Wachstumshelfer in Gefahr
Bienen und Hummeln sind die wichtigsten Bestäuber der Blütenpflanzen und kommen in vielen verschiedenen Arten vor. Leider sind viele davon gefährdet, da ihre Nahrungspflanzen und Nistmöglichkeiten schwinden.
Text: Esther Wullschleger Schättin
Auf Blumenwiesen, an blühenden Staudenfluren oder Sträuchern herrscht bei sonnigem Wetter rege Betriebsamkeit. Schmetterlinge, Schwebfliegen, Bienen und Hummeln und sogar einige Käfer fliegen die Blüten an, um von deren Pollen- oder Nektarvorrat zu zehren. Wenn sie von einer Blüte zur nächsten fliegen und dabei Pollenkörner, die an ihnen haften bleiben, mittragen, vollbringen die Insekten eine wichtige Bestäubungsleistung für die Blütenpflanzen. Diese sind auf die tierischen Pollenüberträger angewiesen, und etliche Pflanzenarten ziehen mit ihren Blüten ganz bestimmte Insektenarten an, denn je «blütentreuer» diese sich verhalten, desto höher wird der Bestäubungserfolg für die Pflanze.
Am stärksten haben sich die verschiedenen Bienen auf die Blütennahrung spezialisiert. Sie fliegen besonders oft Blüten an, denn sie ernähren nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Brut mit den Blütenerzeugnissen der Pflanzen und müssen entsprechend viel Pollen einsammeln. Neben der domestizierten Honigbiene existiert eine grosse Vielfalt von weiteren, frei lebenden Bienenarten, die eine erstaunlich wichtige Rolle bei der Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen spielen. Allein in der Schweiz kommen über 580 Arten von Wildbienen vor, weltweit sind es etwa 30’000.
Gegenüber der Honigbiene wurden die Wildbienen häufig unterschätzt, was ihre Bestäubungsleistung in landwirtschaftlichen Kulturen betrifft. Doch ihre Vielfalt in den Lebensweisen, in der Toleranz gegenüber nasskaltem Wetter, in den Flugzeiten während des Jahresverlaufs und in ihren Blütenpräferenzen bringt es mit sich, dass die wilden Verwandten gesamthaft sogar effizientere Bestäuberinnen sind als die Honigbienen. Wie sich gezeigt hat, können die Wildbienen den Fruchtansatz von Kulturpflanzen noch erhöhen, auch wenn dort die Honigbienen häufig sind. Die kleinen Blüten der Tomaten beispielsweise werden von den Honigbienen gemieden, da sie für diese schlecht zugänglich sind.
Hummeln ertragen auch Kälte
Allein die Hummeln, die in ihrer Lebensweise den Honigbienen am nächsten kommen, sind mit rund 40 Arten in der Schweiz vertreten. Wie diese gehören die Hummeln zu den honigproduzierenden, in Kolonien lebenden Bienenarten, deren Arbeiterinnen den Pollen als Körbchensammler in den Stock oder das Nest eintragen. Der Ausdruck Körbchensammler kommt daher, dass sie den an ihrem Haarkleid haftenden Pollen abbürsten und an einem mit langen Borsten umgrenzten Bereich der Hinterbeine zu den bekannten orangen bis gelblichen Pollenhöschen festkleben. Diese wachsen mit dem Sammelerfolg zu massiven Pollenklümpchen heran.
Die dicht behaarten Hummeln sind ausserordentlich kälteangepasst und können bereits bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt fliegen. Im Gegensatz zu anderen Bienen bringen sie es fertig, ihre Flugmuskulatur ohne Flügelbewegung zum Aufheizen des Körpers einzusetzen. Mehrere Arten leben in den Alpen noch weit über der Baumgrenze, und im Himalaja summen Hummeln regelmässig auf 4000 Metern Höhe oder vereinzelt darüber hinaus.
Schon im zeitigen Frühjahr sieht man hierzulande erste Hummeln, die Pollen von Frühlingsblühern wie den Schlüsselblumen sammeln. Die frühen Exemplare sind befruchtete Jungköniginnen, die aus der Winterruhe erwacht sind und nun auf sich allein gestellt ein Nest in einem Erdloch oder einem anderen Hohlraum bauen und eine neue Kolonie begründen. Die männlichen Drohnen und die Arbeiterinnen leben nur wenige Wochen lang und überwintern nicht.
