© Claudia Herzog

«Erwartungsdruck imponiert mir nicht»

Mordechai «Motti» Wolkenbruch ist zurück. Sein Schöpfer, der Zürcher Autor Thomas Meyer, erzählt im Video-Interview über seine ungebrochene Lust am Schreiben, und wie er sich das Leben als alter Mann vorstellt.

Von Claudia Herzog

Von Anfang an begeisterte er sich für das geschriebene Wort. Die Buchstaben faszinierten ihn. Als sich seine Eltern einmal stritten, schrieb der fünfjährige Thomas Meyer auf einen Zettel: «Papi, du bisch es Arschloch.» Im Gegensatz zu seinen schockierten Eltern freute sich der Junge und realisierte: mit deutlich formulierten Sätzen kann man sich Gehör verschaffen.

Die Lust am Schreiben ist auch 40 Jahre später ungebrochen. «Ich schreibe einfach sehr, sehr gerne. Es ist ein grosses, genussvolles Vergnügen für mich», sagt Thomas Meyer. Und er tut dies sehr erfolgreich. Sein Debüt aus dem Jahr 2012, «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse», ist bis heute ein Bestseller – als Buch wie auch 2018 als Kinofilm.

In der aktuellen Fortsetzung «Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin» steht zwar wieder der junge Jude Mordechai «Motti» Wolkenbruch im heiteren Geschehen. «Ansonsten ist das Buch aber ganz anders als das erste – und noch besser», sagt Thomas Meyer.

Buchcover: «Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin» In «Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin» verliert Motti sein Zuhause, zieht nach Israel und landet prompt im Hauptquartier der Jüdischen Weltverschwörung. Und die ist – unter anderem infolge akuten Personalmangels – längst nicht so erfolgreich, wie mancher glaubt. Also übernimmt Motti das Ruder.

Verlag Diogenes, 288 Seiten, ca. 32 Fr.

«Druck ist mir weitgehend egal»

«Ich werde oft gefragt, ob der Erfolg des ersten Buches nicht Druck beim Schreiben der Fortsetzung ausgeübt hätte», erzählt Thomas Meyer. «Nein, hat er nicht!» Und ergänzt: «Ich weiss, dass es Menschen gibt, die sich unter Druck eher zusammenfalten, andere blühen auf. Ich gehöre definitiv zur zweiten Sorte. Druck imponiert mir einfach nicht. Er ist mir weitgehend egal.»

Thomas Meyer im alten Botanischen Garten in Zürich. © Claudia Herzog

Aber er freue sich über die vielen, auch eigenen Erwartungen, die im Raum stehen. «Ich erwarte von mir selbst, dass ich im aktuellen Buch deutlich besser schreibe, als in meinem letzten Buch. Ich selbst setze mir diese Messlatte. Mein jeweils aktuelles Buch soll mein aktuell bestes Buch sein. Spürbar. Ich will mich stetig entwickeln, nicht nur persönlich, sondern auch beruflich.»

Schreibt er lieber heikle Sätze, als sie auszusprechen? Der 45-jährige Autor lacht und sagt: «Sowas kann nur jemand fragen, der nicht selbst schreibt.» Dann denkt Thomas Meyer doch noch etwas länger über die Frage nach und fügt schliesslich an: «Ich konnte lange Zeit heikle Dinge tatsächlich besser schreiben als sagen. Es ist viel einfacher, seine Meinung in ein Gerät zu tippen. Aber gerade Beziehungsangelegenheiten, die gerne mit Text-Messages behandelt werden, verschlimmern sich dadurch massiv. Gewisse Dinge sind schwer auszusprechen, weil man in diesen Momenten nicht souverän ist. Aber es führt kein Weg daran vorbei.»

«Ich möchte sehr alt und sehr lustig werden.»

Ein gelungenes Leben ist für Thomas Meyer «ein Leben, in dem ich auf die eigenen Bedürfnisse gehört und sie ernst genommen habe». «Ein Leben, auf das ich zurückblicken und sagen kann: Doch, ich würde den grössten Teil wieder genauso machen. Es war gut für mich und andere.»

Und wie stellt er sich selbst als alter Mann vor? «Ich möchte ein entspannter, lustiger Herr werden. Der Idealverlauf des Alters führt dazu, dass man eine sehr versöhnliche und heitere Stimmung gegenüber dem Leben erlangt. Wenn mir dies gelingt, freue mich sehr.»

© Claudia Herzog

Thomas Meyer

Thomas Meyer, geboren 1974 in Zürich, ist der Sohn einer jüdischen Mutter und eines christlichen Vaters. Nach einem abgebrochenen Jura-Studium arbeitete er als Texter und Reporter. 2007 machte er sich als Autor und Texter selbstständig.

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Beitrag vom 23.09.2019
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