Die schmucke Altstadt von Stein am Rhein ist ein beliebtes Ausflugsziel. Viele der hübschen Häuser stehen jedoch leer oder sind unternutzt. Der Stadtrat will neues Leben in die alten Gassen zurücktragen.
Noch sind die Gassen in Stein am Rhein menschenleer. Kein Gedränge, keine Hektik. Nichts lenkt ab von der Schönheit des Ortes: von den Fachwerkgebäuden, vom Charme der verwinkelten Strässchen, den Fresken an den Häuserfronten, der Promenade unten am Fluss.
Bald aber kehrt der Rummel zurück. Kurz vor Ostern werfen die Schiffe auf dem Rhein und dem unteren Bodensee ihre Motoren an – damit startet auch die Tourismussaison wieder neu. Bis in den Herbst werden 800 000 Besucherinnen Besucher durch das mittelalterliche Städtchen hetzen. 270 000 Menschen sausen auf dem Rad, 150 000 im Car, 100 000 mit der Bahn, der verbleibende Rest im Auto heran. Obwohl nur 3500 Menschen in diesem Schatzkästchen leben, stehen gut 1000 öffentliche Parkplätze für die Reisenden parat.
Jedes fünfte Haus ist unternutzt
Der grösste Teil der Altstadt liegt auf der rechten Seite des Rheins, er umfasst 200 Häuser. Eines schöner als das andere. Kaum eine andere Schweizer Kleinstadt erinnert mit solcher Wucht an das Mittelalter. Wer sie ergründen will, braucht länger, als die meisten Besucher investieren. Im Westteil, beim Undertor, erfährt man beispielsweise, wie am 22. Februar 1945 sechs Häuser von Bomben der amerikanischen Fliegertruppe zerstört und 28 stark beschädigt wurden, neun Menschen fanden den Tod.
Die Lücken sind längst wieder geschlossen, nichts erinnert mehr an das Desaster. Stein am Rhein wurde 1972 denn auch als erster Schweizer Ort überhaupt mit dem Wakker-Preis ausgezeichnet. Diesen vergibt der Schweizer Heimatschutz (SHS) an politische Gemeinden, die sich beispielhaft für den Ortsbildschutz einsetzen. Das Rheinstädtchen gilt seither als Musterbeispiel dieses Fachs. Ein Adels- und Rückschlag gleichermassen. Denn dieser Titel verpflichtet die Stadtväter der Historie – für die Zukunft bleibt in den alten Gemäuern wenig Platz.
Das zumindest sagt Stadtpräsident Sönke Bandixen. Seit gut vierzig Jahren dürfen die Besitzer ihre historischen Häuser kaum mehr verändern, keinen Dachkennel abschrauben. Die Haustechnik der meisten Häuser ist entsprechend veraltet, die vertikale Erschliessung durch Lifte stark erschwert, die Räume sind dunkel, klein und verwinkelt. Denn die Denkmalpflege erschwert es, die Innenräume zu verändern. Davon merken Besucherinnen und Besucher wenig – die makellosen Fassaden lenken davon ab.Die Auflagen aber haben Konsequenzen: Die Zahl der Menschen, die noch im historischen Teil des Städtchens lebt, nimmt stetig ab – im Gegensatz zum Stadtteil auf der anderen Rheinseite.
Nur 500 Menschen wohnen hier
Im Mittelalter wuselten 1500 Menschen über das Steinpflaster, heute sind es noch knapp 500. Jedes fünfte Haus steht leer oder ist unternutzt. Die Immobilienpreise der Preziosen sinken. Ein Affront, den der parteilose Stadtpräsident nicht länger hinnehmen will. Er stemmt sich gegen die starren Auflagen der Historienwächter, will den Besitzern der Häuser neue Anreize bieten, diese zu sanieren und den Ansprüchen der Gegenwart anzupassen. Stein am Rhein soll nicht zum Museum, sondern wieder mit neuem Leben gefüllt werden. Dafür hat der Politiker im Vorjahr eigens eine Stelle geschaffen: Altstadtbauberatung. Ein Architekt vermittelt zwischen Denkmalpflege und den Besitzern, zeichnet Letzteren Sanierungsmöglichkeiten auf – darüber hinaus berät er interessierte Investoren oder umbauwillige Architekten. Um das Rad der Zeit neu in Schwung zu bringen, soll auch die Bau- und Nutzungsordnung angepasst werden. Die alte verhindert die meisten Anpassungen an die Moderne. Das soll sich ändern.
Über diese und andere Pläne denkt der Stadtrat um Sönke Bandixen im Rathaus nach: mitten in der Altstadt, oben in der kleinen Rokoko-Ratsstube mit der vergoldeten Täfelung. Dieser Raum stammt aus dem 18. Jahrhundert. Darin zeigt sich, dass auch in altehrwürdigem Ambiente Diskussionen um die Zukunft möglich sind.
Die Altstadt von Stadt am Rhein ist nahezu verkehrsfrei – und zu Fuss problemlos zu erkunden. Im Tourismusbüro liegen zahlreiche Broschüren über die vielen Attraktionen der Stadt auf. Zudem sind an den Häusern selber Informationstafeln über deren Geschichte angebracht, die Interessierten Hintergründiges liefern. Im Ort werden auch zahlreiche öffentliche Führungen abgehalten, die die Historie von Stein am Rhein zu neuem Leben erwecken. Informationen dazu finden sich ebenfalls im Tourismusbüro. Kontakt: Tourismus Stein am Rhein, Oberstadt 3, 8260 Stein am Rhein, Telefon 052 632 40 32, tourismus.steinamrhein.ch
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