83. Jongleurakt Aus «Staatsmann im Sturm»

Die in Lagern untergebrachten 30 000 französischen und 12 000 polnischen Internierten fallen der Eidgenossenschaft zur Last. Der Bundesrat sucht nach einem Ausweg, um die unerwünschten Gäste loszuwerden. Am 23. Oktober schrieb Guisan dem Bundesrat:

Die Frage ihrer Heimschaffung erweist sich als immer dringlicher. In der Tat ist die Moral dieser Truppen, von denen die meisten beschäftigungslos sind, im Sinken – aufgrund vor allem des Heimwehs und verschiedener voreiliger Veröffentlichungen, die Andeutungen über eine baldige Repatriierung gemacht und den Internierten falsche Hoffnungen gegeben haben.

Die Internierung kostet die Schweiz eine Million die Woche. Die 10 000 vom 45. Armeekorps mitgeführten Pferde fressen die knappen schweizerischen Hafervorräte weg. Unter den Territorialtruppen, welche die Internierten überwachen, sind viele in der Landwirtschaft benötigte Bauern.

Guisan hat vom französischen Militärattaché in Bern erfahren, dass in Wiesbaden eine Einigung über die Rückschaffung der französischen Soldaten aus der Schweiz erzielt worden sei. Die Schweiz müsse nun die nötigen Schritte unternehmen. Zwei Wochen später liess Pilet den General wissen, dass trotz der Haltung der Waffenstillstandskommission kein «Ende der Internierung in einer sehr nahen Zukunft» ins Auge gefasst werden könne.

Für den Chef des Politischen Departements kompliziert sich die Rückschaffungsfrage durch die in der französischen Botschaft entstandene Vakanz. Die Regierung in Vichy hat den der Schweiz wohlgesinnten Spitzendiplomaten Robert Coulondre zurückgerufen. Vichy will den Mann, der Ribbentrop die Kriegserklärung übergeben hat, loshaben. Nach der Abberufung Coulondres bereist ein in Vichy prominenter Politiker, Gaston Bergery, die Schweiz. Am 28. Oktober um 15 Uhr 30 wird er vom Bundespräsidenten empfangen. Zuvor hat Pilet seinen Freund Robert Jaquillard, Chef der Waadtländer Polizei und Chef der Spionageabwehr, angerufen, um von ihm Nachrichten über den französischen Gast einzuholen. Jaquillard berichtet:

War früher 100 % Volksfront. Ist Kabinettschef von Herriot [ehemalgier radikaldemokratischer Ministerpräsident] gewesen. Ist gegenwärtig Chef der Frontistenpartei: ein Typ à la G. Oltramare [bekannter Faschist] aus Genf. Hat sehr ernsthafte Bindungen an Deutschland; sei ein grosser Bewunderer des Nationalsozialismus.

Jaquillard glaubt, der Reisende aus Vichy sei auf der Suche nach einer Botschaft und habe vermutlich diejenige in der Schweiz im Auge. Man könnte sich also in der Gegenwart eines künftigen Botschafters in Bern befinden, einem Posten, für den ihn seine Sympathien für Deutschland offenbar besonders geeignet machen. Eine zusätzliche Notiz von unbekannter Hand besagt, Bergerys Vater sei vermutlich deutscher Herkunft. Ursprünglich Mitglied von Herriots Kabinett sei er «socialisant de tendance autoritaire». Ein «Politiker von eher opportunistischer Wesensart», der in regelmässigem Kontakt mit dem deutschen Botschafter Abetz in Paris stehe. Nicht der Mann, den Pilet in Bern will.

Selbst in der welschen Schweiz, in der man den greisen Marschall bewundert, beginnt man sich über die Entwicklung in Pétains unbesetztem Frankreich zu beunruhigen. Am 18. Oktober veröffentlichte die Vichy-Regierung ein Judenstatut, das mit den berüchtigten Nürnberger Gesetzen vergleichbar ist. Juden werden aus allen politischen und höheren Verwaltungsämtern, aus dem Offizierskorps und aus den Lehrberufen entfernt. Auch aus der Presse sollen sie verschwinden:

Die Juden dürfen unter keinen Umständen oder Vorbehalten die folgenden Berufe ausüben: Direktoren, Verwalter, Redaktoren von Zeitungen, Illustrierten, Agenturen oder Zeitschriften, mit Ausnahme Publikationen mit rein wissenschaftlichem Charakter.

