86. Bukarest, Lissabon, Washington Aus «Staatsmann im Sturm»

Aussenminister Pilet darf die beiden nichtkriegführenden Grossmächte Russland und Amerika nicht aus den Augen verlieren. Auch die Entwicklungen auf dem Balkan geben ihm zu denken.

Rumänien, das für die Schweiz wegen seiner Erdöl- und Getreidelieferungen wichtig ist, hat Ende Juni unter russischem militärischem Druck ein Drittel seines Territoriums abgeben müssen und sechs Millionen Einwohner verloren. Mittlerweile hat sich Bukarest unter den Schutz Hitlers begeben. Um die 100 000 deutsche «Militärberater» sind im Oktober einmarschiert. Sie sorgen dafür, dass die Regierung des Diktators General Antonescu tut, was Berlin ihm befiehlt. Doch selbst die deutschen Truppen und die Gestapo haben die brutale Eiserne Garde nicht im Griff. Man hört von Pogromen gegen Juden, Plünderungen und brutalen Morden an ehemaligen Ministern und Generälen.

Der Schweizer Gesandte René de Weck hat erfahren, dass in einer einzigen Nacht zwischen 1 und 2 Uhr früh 64 politische Gefangene und 46 Offiziere ermordet wurden, darunter ein ehemaliger Ministerpräsident, ein ehemaliger Justizminister, ein ehemaliger Polizeikommandant und andere hohe Magistraten:

Immer noch am Mittwoch, 27. November, erschienen Legionäre bei Nicolas Jorga, ehemaliger Ministerpräsident, Mitglied der Rumänischen Akademie, von mehreren Generationen von Patrioten verehrter Dichter, einer der Gründer des rumänischen Nationalismus. Unter dem Vorwand, ihn nach Bukarest in Sicherheit zu fahren, liess man ihn in einen Wagen steigen. Auf dem Weg töten sie ihn und werfen die Leiche in einen Graben.

De Weck, der seit 1933 den undankbaren Posten in Bukarest ausfüllt, sondierte schon zwei Wochen zuvor bei Pilet, ob er nicht nach Paris oder Athen versetzt werden könnte:

Wo darf ich hoffen, dass meine Aufgabe nicht die des Felsens von Sisyphos sein wird, den ich heute ohne Hoffnung hinaufrolle und der droht, mir die Füsse zu zerquetschen?

Pilet antwortet am 15. Dezember:

Mon cher,

Vichy ist nicht frei und ich wusste, dass es nicht frei sein wird. Athen? Du hast doch nicht ernsthaft daran gedacht! Wir werden dort keinen Minister hinschicken, solange wir unsere gegenwärtigen Beziehungen zu Rumänien beibehalten. Es sind übrigens nicht die «Verfügbarkeiten», die fehlen: Aus drei Ländern sind mir solche zugekommen und ich habe grosse Mühe, sie zu placieren.

Pilet denkt hier an die Gesandten, die ihre Posten in den von den Deutschen besetzten Polen, Niederlande und Belgien verloren:

Gewiss ist Deine Lage nicht angenehm. Aber wo ist das verlorene Paradies? Wer hat heute nicht seinen Felsen des Sisyphos, sein Danaidenfass oder sein Kreuz? Ich gestehe, dass ich nicht weiss, wer Dich vorteilhaft ersetzen könnte oder wo Du besser aufgehoben wärest. Ich kann nicht mit Tokio oder Buenos Aires «rochieren»! Also? Ich bin im Gegenteil überzeugt, dass Deine lange Erfahrung im Land uns die grössten Dienste leistet. Man wechselt den Kapitän nicht mitten im Sturm.

Pilet meint, glücklicherweise herrsche gegenwärtig «Flaute». Man wisse nicht, wie lange de Weck die relative Ruhe «geniessen» könne:

Gott allein weiss es, und die Ereignisse werfen oft die bestens ausgearbeiteten Pläne über den Haufen. Man muss an die Zukunft denken, aber von Tag zu Tag leben.

Wenn ich von leben rede, wirst Du bei Deinem nächsten Aufenthalt in der Schweiz überrascht sein. Die Periode der mageren Kühe hat begonnen und sie könnte sehr wohl von einer Ära der armen Ziegen gefolgt werden.

Schliesslich rät Pilet Freund de Weck nur zu telefonieren, wenn es absolut nötig ist: «Nicht nur sind die Drähte stumm, sondern überdies – oh Paradox – geschwätzig.»