Die meisten Wildbienenarten leben jedoch als Solitärbienen, wobei die Weibchen ihre Brutzellen allein versorgen. Sie bringen einen Nahrungsvorrat für die Larve in den hohlen Pflanzenstängel oder das Erdloch ein und legen ein Ei darauf. Danach verschliessen sie die Zelle und beginnen gleich, eine nächste anzulegen. Je nach Art nutzen die Bienen unterschiedliche Niststandorte. Die blauschwarz erscheinenden, recht grossen Holzbienen etwa nisten in Totholz, nachdem sie mit ihren kräftigen Mundwerkzeugen einen Brutgang in das meist schon morsche Holz genagt haben. Drei Arten dieser auffälligen Insekten kommen in der Schweiz vor, sind jedoch selten und gefährdet.
Die Zweifarbige Mauerbiene hat sich darauf spezialisiert, in leeren Schneckenhäusern zu nisten. Sie betreibt einigen Aufwand, um dieses «Haus» für ihren Nachwuchs herzurichten. Wenn es herausgeputzt, mit Nahrung versorgt und fest verschlossen ist, dreht sie das Schneckenhaus um, sodass die Mündung unten liegt, und bedeckt es zur Tarnung mit verschiedenem Pflanzenmaterial. Kuckucksbienen hingegen verzichten auf den Bau eines eigenen Nestes und legen ihre Eier in die Nester einer Wirtsbiene. Ihre schlüpfende Larve tötet daraufhin die Larve des Wirtes und zehrt von deren Nahrungsvorrat. Dabei sind die meisten Kuckucksbienen an bestimmte Wirtsbienen gebunden und halten sich entsprechend hartnäckig in der Nähe von deren Nestern auf. Die wespenähnlich aussehende Wespenbiene parasitiert beispielsweise bei Sandbienen.
Die Wildbienen sind während der ganzen Vegetationszeit auf ein reichliches und vielfältiges Angebot an Blüten einheimischer Pflanzen angewiesen, von deren Nektar und Pollen sie leben. Durch das Schwinden der einheimischen Pflanzenvielfalt, durch Überbauungen, ausgeräumte Landschaftsgestaltung, Pestizideinsatz und intensive Landwirtschaft sind leider viele Arten sehr gefährdet. Vor allem Wildbienenarten, die als Spezialisten nur Pollen von wenigen Pflanzenarten einer bestimmten Verwandtschaftsgruppe sammeln, sind oft in einer schwierigen Lage. Etwa 45 Prozent aller einheimischen Bienenarten stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten, etliche sind bereits ausgestorben.
Naturnahe Gärten gesucht
Durch die Pflege eines naturnahen Gartens, worin eine bunte Vielfalt einheimischer Blumen und Blüten gedeiht und wo auch Totholz liegen bleiben darf, liesse sich den Bienen helfen. Die hübsch gestalteten, im Fachhandel erhältlichen Bienenhotels sind zwar sehr populär geworden, werden aber meist nur von einigen anpassungsfähigen Arten genutzt, die ohnehin schon häufig sind.
Rund ein Fünftel aller einheimischen Bienenarten nehmen überhaupt Hohlräume wie Pflanzenstängel oder Bohrlöcher zum Nisten an, während mehr als die Hälfte der Arten ihre Nester in den Boden graben. Manche bevorzugen dabei sandige Böden, andere graben ihre Gänge eher in lehmigem Untergrund. Solch offene Bodenstellen, die sich in früheren Zeiten etwa im Schwemmbereich von Flüssen ergaben, sind im Siedlungsraum nicht gerade häufig zu finden. Natürlich müssen auch die Nahrungsquellen, also blühende Wildpflanzen, in erreichbarer Nähe zu einem Bienenhotel sein, denn Wildbienen fliegen nicht weit und würden sonst die Nistplätze nicht nutzen.
Infos über Wildbienen:
www.wildbienen.info, Verein WildBee (Schutz einheimischer Wildbienen): www.wildbee.ch
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