Das Berufsverbot gilt für Film, Theater und Radio. Vichy duldet keine jüdischen Produzenten, Regisseure, Drehbuchautoren, Kino- oder Theaterdirektoren mehr.

Die deutschen Besatzer Frankreichs, die sich im Sommer noch ziemlich korrekt verhalten haben, nehmen immer weniger Rücksicht. Gauleiter Josef Bürckel schiebt 70 000 Unerwünschte aus Lothringen ins unbesetzte Frankreich ab. «Franzosenfreunde », ausländische Arbeiter und andere Missliebige werden aus ihren Häusern vertrieben. Ein rein deutscher Gau Westmark soll geschaffen werden. Die Regierung in Vichy erfährt erst nachträglich von der Aussiedlungsaktion.

Glücklicherweise bleibt Bern ein Ambassadeur Bergery erspart. Der Mann wird zum Botschafter in Moskau ernannt, einem Posten mit mehr Prestige. Die Angst Pilets, dass er nach Bern geschickt würde, erweist sich als unbegründet. Er konnte nicht wissen, dass bereits Ende September ein anderer Mann zum neuen Botschafter in Bern ernannt wurde: Graf Robert Renom de la Baume, ein 55-jähriger Berufsdiplomat, Hauptmann mit Kriegskreuz, Spezialist für Handelsfragen. Nach Auskunft von Minister Stucki in Vichy ist de la Baume «in jeder Beziehung eine Persönlichkeit von tadellosem Charakter, verheiratet und Vater von fünf Kindern».

Im Mai war de la Baume von Ministerpräsident Reynaud nach Spanien geschickt worden, um dort den nach Paris zurückgeeilten Marschall Pétain als Botschafter zu ersetzen. In Madrid hielt er nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und England den Draht zu London offen. Pétain und Aussenminister Baudouin wussten von seiner Rolle als Mittelsmann, die andern Minister hatten keine Ahnung. De la Baume traf sich in Madrid regelmässig mit dem britischen Botschafter Sir Samuel Hoare. In seinen Memoiren beschreibt Hoare de la Baume «als hoch ausgebildeten Diplomaten in der besten Tradition des Quai d’Orsay », als Mann von «unerschütterlicher Würde», der eben im Krieg zwei seiner Söhne verloren hat.

Bei der Übergabe seines Beglaubigungsschreibens, am 22. November geht de la Baume über die üblichen Höflichkeitsfloskeln hinaus:

Die französische Nation wird nie vergessen, mit welchem Verständnis und welchem Feingefühl die Behörden und die Bevölkerung dieses Landes es verstanden haben, unseren Soldaten und unserer Flüchtlingsbevölkerung die kostbarste materielle und moralische Hilfe zu geben.

Pilet drückt seinen «von ganzem Herzen» kommenden Wunsch aus, dass die Prüfungen, die Frankreich durchgemacht hat, bald ein Ende nehmen. Dies sei im Interesse Frankreichs, der Schweiz und ganz Europas, «das ohne Frankreich nicht vorstellbar ist». Bereits am Nachmittag dieses 22. November verhandeln der Bundespräsident und der neue Botschafter über die Heimschaffung der französischen Internierten.

Seit seiner Jugend interessiert sich Pilet brennend für Frankreich. Zwei der wenigen Bücher, die er im Spätherbst 1940 kauft, sind Tagebuchaufzeichnungen französischer Politiker. Auf Pilets Bitte schickt Stucki ihm 50 Exemplare des Buchs von Jean Montigny «Toute la vérité sur un mois dramatique de notre histoire», in dem der radikalsozialistische Abgeordnete die Ereignisse zwischen dem französischen Gesuch um Waffenstillstand und der Machtübernahme Pétains schildert. Montigny beschreibt das Dilemma der Regierung, die entscheiden musste, ob sie, von Algerien aus, den Kampf weiterführen oder um Waffenstillstand bitten solle. Montigny gesteht den Anhängern beider Thesen ehrenwerte Absichten zu, schlägt sich selber aber auf die Seite Pétains:

Wir haben Vertrauen in das Herz und die Intelligenz Frankreichs. Es wird aus seiner Substanz heraus ein Regime ziehen, dass sich mit denjenigen von ganz Kontinentaleuropa versöhnen wird, aber das notwendigerweise das Zeichen seines eigenen Genies tragen wird.

