Der Markt der Natur- und Biokosmetik boomt. Kleine Schweizer Marken mischen darin erfolgreich mit. Manche zählen gar zu den Pionieren.
Text: Roland Grüter
Es gibt 126 Gründe, die uns zur Vorsicht mahnen sollten: Denn so vielen Chemikalien sind wir gemäss einer aktuellen US-Studie täglich ausgesetzt. Diese sind in Wasch- und Putzmitteln, im Essen und in Möbeln versteckt. Aber auch in Kosmetika: Zwar wurden in Europa bereits 1300 Inhaltsstoffe aus Salben, Lotionen und Parfums verbannt, die Liste der zulässigen Ingredienzien liest sich aber noch immer wie ein Laborbericht. Mineralöle, Silikone und krebserregende Parabene – alles zugelassen.
Synthetische Zusätze unter Verdacht
Seit wenigen Jahren stehen synthetische Zusätze unter Verdacht, und immer mehr Konsumentinnen schwenken auf Bio- und Naturkosmetik um. Die Nachfrage in diesem Segment wächst jährlich um rund 12 Prozent. Das animiert auch die Produzenten zur Denkumkehr. Die Zahl der Kosmetika, die uns mehr Natur und weniger Chemie bieten wollen, hat sich im vergangenen Jahr nahezu verdoppelt. Gemäss der britischen Modezeitschrift «Vogue» gibt es mittlerweile 10 000 Produkte, verteilt auf 794 Marken. Fachleute bezeichnen sie als Clean Beauty, als saubere Schönheit.
Auch viele Schweizer Labels produzieren naturreine Kosmetik (siehe Box). Die Bernerin Pia Hess war eine der Ersten, sie verkaufte ihre Bio-Kollektion bereits Anfang der 1980er-Jahre auf Wochenmärkten. Die gelernte Drogistin gibt ihr Wissen seit Jahren in Workshops weiter, denn Naturkosmetik für den Eigengebrauch lässt sich problemlos selber herstellen. Die zweifache Mutter hat überdies zwei Bücher zum Thema publiziert, das neuste, «Naturkosmetik. Natürliche Pflege für den ganzen Körper. Zum selber machen», erscheint am 1. Dezember (Mehr Infos auf pianaturkosmetik.ch).
Schweizer Naturkosmetikmarken
Farfalla: Zertifizierte Naturkosmetik mit hohem Bio-Anteil und natürlichen Düften. www.farfalla.ch Similasan: «Similasan natural cosmetics» bietet drei Produktelinien für unterschiedliche Hautbedürfnisse an. similasan-natural-cosmetics.com Weleda: Die pflanzlichen Inhaltsstoffe stammen zum grössten Teil aus biologischem oder biologisch-dynamischem Anbau. weleda.ch Biokosma: Vorzugsweise verarbeitet das Label Schweizer Bio-Pflanzenextrakte. biokosma.ch Ledibelle: Die hypoallergene Hautpflegeserie des Appenzeller Labels setzt auf die Wirkung der Ziegenmolke und die Kraft des Jakobsquellwassers. ledibelle.ch Sanmar Biocosmetic: Die Produkte mit Aloe-Anmaris-Extrakten werden in Zusammenarbeit mit Naturheilpraktikern entwickelt. Ideal für empfindliche Haut. sanmar.ch Five Skincare: Das Unternehmen produziert seine Naturkosmetik aus maximal fünf Inhaltsstoffen – vegan und ohne Tierversuche. fiveskincare.ch Abhati Suisse: Die Rezepturen werden in der Schweiz produziert, sie sind stark von der ayurvedischen Heilkunst inspiriert. abhatisuisse.ch
Pia Hess betreibt seit 18 Jahren an der Berner Postgasse ebenfalls einen Laden, in dem sie Badeöle, Parfums, Pflegemittel, Shampoos, Seifen etc. herstellt und verkauft. «Der Boom der Naturkosmetika wundert mich nicht», sagt die 62-Jährige. «Die Menschen wählen mittlerweile sorgfältig aus, was sie konsumieren, auch bei ihren kosmetischen Mitteln», sagt sie. «Leider ist nicht immer ersichtlich, wie natürlich Naturkosmetik tatsächlich ist. Insbesondere industriell gefertigte Produkte entsprechen diesem Begriff mitunter nur ansatzweise.»
Heilkräfte der Pflanzen
Sie selber stellt ihre Produkte allesamt von Hand her. Die Bio-Pflanzenöle und Emulgatoren bezieht sie von kleinen Ölmühlen, Lavendel und Rosmarin stammen aus ihrem eigenen Garten, Ringelblumen, Malven und andere Pflanzen wachsen im Betrieb der alten Mühle in Dotzigen BE, einem Sozialprojekt. «Wer Biokosmetik herstellt oder vertreibt, steht bereits beim Einkauf in der Verantwortung», sagt Pia Hess.
Streng genommen enthalten Naturkosmetika einzig pflanzliche und natürliche Inhaltsstoffe und werden nach der Mischung kaum bearbeitet. Nur so bleiben die Heilkräfte der Pflanzen erhalten, durch industrielle Prozesse gehen Enzyme, Mineralien, Vitamine und natürliche Antioxydantien leicht verloren. Bio-Produkte wiederum sollten Inhaltsstoffe enthalten, die frei jeglicher Pestizide, Fungizide, Herbizide oder Antiobiotika sind und auf Tierversuche gänzlich verzichten. Doch auch hier fehlen verbindliche Deklarationen: abgesehen von Standards, wie wir sie aus dem Lebensmittelbereich kennen («Demeter» oder «Knospe»).
Trotzdem sind die Bemühungen der Branche, auf bedenkliche Ingredienzien zu verzichten, lobenswert. Bleibt zu hoffen, dass ihr Bekenntnis zur Natur bald auch die Verpackungen erfasst. Die Kosmetikbranche verarbeitet jährlich weltweit 120 Milliarden Verpackungen. Und die wenigsten davon sind recycelbar.
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