Chuck Berry präsentierte die Gitarre gleichberechtigt zum Gesang © Wikipedia

«You never can tell» von Chuck Berry Songs und ihre Geschichten

Der 2017 verstorbene Chuck Berry, geboren 1926 in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri, war einer der wichtigsten und einflussreichsten Rock’n’Roll-Protagonisten überhaupt und etablierte die E-Gitarre als führendes Instrument.

Von Urs Musfeld

https://www.youtube.com/watch?v=qK5N2LavUZQ

Der von ihm kultivierte «Duck walk» (Entengang), der auf der Bühne stets die Soli begleitete, wurde Chuck Berrys Erkennungsmerkmal. Ab 1955 gab er dem neuen Musikstil seine poetische Sprache – weit entfernt von der Naivität vieler anderer Rock’n’Roll-Texte – und definierte das «Teenage» als gelobtes Alter.

Als eine Art Landvermesser des Teenager-Lebens lieferte der damals schon 30-jährige Berry realitätsnahe, farbenfrohe Minikarten. Seine Hits («Maybellene», «Roll over Beethoven», «Sweet little sixteen», «Johnny B. Goode») begleiteten eine sich eben erst formierende Jugendkultur als Soundtrack.

Mit seiner immer ein wenig gehetzt klingenden Stimme und einem metallischen Gitarrensound, sorgte das schwarze Jugendidol Berry auch bei weissen Teenagern für Ekstasen.

Im Dezember 1959 geriet er – nicht zum ersten Mal – mit der Justiz in Konflikt. Wegen des Verstosses gegen den sogenannten «Man Act» (Transport von minderjährigen Prostituierten von einem US-Bundesstaat in den andern) wurde Berry in zweiter Instanz im März 1961 zu drei Jahren Haft verurteilt.

Im Gefängnis schrieb er Hits

Nach seiner vorzeitigen Entlassung im Oktober 1963 konnte er erneut Fuss fassen. Obwohl die Rock’n’Roll-Welle in der Zwischenzeit verebbt war, coverten junge Bands wie die Beatles oder die Rolling Stones Lieder von Chuck Berry. Er selbst trat wieder auf und veröffentlichte zwischen 1964 und 1965 acht Singles, darunter das im Gefängnis komponierte «You never can tell» (1964).

Die meisten Songs, die den Weg eines jungen Liebespaars auf ihrem Weg ins Erwachsenenalter beschreiben, enden nicht gut, entweder in Unzufriedenheit oder einer Tragödie. In «You never can tell » klappt alles, was auch hätte schief gehen können:

« It was a teenage wedding, and the old folks wished them well
You could see that Pierre did truly love the mademoiselle… »

 («Es war eine Teenager-Hochzeit und die Alten wünschten alles Gute / man konnte sehen, dass Pierre Mademoiselle tatsächlich liebte..»)

Das junge Paar richtet sich ein, mit allem was das Herz begehrt:

«They furnished off an apartment with a two room Roebuck sale
The coolerator was crammed with TV dinners and ginger ale
»

 («Sie richteten eine Wohnung mit einem zweiräumigen Roebuck Angebot ein / Der Kühlschrank war voll mit Fertiggerichten und Ginger Ale»)

Und natürlich mit Musik:

«They had a hi-fi phono, boy, did they let it blast
Seven hundred little records, all rock, rhythm and jazz…
»

Indem Chuck Berry seine Kurzgeschichte mit konkreten Namen von Marken und Konsumgütern erdet, öffnet er ein Fenster zur wirklichen Welt. Er gibt Einblick in die amerikanische Alltagskultur und zeigt den langsamen Aufstieg eines vorerst mittellosen Teenagerpaares.

«But when Pierre found work, the little money comin› worked out well»

Aber als Pierre Arbeit fand, war das bisschen Geld ausreichend»)

Und am Ende jeder Strophe: «C’est la vie, say the old folks, it goes to show you never can tell » («So ist das Leben, sagen die alten Leute/ es zeigt, dass man nie weiss»).

Berry tönt hier balladesker und sanftmütiger als gewohnt. Wenig Gitarre, dafür mehr Piano und Saxofon.

1994 liess Regisseur Quentin Tarantino in seinem Film «Pulp Fiction» Uma Thurman und John Travolta zu «Never can tell» twisten und verneigte sich damit vor dem Rock’n’Roller Berry (und dem Tänzer Travolta). So erlangte der Song auch für spätere Generationen Bedeutung.

© Claudia Herzog

Urs Musfeld alias Musi

Urs Musfeld alias MUSI, Jahrgang 1952, war während 39 Jahren Musikredaktor bei Schweizer Radio SRF (DRS 2, DRS 3, DRS Virus und SRF 3) und dabei hauptsächlich für die Sendung «Sounds!» verantwortlich. Seine Neugier für Musik ausserhalb des Mainstreams ist auch nach Beendigung der Radio-Laufbahn nicht nur Beruf, sondern Berufung.  Auf seiner Website «MUSI-C» gibt’s wöchentlich Musik entdecken ohne Scheuklappen zu entdecken: https://www.musi-c.ch/

 

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Beitrag vom 28.11.2019
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