Als Pilet sich bei Stucki für die Übersendung der Bücher bedankt, besteht er darauf, die Rechnung aus der eigenen Tasche bar bezahlen. Nicht auf Staatskosten. Pilet hält auf korrektes Verhalten. Am 3. Dezember kauft er in der Berner Librairie Payot für Fr. 4.40 das «Journal de la France» des für seine unabhängige Meinung bekannten Schriftstellers und Journalisten Alfred Fabre-Luce, in dem dieser scharfsinnig und anschaulich das französische Debakel nacherzählt.

In die Interniertenfrage, die Pilet als «dornenvoll» beschreibt, kommt Bewegung. Hitler hat den in Vichy für die Kriegsgefangenen zuständigen Botschafter Georges Scapini informiert, dass die über 1,5 Millionen in deutscher Gefangenschaft befindlichen Soldaten als Zwangsarbeiter in Deutschland bleiben müssen. Ein harter Schlag für das Pétain Regime. Als Trostpflaster für Vichy werden etwa 70 000 Kranke, Invalide und Familienväter mit vier oder mehr Kindern nach Frankreich zurückgeschickt. Deutschland hat gegen eine Rückführung der in der Schweiz Internierten nichts einzuwenden. Ein Vorbehalt allerdings:

Das von den Internierten in die Schweiz mitgeführte Gerät wird den deutschen Behörden übergeben, mit Ausnahme der Pferde, für die bereits eine Regelung gefunden worden ist.

Für Pilet stellen sich damit heikle politische und juristische Probleme. Ist eine Heimkehr internierter Soldaten mit der Neutralität der Schweiz vereinbar, wenn Deutschland und Frankreich sich immer noch im Kriegszustand befinden? Der Waffenstillstand kann jederzeit gebrochen werden. Wie verhält es sich mit dem Kriegsmaterial, das Deutschland anfordert? Wird England eine Auslieferung dieses Materials als Neutralitätsverletzung sehen? Pilet lässt sich von seinen Kronjuristen Schindler und Logoz völkerrechtliche Gutachten erstellen.

Am 9. Dezember kommt der im Weltkrieg erblindete Botschafter Scapini nach Genf, um dem IKRK für seine «bewundernswerte Arbeit» zu danken. Auf eine Journalistenfrage über die Rückkehr der französischen Internierten antwortet Scapini, eine Rückführung von 30 000 Mann sei keine «petite affaire», es gebe Detailfragen zu lösen. Der Botschafter ist jedoch zuversichtlich, dass «die Mehrzahl der Internierten an Weihnachten ihr Heim wiedergefunden haben». Am nächsten Tag ist Scapini bei Pilet, um auch dem Bundesrat zu danken und ihn über seine Gespräche mit den Deutschen ins Bild zu setzen.

Zum Autor

Hanspeter Born, geb. 1938, Schulen in Bern, Dr. phil. hist.; Redaktor beim Schweizer Radio, USA-Korrespondent; Auslandchef der Weltwoche (1984–1997); Autor von Sachbüchern, darunter «Mord in Kehrsatz», «Für die Richtigkeit –Kurt Waldheim» sowie (mit Benoit Landais) «Die verschwundene Katze» und «Schuffenecker’s Sunflowers».

Die Verhandlungen Pilets mit den diplomatischen Vertretern Frankreichs, Deutschlands und Englands nehmen Fahrt an. Am 11. Dezember macht Köcher Pilet klar, dass seine Regierung die Rückführung der französischen Internierten verlangt und an der Auslieferung des Materials an Deutschland festhält. Pilet sieht eine juristische Lösungsmöglichkeit für die Rückführung der Internierten, nicht jedoch für das Kriegsmaterial.

Ein Streitpunkt betrifft die internierten Polen. Selbst die Deutschen verlangen nicht, dass sie in das von ihnen besetzte, als Staat verschwundene Polen zurückkehren. Pilet argumentiert, dass das 45. Armeekorps Daille eine Einheit darstellt, der auch die 10 000 Polen angehören. Diese müssten deshalb nach Frankreich zurückgeschickt werden. Verhandlungstaktik. Pilet weiss, dass Vichy die Polen nicht will und Berlin sich gegen ihre Entlassung stemmt. Deutschland will vermeiden, dass polnische Soldaten durch das unbesetzte Frankreich den Weg nach England finden, um sich dort den freien polnischen Streitkräften anzuschliessen. Pilet und Köcher einigen sich, das Thema der Polen zu verschieben