Von Tag zu Tag leben. Die zweite Dezemberhälfte bringt dem Chef des Politischen Departements einige nicht zu unterschätzende Erfolge. An der Sitzung vom 17. Dezember erhält er vom Bundesrat die Ermächtigung, Minister Henri Martin, nominell noch Botschafter in Warschau, zum ständigen Geschäftsträger in Lissabon zu ernennen. Portugal hat eine politische und vorab wirtschaftliche Bedeutung erhalten, die ihm – so das EPD –«in normalen Zeiten seit Jahrhunderten kaum je zugekommen ist»:

Lissabon ist heute die einzige Pforte, durch die es der Schweiz ohne allzu grossen Zeitverlust noch möglich ist, die lebenswichtige Verbindung mit Grossbritannien und wichtigen Teilen des britischen Reiches sicherzustellen; aber auch für den Verkehr mit den Vereinigten Staaten und den lateinamerikanischen Republiken ist diese Kapitale zu einem unserer wichtigsten Umschlags- und Etappenplätze geworden.

An der gleichen Sitzung vom 17. Dezember stimmt der Bundesrat einem vom Departement Pilet entworfenen Brief an den Kanton Basel-Stadt zu, der sich über den Stand der schweizerisch-sowjetischen Beziehungen erkundigt hat. Das EPD betont, das Fehlen diplomatischer Beziehung bedeute keineswegs, dass zwischen der Schweiz und der UdSSR «besondere Spannungen» bestünden. Dieses Fehlen stehe der Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen nicht im Wege. Schon mehrfach seien Abmachungen geschlossen worden, die korrekt durchgeführt würden. Eine Intensivierung der Handelsbeziehung mit der Sowjetunion wäre für die Schweiz selbstverständlich vorteilhaft. Der Bundesrat wäre glücklich, in Russland «die Lebensmittel, die uns fehlen, und eine breitere Absatzmöglichkeit für unser Produkte zu finden». Aber er warnt vor «übermässigen Hoffnungen»: Die Verbindungen zwischen der Schweiz und Russland treffen wegen des Kriegs auf «beinahe unüberwindbare Hindernisse».

Italien verlangt von der Schweiz Verhandlungen über die Verdoppelung des ihm gewährten Vorschusskredites von 75 Millionen Franken. Pilet möchte auch über die «Verweigerung von Einreisevisa für Schweizer Bürger», den erhöhten Rechtsschutz von Schweizern, «namentlich gegen Verhaftungen ohne Grundangabe und Ausweisungen », und die Entschädigung für erlittene Kriegsschäden verhandeln. Diskret soll in Rom angetönt werden, «dass Polemiken gewisser Zeitungen, wie sie sich noch vor kurzem ereignet haben, auf Anordnung der Regierung unterbleiben». Für einmal beklagt sich nicht das «Ausland» über schweizerische Zeitungen, sondern es ist der Bundesrat, der reklamiert. Pilet zeigt sich als harter Unterhändler.

Der Gesandte Bruggmann ist beunruhigt, weil Washington die neutralen Guthaben in den USA angeblich sperren will. Er hat den Bankier Felix Somary ersucht, ihm zuhanden der Administration Roosevelt ein Memorandum über die Sonderstellung der Schweiz zu verfassen. Felix Somary ist im Hebst 1939 von Bundesrat Obrecht als Leiter einer Sonderdelegation nach Washington entsandt worden. Dort handelte er einen wichtigen Kriegswirtschaftsvertrag zwischen der Schweiz und den USA aus. Der in Wien geborene, mit Schumpeter und Max Weber befreundete Nationalökonom Somary beriet im Weltkrieg die Achsenstaaten. Nach dem Krieg rettete er Effekten des Wiener Rothschild-Bankhauses in die Schweiz. Seit 1919 leitet Somary die Bank Blankart. In viel beachteten Vorträgen sah er die Weltwirtschaftskrise und den neuen Krieg voraus. Von ihm stammt die Idee einer halbprivaten parallelen Kriegswirtschaftsverwaltung, die Obrecht umsetzte. In Washington hat der Bankier Zugang zu den höchsten Kreisen im Staatsdepartement und im Schatzamt.

