Swetlana Stalin – auf ewig im Schatten ihres Vaters
Auf ihrer Flucht in ein neues Leben strandet die Tochter des sowjetischen Diktators Josef Stalin kurz auch in der Schweiz. Ein Dok-Film blickt auf die schicksalshafte Biografie einer Frau, die in der ersehnten Freiheit fern der Heimat keine Ruhe findet. Zu sehen ab November im Kino.
Text: Marco Hirt
Es ist eine Meldung, die im März 1967 die Welt überrascht. Swetlana, Tochter des 1953 verstorbenen Diktators Josef Stalin, entflieht dem Kommunismus in den Westen. Unter einem Vorwand schafft sie es, aus der Sowjetunion nach Indien auszureisen – um die Asche ihres indischen Lebensgefährten im heiligen Fluss Ganges zu verstreuen. Und vor Ort entwischt sie ihren Aufpassern. Die damals 41-Jährige, die nach dem Tod ihres Vaters nicht mehr Stalin heissen wollte und den Mädchennamen ihrer Mutter Allilujewa angenommen hatte, bittet in der amerikanischen Botschaft in Neu-Delhi um Asyl. Sie kehrt aber nicht nur ihrer Heimat den Rücken, sondern lässt auch ihre beiden Kinder zurück.
Zeitlebens eine Getriebene
Ein heikler Moment mitten im Kalten Krieg, wie der Dokumentarfilm «Geboren Svetlana Stalin» nachzeichnet. So willkommen in den USA ist Swetlana, die sich aus dem Schatten ihres despotischen Vaters lösen wie auch von seinem politischen Erbe befreien will, jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht. Denn Gespräche über die Unterzeichnung eines Atomabrüstungsvertrags zwischen den USA und der UdSSR stehen an. Auf neutralem Boden in Genf – und ebenso die neutrale Schweiz soll Swetlana in dieser Phase Asyl gewähren. So wird sie unter anderem, weil vom KGB und von der Weltpresse gejagt, bei Nonnen im Kanton Freiburg versteckt.
Unter falschem Namen reist sie dann am 21. April 1967 weiter in die Vereinigten Staaten. Doch zur ersehnten Ruhe kommt sie nicht. Die einst als «Kreml-Prinzessin» bezeichnete Tochter Josef Stalins wird zeitlebens eine Getriebene bleiben, wie «Geboren Swetlana Stalin» nachzeichnet – in einer einnehmenden Mischung aus Animation, historischen Fotos und Filmaufnahmen sowie Interviews mit Zeitzeugen. Swetlana kehrt in den 80er-Jahren sogar in die Sowjetunion zurück und bleibt für ein paar Jahre in Georgiens Hauptstadt Tiflis wohnhaft. Eine Frau, die mehr und mehr an ihrer Vergangenheit zerbricht und ihre letzten 15 Jahre verarmt und einsam als Lana Peters in einem Altersheim in Wisconsin (USA) verbringt. Und dort Ende 2011 im Alter von 85 Jahren stirbt.
«Geboren Swetlana Stalin», Schweiz/Frankreich 2023, 80 Minuten, ab 21. November im Kino
- Historikerin Martha Schad zeichnet in der 2013 erschienenen Biografie «Stalins Tochter» (Verlag Herbig) deren Lebensweg anhand von Dokumenten, Zeitzeugenberichten und langen Gesprächen mit Swetlana Stalin selbst nach.
- Die 50-minütige Dokumentation «Stalins Tochter» aus dem Jahr 2015 ist auf dem Streamingportal pluto.tv abrufbar.