Tags darauf verhandelt Pilet mit de la Baume. Aus neutralitätspolitischen Gründen verlangt er von Frankreich die schriftliche Garantie, dass die zurückgekehrten Soldaten nicht wieder für «Kriegszwecke verwendet» werden. Pilet liefert dem Botschafter eine für die Schweiz akzeptable juristische Formulierung: «Die Internierten, die Frankreich zurückgegeben werden, werden in Erwartung des Friedensabschlusses in eine Stellung der Demobilisation placiert werden.» Die Frage des Kriegsmaterials wird verschoben. Pilet muss vorerst bei Kelly abklären, ob das Vereinigte Königreich eine Auslieferung dieses Materials an den Feind zulässt. Hier liegt die Crux der Angelegenheit.

Am 18. Dezember berichtet Pilet dem General, die Rückführung der 10 000 Polen bereite «beträchtliche Schwierigkeiten». Nach Auffassung der Juristen Schindler und Logoz könne die Schweiz die Übergabe des Materials an Deutschland à la rigueur zulassen:

Enfin, eine absolute Opposition gegen die Lieferung dieser Waffen würde zweifellos die Verhandlung scheitern lassen. Dies würde vom politischen Standpunkt aus Deutschland und Frankreich verärgern, vom finanziellen Standpunkt aus der Schweiz auf längere Zeit die Kosten auferlegen und vom menschlichen Standpunkt aus Frankreich die dringend benötigten Männer und Pferde vorenthalten. 

Wie Sie sehen, Monsieur le Général, wenn auch die Verhandlungen Fortschritte erzielt haben, bestehen weiterhin Schwierigkeiten.

Am 23. Dezember teilt Köcher Pilet mit, die Frage der «Rückkehr der übergetretenen Soldaten ehemals polnischer Staatsangehörigkeit» könne «nicht behandelt werden». Die Heimkehr der Franzosen erfolge, sobald die schweizerische Regierung die rechtsgültige Abtretung des Materials an Deutschland amtlich versichere. Deutschland hält also an der Übernahme des französischen Materials fest. Pilet muss nun die Engländer davon überzeugen, dass eine solche Massnahme mit der schweizerischen Neutralität vereinbar ist. Am 26. Dezember erhält der Bundesrat eine seltsame Note von Kelly, die von «Gerüchten» spricht, wonach eine Auslieferung französischer militärischer Ausrüstung an Deutschland geplant sei. Sollten die Gerüchtestimmen, wäre dies ein «klarer Bruch» der von der Schweiz eingegangen Neutralitätsverpflichtungen. Die Regierung Seiner Majestät hätte «starke Einwände» dagegen.

Am 30. Dezember erklärt Pilet Kelly, die Rückführung der Internierten hänge ganz allein von der Auslieferung des Kriegsmaterials an Deutschland ab. Nach Auffassung des Schweizer Generalstabs sei das französische Material «von wenig Wert, ausser einigen kleinen Fahrzeugen und ein paar hundert Pferden». Pilets juristische Berater glaubten, die Schweiz habe das Recht, das Material an Deutschland auszuliefern, sofern Frankreich dem zustimme. Pilet verspricht Kelly, ihn zu informieren, sobald der Bundesrat in der Frage entschieden habe. In der Zwischenzeit bitte er ihn, die Folgen zu überdenken, wenn der Bundesrat auf einen britischen Protest eingehen müsste. Dies würde heissen, dass Zehntausende unzufriedener Internierter in der Schweiz blieben.

Was die Polen angehe, behalte der Bundesrat den «humanitären Aspekt» im Auge. Er werde nie einer Lösung zustimmen, die eine persönliche Gefahr für die polnischen Truppen darstelle. Es sei besser, so Pilet, wenn die Polen sich in ihrem eigenen Interesse vorläufig aus der Diskussion heraushielten und sich mit der von ihm hiermit gegebenen Garantie begnügten. Kelly versteht dies.

Das alte Jahr bringt keine Lösung. Am 7. Januar 1941 trifft Pilet, jetzt nur noch Chef des Politischen Departements und nicht mehr Bundespräsident, erneut Kelly. Pilet sagt ihm, eine «volle Erklärung der Fakten» werde die britische Regierung davon überzeugen, dass die Schweiz die «humanitäre Pflicht» habe, der deutsch-französischen Vereinbarung «keine Hindernisse in den Weg zu legen».