Am 14. Dezember schickt Bruggmann Unterstaatssekretär Sumner Welles Somarys Exposé und schreibt:

Ein Damoklesschwert einer Blockierung schweizerischer Konten in den USA hängt immer noch über unserer Wirtschaft. Sollte es auf sie herunterfallen, wäre dies ein schrecklicher Schlag für unsere Wirtschaft und eine entscheidende Schwächung der Stellung unseres Landes. Ich bin überzeugt, dass die von einer derart drastischen Massnahme erwünschte Wirkung auch anderweitig erreicht werden kann.

Somarys Aufsatz trägt den Titel «Switzerland’s Unique Financial Situation and its Significance for the United States». Der Bankier weist darauf hin, dass von 45 Staaten, die sich einst an den Goldstandard hielten, nur zwei ihm treu geblieben sind, die USA und die Schweiz. Eine Blockade der Schweizer Guthaben würde den Goldstandard zerstören. Die Schweiz, schreibt Somary, sei «eines der ärmsten Länder Europas ohne eigene Rohmaterialien und ohne Zugang zur See, mit weniger Einwohnern als Kolumbien, und einer Fläche, die kleiner ist als die der zentralamerikanischen Länder»:

Die Schweiz verdankt ihre Stellung in der internationalen Finanz der natürlichen Sparsamkeit ihrer Leute und der methodischen Investition in fremden Ländern, die sich über einer Periode von mehr als drei Generationen erstreckt. Es gibt kein Land, wo der Lebensstandard dermassen von den Schwankungen des amerikanischen Markts abhängt als die Schweiz, und die Investition in amerikanischen Wertschriften sickert bis in die entferntesten Täler der Schweiz durch.

Seit New York die Stellung Londons als finanzielles Weltzentrum übernommen hat, befindet sich ein guter Teil der Devisenreserven der Schweiz in den USA. Eine grobe Schätzung zeigt eine Durchschnittsinvestition von beinahe 1000 Dollar pro Schweizer Familie in den Vereinigten Staaten, eine Zahl, die sich mit keinem anderen Land auf der Welt vergleichen lässt.

Eine Blockade der Schweizer Guthaben würde dem Land «irreparablen Schaden» zufügen:

Es ist die feste Hoffnung des Volks und der Regierung der Schweiz, dass solche katastrophalen und unverdienten Entwicklungen verhindert werden können.

Am 17. Dezember antwortet Sumner Welles Bruggmann. Er habe das Exposé sorgfältig gelesen und er könne die Schweiz bezüglich einer Blockierung ihrer Konten beruhigen: Keine «Aktion dieser Art» stehe in Aussicht. Sollte sie aktuell werden, würde alles versucht werden, um eine «schädliche Beeinträchtigung der schweizerischen finanziellen und wirtschaftlichen Stellung abzuwenden».

Zum Autor

Hanspeter Born, geb. 1938, Schulen in Bern, Dr. phil. hist.; Redaktor beim Schweizer Radio, USA-Korrespondent; Auslandchef der Weltwoche (1984–1997); Autor von Sachbüchern, darunter «Mord in Kehrsatz», «Für die Richtigkeit –Kurt Waldheim» sowie (mit Benoit Landais) «Die verschwundene Katze» und «Schuffenecker’s Sunflowers».

In der Nacht auf den 17. Dezember werfen Bomber erstmals seit drei Monaten über Schweizer Gebiet wieder Spreng- und Brandbomben ab. Getroffen werden der SBB-Güterbahnhof in Basel, Wohnhäuser im Quartier Gundeldingen und in Binningen. Bilanz: vier Tote, mehrere Verletzte und bedeutende Sachschäden. Die Untersuchung ergibt, dass es sich um britische Bomben gehandelt hat. Aufgefangene Funkmeldungen der beteiligten Flieger bestätigen den Befund. Sie glaubten, sie hätten Ziele in Mannheim getroffen. Schon am 18. Dezember übergibt Minister Thurnheer Aussenminister Lord Halifax persönlich eine Note betreffend eine «neue und sehr schwerwiegende Verletzung der schweizerischen Neutralität durch die Royal Air Force».

Am 22. Dezember fallen um 20 Uhr 35 – bei Mondschein und vor Beginn der Verdunkelung – Bomben auf Zürich. Getroffen wird das Eisenbahnviadukt an der Josefstrasse, wobei eine Person getötet wird. Wiederum haben sich die englischen Flieger verirrt. Es geht bald das falsche Gerücht um, wonach die in der Nähe der Bombenabwürfe liegende Firma Maag, die Rüstungsgüter nach Deutschland liefert, und die Bahnlinien nach Italien das Ziel der Bomber gewesen seien. Selbst Feldmann schliesst nicht aus, dass das Gerücht stimmen könnte:

Es scheint, dass mit dem Angriff auf Zürich, Oerlikon und Schlieren die Engländer nun bewusst dazu übergegangen sind, schweizerische Industriebetriebe anzugreifen, welche für deutsche Rüstungszwecke arbeiten.

