denen ich herzlich wenig am Hut habe. Aber die Vorstellung, in völliger Stille und Dunkelheit schwerelos zu schweben, fasziniert mich seit je. Die Verfügbarkeit in der Schweiz war früher aber beschränkt und Möglichkeiten zum Ausprobieren rar. Inzwischen sind die Float-Kabinen zurück, und allenthalben finden sich Anbieter, so auch in Zürich. Nach über vier Jahrzehnten wage ich endlich den Selbstversuch.
Dass das «Float Zürich» bereits seit 15 Jahren besteht und seit den letzten fünf Jahren von einem Geschwisterpaar betrieben wird, stimmt mich zuversichtlich. Erfreulich ist auch, dass die Tanks inzwischen durch offene Becken ersetzt wurden und von einer Person oder zweien benutzt werden können. Nachdem ich meine Schuhe gegen ein Paar desinfizierte Badeschlappen ausgetauscht habe, zeigt mir Sam, der heute am Empfang arbeitet, ein kurzes Einführungsvideo mit wichtigen Erklärungen – zum Beispiel zu den unterschiedlichen Float-Positionen oder dass man mit nassen Händen nicht ins Gesicht greifen soll.
Beim Floaten hört man nur den eigenen Atem
Bevor ich mich ins Becken lege, wo eine Lösung aus 600 Kilogramm Epsom-Salz auf 1000 Liter Wasser auf mich wartet, dusche ich. Die Sole ist körperwarm, was mir als Gfrörli gefällt. Ich lege mich hin, entspanne die Nackenmuskeln. Das Wasser umspült meine Ohren, in die ich bereit gestellte Gehörschutzpropfen gedrückt habe. Die sphärische Musik nehme ich kaum wahr, dafür dominieren meine Atemgeräusche. Die harmonischen Farben, die den Raum dezent erhellen, sind angenehm – selbst bei geschlossenen Augen.
Ich versuche, meinen Kopf frei von Gedanken zu machen. Das gelingt in dieser stillen Umgebung recht leicht. Einmal schlafe ich im Schweben sogar ein. Als ich wieder aufwache, schalte ich die Musik und das Licht aus. Totale Stille und Dunkelheit. Ein einmaliges und unvergleichliches Gefühl. Auch im Wald oder auf einem Berg ist es ruhig, trotzdem zwitschern Vögel, Touristen plaudern oder Flugzeuge brummen vorbei. Hier beim Floaten hört man nur den eigenen Atem. Ein, aus, ein, aus … Die gemütliche Regelmässigkeit hat etwas Meditatives und sehr Beruhigendes.
Nach einer Stunde im Becken dusche ich erneut. Der Körper schwitzt wie nach einer Sauna. «Der Stoffwechsel wird beim Floaten angeregt», erklärt Sam. Doch nicht nur das. Stresshormone werden reduziert, während Endorphine ausgeschüttet werden. Gelenke und Muskeln werden entlastet und durch das Magnesium in der Sole entspannt. Wer unter Hauterkrankungen wie Neurodermitis oder Psoriasis leidet, erfährt auch Linderung.
Wie oft soll man floaten, denn ich möchte es wieder tun? – «Ein bis zwei Mal im Monat genügen, aber es ist sehr individuell», sagt Sam. Die Wirkung der stillen Stunde ist nicht ohne, denn ich stehe danach im buchstäblichen Sinn neben den Schuhen: Ich verlasse das «Float Zürich» in den Badeschlappen und bemerke es erst Minuten später. Als ich zurückkehre, grinst Sam und meint: «Du bist nicht der Erste, dem das passiert.»
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