Es braucht keinen grossen Garten, um sich Freude zu bereiten. In der Enge der Balkone, Terrassen und Minigärten lassen sich grüne Paradiese begründen, in denen es knospt und blüht – sogar Gemüseernten sind möglich.
Text: Roland Grüter
Natürlich ist es berauschend, wenn die Natur auf grossen Flächen wirken kann – so wie beispielsweise im Parc de l’Indépendance des Waadtländer Städtchens Morges, in dem mächtige Bäume wachsen. Der Park wird Ende März neuerlich zum Schauplatz von 140’000 blühenden Tulpen und flutet den Landstrich am Genfersee mit Rot, Pink und anderen Farben. Auch die Merian Gärten in Basel zeugen davon, wie beeindruckend die Kraft der Natur im Grossformat ist. Die 18 Hektaren grosse Anlage umfasst zahlreiche Iris-Beete, ein Rhododendrontal, Trockenwiesen und diverse Nutzgärten, in denen seltene Gemüse wachsen.
«Genau genommen genügt ein Blumentopf, um Flora und Fauna in die Nähe der Menschen zu rücken», sagt der Zürcher Botaniker Claudio Sedivy, der sich der Forschung von Wildbienen verschrieben hat und für die Insekten Naturgärten baut: «Setzt man die richtigen Pflanzen, füllt sich der Behälter erstaunlich schnell mit Leben und wird dadurch zum Faszinosum.» Eine Fläche von einem Quadratmeter reiche aus, um sich übers Jahr mit selbst gezogenen Gemüsen zu versorgen, sagt auch die österreichische Autorin Doris Kampas, die schon mehrere Bestseller zu Hochbeeten geschrieben hat. Zu jener Anbaumethode also, die selbst in kleinen Räumen Grosses bewirken kann.
Damit bestätigen die beiden Experten, was zahlreiche Bücher und Blogs versprechen: Gärtnern ist auf erstaunlich kleiner Fläche möglich. Dass sich in Töpfen problemlos Radieschen und Kräuter halten lassen, dürfte gemeinhin bekannt sein. Der Handel bietet mittlerweile aber erstaunlich viele Gemüsesorten an, die speziell für enge Behälter gezüchtet wurden. Oft wachsen diese etwas kleiner und bescheren ihren Besitzerinnen und Besitzern trotzdem beachtliche Erträge. Das Schweizer Unternehmen Häberli entwickelte spezialisierte Obst- und Beerenpflanzen für Balkone und Terrassen, die entsprechende «Arcadia-Linie» geht in die 1990er-Jahre zurück.
Besonders effizient lässt sich der Nutzgarten in besagten Hochbeeten schrumpfen, wenn diese regelmässig mit Kompost gespiesen werden. Denn der Verrottungsprozess, in dem Mikroorganismen Schnittgut und andere organischen Stoffe zersetzen, bewirkt Wärme und bringt nährstoffreiche Erde hervor. Er schafft damit ideale Bedingungen für Gemüsesorten. Entsprechend kann man an geschützten Lagen mit der Ansaat früher starten (im frühen Februar) und sogar im Winter Ernten eintragen.
Hochbeete taugen auch für Balkone und Terrassen. Dort müssen sie jedoch mindestens zur Hälfte mit leichten Substraten gefüllt werden, etwa mit gehäckseltem Chinaschilf. Denn der Inhalt wiegt sonst zu schwer und überfordert die Nutzlast der Böden – selbst wenn man sie auf einen Quadratmeter beschränkt, wie es die Hochbeet-Expertin Doris Kampas für enge Lagen empfiehlt.
Wer sein kleines Reich lieber mitblühenden Pflanzen bestücken will, kann aus einer Fülle wählen, die ihm Gemüsefans neiden. Denn viele Stauden sind nicht zwingend auf Sonnenpower angewiesen wie etwa Tomaten und Co. Autorin Simone Kern beispielsweise zeigt in ihrem Buch «Wilde Kübel» auf, wie sich selbst Mini-Balkone und -Terrassen in natürlich wirkende Blumenparadiese verwandeln lassen. Sie rückt grosse und kleine Töpfe eng zusammen und bepflanzt diese ausnahmslos mit Wildstauden. «Solche Biotope sind für hiesige Insekten enorm wichtig», bekräftigt Claudio Sedivy. Durch die Zersiedelung des Landes und die industrielle Nutzng grosser Landstriche seien Wildbienen, Fliegen und Schmetterlingen wichtige Lebensräume verloren gegangen. Im Gegenzug finden sie in städtischen Parks, Gärten oder eben auf Balkonen Zuflucht und vor allem Nahrung.
Die Summer und Brummer sind jedoch darauf angewiesen, dass sie dort Stauden und Gehölze finden, die sonst auf Wiesen oder Waldrändern wachsen, also Glockenblumen, Kartäusernelken, Sterndolden oder Weiden. Die Auswahl ist riesig, egal ob für sonnige, halbschattige oder schattige Lagen. Was auch für heimisches Grün spricht: Es kommt mit Wetterkapriolen, wie sie uns der Klimawandel beschert, weit besser zurecht als Zuchtsorten – und beansprucht entsprechend weniger Hege.
Sie sehen: Wer einen einzigen Topf für heimischen Flor reserviert, beschert sich und der Natur grosse Freuden. Und leistet erst noch einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt.
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