Am 24. Dezember geht Minister Thurnheer ins Foreign Office, um eine Protestnote abzuliefern. Er trifft dort nicht Lord Halifax, sondern die Nummer 2, Unterstaatssekretär R.A. Butler. Halifax ist eben zum Botschafter in Washington ernannt worden und hat sein Amt an Anthony Eden abgegeben. «Rab» Butler kennt die Schweiz aus seiner Tätigkeit beim Völkerbund und hat Sympathien für sie. Thurnheer sagt Butler, es tue ihm leid, dass er am Heiligen Abend zu ihm kommen müsse, um über Bombenabwürfe über Zürich, der «wichtigsten Stadt der Schweiz», zu berichten. Thurnheer erzählt Pilet, was er Butler vorgehalten hat:

Das erstaunliche auch bei diesem Fall, wie übrigens demjenigen Basels, sei die schlechte Orientierung der Flieger. Auch Zürich sei eine markante Stadt auf der Landkarte, am Ende des langen schmalen Zürichsees und es sei mir unerklärlich, wie man Zürich mit einer süddeutschen Stadt verwechseln könne, es sei denn, dass der Flieger vielleicht Konstanz mit Zürich verwechsle. In diesem Falle müsste er aber den relativ schmalen Zürichsee mit dem breiten Becken des viel grösseren Bodensees verwechselt haben. Diese konstanten und in letzter Zeit so schweren Verletzungen machen einen sehr ungünstigen Eindruck, vor allen Dingen einmal bei uns, dann aber glaube ich, dass sie überhaupt dem Ansehen der britischen Flieger im Ausland schaden. Die Schweiz sei überall beliebt und bekannt, und man könne nicht verstehen, weshalb britische Flieger so schlecht orientiert seien, dass sie über der Schweiz Bomben abwerfen.

Butler sagt, er habe geahnt weswegen Thurnheer seinen Besuch angemeldet habe. Er habe deshalb zuvor mit dem neuen Chef im Foreign Office, Mr. Eden, der tags zuvor sein Amt angetreten habe, darüber geredet. Eden habe eine eingehende Untersuchung angeordnet. Butler fragt Thurnheer, ob er denn «ganz sicher» sei, dass es sich um britische Flieger handle:

Ich antworte, dass meiner Ansicht nach hierüber kaum ein Zweifel herrschen könne; die Bomben seien britische Bomben, und die Radiomeldungen der Flieger bilden ebenfalls eine Bestätigung, dass es britische Flieger gewesen seien; überdies seien unsere Untersuchungsbehörden sehr vorsichtig und gründlich. Butler bemerkte hierzu, dass er nicht den geringsten Zweifel an diesen Meldungen hege. Er erwähnt nur, dass die Deutschen eben leider im Besitze von britischen Bomben seien. Ich füge dann bei, dass dieser britische Zweifel bei uns keine günstige Aufnahme finden würde, und Mr. Butler möchte denn auch lieber, dass ich hierüber keinen Bericht mache, was ich zusage.

Das Verhältnis des Schweizer Gesandten mit seinen britischen Gesprächspartnern ist vertrauensvoll. Die Schweiz hat bei den Engländern immer noch einen guten Ruf. Dies geht auch aus einer persönlichen Mitteilung von Roger Makins, dem Chef der Westeuropa-Abteilung im Foreign Office, hervor. Makins schreibtam 25. Dezember einem Kollegen im Ministerium für Wirtschaftliche Kriegsführung (MEW). Er missbilligt die unnachgiebige Haltung des MEW gegenüber der Schweiz:

Hier haben wir ein Land von harter anti-totalitärer Substanz mit einer Armee, in der die Moral ausgezeichnet ist, aber mit einem schwächlichen Haufen von Politikern. Wir wissen, dass die Leute sound at heart sind und einem Angriff widerstehen werden, wenn sie auch irgendwie ermutigt werden, aber die Ereignisse haben sie geographisch und wirtschaftlich in eine exponierte Lage gebracht. Sie können nicht anders, als mit dem Feind Handel zu treiben, ihre Presse und Radio zurückzubinden, um Empfindlichkeiten der Achse zu vermeiden, und making a song and dance wegen der Grenzverletzungen; aber grundsätzlich bleiben sie auf unserer Seite und werden dortbleiben, solange wir sie nicht zu oft bombardieren. Natürlich schicken sie Waffen nach Deutschland und werden es weiter tun. Darin liegt nichts Unneutrales, selbst wenn sie es nicht tun müssten.

