74 und kein bisschen weise
In «Rambo: Last Blood» gibt Sylvester Stallone einmal mehr den kompromisslosen Kämpfer und löscht im Alleingang einen mexikanischen Menschenhändlerring aus.
Von Marc Bodmer
John Rambo. Ein Name wie eine Verheissung. Dieses Mal rettet der in die Jahre gekommene Kriegsveteran seine Nichte aus den Fängen eines mexikanischen Menschenhändlerrings, was aber nicht ohne Opfer auf seiner Seite bleibt.
Rambo zählt wie Rocky zu den Ikonen der amerikanischen Filmgeschichte. Beide haben als Underdogs angefangen und sich in die Herzen des Publikums gekämpft. Wohl nicht zuletzt deshalb heissen viele Schosshunde Rambo und Rocky. Man muss sie einfach lieben …
Während Rocky Balboa sich durchboxte und dabei immer wieder vermöbelt wurde, war die Figur von John Rambo komplexer. In Ted Kotcheffs «Rambo: First Blood» aus dem Jahr 1982, nach der Romanvorlage von David Morrell, wird der mit höchsten Ehren ausgezeichnete Elite-Soldat, der aus dem Vietnamkrieg zurückgekehrt ist, von einem sadistischen Sheriff schikaniert und aus dem Dorf gejagt, in dem er lediglich einen Freund besuchen wollte. In die Enge getrieben, schlägt Rambo zurück und verwandelt den Wald in der Nähe des Kaffs in seine Kampfzone.
Kritik weicht Propaganda
Während der erste Rambo-Spielfilm eine Kritik am Umgang der USA mit ihren Kriegsveteranen war, zelebrierten die folgenden vier Kapitel nur noch die Ein-Mann-Armee, die in ein Krisengebiet geworfen werden kann, um dort aufzuräumen. Es war denn auch US-Präsident Ronald Reagan, der sich 1985 mit Blick auf eine mögliche nächste Geiselsituation, auf «Rambo II» berief, in dem der Elite-Soldat eigenhändig vermisste Kriegsgefangene in Südostasien aus einem Lager heraushaut. «Junge, jetzt wo ich ‘Rambo’ gesehen habe, weiss ich, was ich das nächste Mal machen muss, wenn wieder so etwas geschieht», meinte Reagan damals, als er noch nicht auf Sendung, aber das Mikrophon bereits eingestellt war. An «Rambo: Last Blood» hätte nun der amtierende Präsident Donald Trump seine helle Freude, entspricht doch das Feindbild ganz dem seinigen. Die südlichen Nachbarn sind eine Horde von Drogenhändlern, Mördern und Vergewaltigern.
John Rambo lebt zurückgezogen auf einer Ranch in Arizona, wo er Pferde dressiert, wenn er nicht gerade mit der mexikanischen Haushälterin Maria Spanisch radebrecht. Der Hoffnungsfunke in seinem drögen Leben ist seine hübsche Nichte Gabrielle. Nachdem ihre Mutter und Johns Schwester an Krebs gestorben und ihr nichtsnutziger mexikanischer Vater abgehauen ist, kümmert sich der Ex-Soldat liebevoll um den Teenager. Bloss: Sie will ihren Vater kennenlernen und macht sich wider den Rat ihres lieben Onkels und ihrer Grossmutter Maria auf nach Mexiko. Dort erfährt sie nicht nur, dass ihr Vater ein herzloses «Schwein» ist, sondern erlebt auch, wie ihre «Freundin» sie an einen Menschenhändlerring ausliefert.
Fast tot, ist nicht ganz tot
Solcherlei ruft natürlich John Rambo auf den Plan. Doch mit 74 Lenzen ist der Kampf gegen eine skrupellose Bande, die nette amerikanische Mädchen mit Drogen vollpumpt und in Bordelle – zu Tausenden auch in den USA – steckt, nicht ganz einfach. So gibt es zuerst einmal gehörig eins auf den Deckel und es wäre eigentlich wäre die logische Konsequenz, dem schwer verletzten alten Mann den Gnadenstoss zu verpassen, wie der giftige Bandenchef Victor (Oscar Jaenada) vorschlägt. Doch sein älterer Bruder Hugo (Sergio Peris-Mencheta) widerspricht dem Hitzkopf – wohl dem Drehbuch zu liebe – und lässt Rambo in seinem Blut zurück. Dies ruft die barmherzige Samariterin und freie Journalistin Carmen (Paz Vega) auf den Plan. Sie hievt den fast leblosen Muskelberg in ihre Wohnung und päppelt ihn wieder auf.
Kaum wieder fit schlägt Rambo zurück, erschlägt den Hitzkopf sowie ein paar grausliche Freier mit einem Hammer, rettet seine Nichte und flüchtet über die grüne Grenze wieder in die Heimat. Doch der Rettungsversuch bleibt nicht ohne Folgen, denn die Mexikaner lassen solcherlei Gebaren natürlich nicht auf sich sitzen. Ein ganzer Stosstrupp unter der Führung von Oberbösewicht Hugo macht sich auf nach Arizona, wo sie gebührend von Kugeln, Bomben und tödlichen Fallen à la John Rambo empfangen werden.
Fehlende Selbstironie
Man kann sich fragen, was Sylvester Stallone einmal mehr dazu bewogen hat, mit fast 75 Jahren den Supermenschen zu mimen, der im Alleingang ganze Heerscharen von Bösewichten niedermacht – sei’s mit dem Maschinengewehr, dem Hammer, Pfeilbogen oder natürlich seinem legendären Kampfmesser. Geld mag eine Motivation sein, doch davon sollte der dreifach Oscar-nominierte Stallone noch genügend auf der Seite haben. Sich und den Fans beweisen, dass er es immer noch draufhat?
Wohl möglich, doch dabei zeigt der Unterschied zu seinem muskelbepackten Weggefährten Arnold Schwarzenegger sich am deutlichsten. Der Österreicher hat es stets verstanden, die in manchen Figuren schlummernde Lächerlichkeit mit Selbstironie zu brechen. Es ist aber so, dass man in «Rambo: Last Blood» den Humor ebenso vergeblich sucht, wie ein differenzierteres Weltbild, das nicht der Wahlpropaganda der republikanischen Partei Amerikas entsprungen scheint. Schade, hat Sylvester Stallone nicht die Gelegenheit benutzt, den Kreis mit einer Rückbesinnung auf die ursprünglichen Werte aus «Rambo: First Blood» zu schliessen.
«Rambo: Last Blood», DVD, Ascot-Elite