Pilet gibt Kelly eine Liste des fraglichen Kriegsmaterials: 4500 Pferde und Maultiere, die alle nach Frankreich zurückgehen, 418 Motorwagen, 309 Motorräder, 16 000 Gewehre und Karabiner, 622 automatische Gewehre, 256 Maschinengewehre, 22 Panzerabwehrkanonen, 40 Feldgeschütze, 8 schwere Geschütze, 20 Haubitzen, 15 Fliegerabwehrkanonen und 11 Fahrräder. Pilet hofft, dass die britische Regierung es akzeptiere, wenn die Schweiz auf die in ihrer Note gemachten juristischen Vorbehalte nicht antworte. Damit würde das Vereinigte Königreich die Rückführung der französischen Soldaten stillschweigend tolerieren. So würde man vermeiden, dass in Frankreich «eine grosse populäre Erregung» hervorgerufen werde.

In London teilt das War Office dem Foreign Office mit, dass nach Meinung seiner Deutschlandabteilung die in die Schweiz gebrachte französische militärische Ausrüstung für die Wehrmacht wenig Wert habe:

Wenn Deutschland sie [die militärische Ausrüstung] wollte, würde es wahrscheinlich solchen Druck auf die Schweiz ausüben, dass es sie auf jeden Fall erhalten würde, oder würde sogar einmarschieren und sie holen. Deshalb glauben wir, dass es unnötig ist, gegenüber der Schweiz weitere Massnahmen zu ergreifen.

Am 15. Januar teilt Kelly Pilet mit, dass seine Regierung in der Frage der Rückführung der französischen Internierten und des Materials «nicht insistieren» werde. Dies ohne Präjudiz für die Zukunft. Pilet hat das von ihm angestrebte Ziel erreicht. Ein Erfolg seiner hartnäckigen Diplomatie. Noch am selben Tag gibt der Bundesrat die Bewilligung zur Heimschaffung der Internierten. Eine Woche später entschuldigt sich Pilet bei Kelly, dass er ihm aus Zeitdruck für die «gute Nachricht» nicht gedankt habe, und holt dies nach:

Ich glaube, wir haben die gute Methode angewandt: Die Dinge so sehen, wie sie sind, für die Situationen praktische Lösungen finden, sich nicht in theoretische oder vorzeitige juristische Kontroversen verwickeln. Ich bin völlig bereit, so fortzufahren, und ich bitte Sie, immer mit offenem Herzen zu mir zu reden, so wie ich es meinerseits tun werde.


«Staatsmann im Sturm»

Cover: Staatsmann im Sturm

Hitlers Blitzsiege machten 1940 zum gefährlichsten Jahr in der jüngeren Geschichte der Schweiz. Das völlig eingeschlossene Land war auf Gedeih und Verderb Nazi-Deutschland ausgeliefert. Die Last seiner Aussenpolitik lag auf den Schultern von Bundespräsident Marcel Pilet-Golaz. Mit viel Geschick steuerte er die Schweiz unbeschadet durch stürmische Monate. In der Geschichtsschreibung gilt der Waadtländer als «Anpasser», der den Nazis zu Gefallen war. Hanspeter Born zeichnet ein anderes Bild des Juristen, Schöngeists und Landwirts aus der Romandie. Seine auf Primärquellen, teils unbekannte Dokumente aus dem Familienarchiv Pilet, beruhende Studie wertet den Umstrittenen als klugen und standfesten Staatsmann.«Die kapitale Mission des Bundesrates in den gegenwärtigen Zeitläufen besteht darin, das Land in der Unabhängigkeit und Freiheit zu erhalten. Sein Wille, hiefür seine ganze Energie und seine ganze Umsicht einzusetzen, braucht keinerlei besondere Erwähnung. Dinge, die sich aufdrängen und über jeder Diskussionstehen, verlieren, wenn man sie wiederholt.» Marcel Pilet-Golaz, Lausanne, 12. September 1940


Hanspeter Born, Staatsmann im Sturm. Pilet-Golaz und das Jahr 1940. Münster Verlag 2020, gebunden, mit Schutzumschlag, 540 Seiten, CHF 32.–. ISBN 978-3-907 146-72-, www.muensterverlag.ch

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagsgestaltung: Stephan Cuber, diaphan gestaltung, Liebefeld
Umschlagsbild: KEYSTONE-SDA / Photopress-Archiv 

Beitrag vom 18.08.2024

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