Der 36-jährige Makins ist ein Diplomat mit Zukunft. 1941 wird ihn Churchill als Verbindungsmann zum amerikanischen General Eisenhower nach Nordafrika schicken. Nach «Ikes» Wahl zum Präsidenten übernimmt er 1953 den Botschafterposten in Washington. In seiner weihnachtlichen Notiz von 1940 erinnert Makins das MEW an die Bedeutung der Schweiz für das Vereinigte Königreich:

Von unserer Seite aus ziehen wir beträchtliche Vorteile aus der Aufrechterhaltung der Beziehungen mit der Schweiz, moralisch und praktisch. Die praktische Seite (hauptsächlich nachrichtendienstlich) nimmt mit den Entwicklungen in Italien zu. Welche möglichen Vorteile erhalten wir, wenn wir unter diesen Umständen mit den Schweizern »tough» sind? Begrenzt unbedingt ihre Vorräte, setzt ihre Händler auf eine schwarze Liste, but do not bully or starve them. Dies treibt sie nur ins Feindeslager. Dann werden sie mit all der Starrköpfigkeit, der sie fähig sind, ihre Industriekapazität, ihren Nachrichtendienst, ihre Waffen und ihre Guthaben zur vollen Verfügung Deutschlands stellen … Unsere Agenten werden unfähig sein zu operieren. Unser Draht zu Italien wird geschlossen werden; und der Vorwurf wird in unseren Ohren klingen, dass wir die letzte verbleibende Demokratie in Europa widerwillig in die «Neue Ordnung» gezwungen haben. Und was haben wir damit gewonnen? Wir werden das Prinzip der Blockade aufrechterhalten haben, indem wir das Risiko vermeiden, dass eine kleine Menge von verschiedenen Waren den Feind erreicht – ein paar Tropfen im Ozean, die im Hinblick auf den Sieg im Krieg unerheblich sind, eine jämmerliche Kompensation für die moralischen und materiellen Werte, die wir unmässig zerstört haben.


«Staatsmann im Sturm»

Cover: Staatsmann im Sturm

Hitlers Blitzsiege machten 1940 zum gefährlichsten Jahr in der jüngeren Geschichte der Schweiz. Das völlig eingeschlossene Land war auf Gedeih und Verderb Nazi-Deutschland ausgeliefert. Die Last seiner Aussenpolitik lag auf den Schultern von Bundespräsident Marcel Pilet-Golaz. Mit viel Geschick steuerte er die Schweiz unbeschadet durch stürmische Monate. In der Geschichtsschreibung gilt der Waadtländer als «Anpasser», der den Nazis zu Gefallen war. Hanspeter Born zeichnet ein anderes Bild des Juristen, Schöngeists und Landwirts aus der Romandie. Seine auf Primärquellen, teils unbekannte Dokumente aus dem Familienarchiv Pilet, beruhende Studie wertet den Umstrittenen als klugen und standfesten Staatsmann.«Die kapitale Mission des Bundesrates in den gegenwärtigen Zeitläufen besteht darin, das Land in der Unabhängigkeit und Freiheit zu erhalten. Sein Wille, hiefür seine ganze Energie und seine ganze Umsicht einzusetzen, braucht keinerlei besondere Erwähnung. Dinge, die sich aufdrängen und über jeder Diskussionstehen, verlieren, wenn man sie wiederholt.» Marcel Pilet-Golaz, Lausanne, 12. September 1940


Hanspeter Born, Staatsmann im Sturm. Pilet-Golaz und das Jahr 1940. Münster Verlag 2020, gebunden, mit Schutzumschlag, 540 Seiten, CHF 32.–. ISBN 978-3-907 146-72-, www.muensterverlag.ch

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagsgestaltung: Stephan Cuber, diaphan gestaltung, Liebefeld
Umschlagsbild: KEYSTONE-SDA / Photopress-Archiv 

Beitrag vom 08.09.2024

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