Die Schweizer Küche ist geprägt von regionalen Spezialitäten. Das neu gegründete Culinarium Alpinum im Kapuzinerkloster Stans will auf diese Tradition verweisen – und aufzeigen, wie reich das kulinarische Erbe der Alpen ist.
Text: Roland Grüter
Vor 16 Jahren fiel die Türe endgültig ins Schloss: Der Kapuzinerorden musste das Kloster in Stans NW aufgeben. Das Haus war für den kleinen Konvent zu gross geworden, nur noch 12 Ordensbrüder lebten darin, der Nachwuchs fehlte. Ideen waren gefragt, um das Gebäude aus dem 16. Jahrhundert mit neuem Leben zu füllen. Anfang September wurde darin das Culinarium Alpinum eröffnet, ein Kompetenzzentrum für Regionalkulinarik. Es will vor allem jene des Alpenraums pflegen und bekannter machen. Diese ist wichtiger Teil der Schweizer (Ess-)Kultur.
Insgesamt 14 Millionen Franken wurden in den Umbau des Klosters investiert. Dort, wo einst Mönche um die Gnade Gottes beteten, schlafen jetzt Gäste: Der Betrieb umfasst einen Hotelbetrieb mit 14 Zimmern. In den alten Kellerräumen reift Alpsbrinz der nahen Käserei. Im neu angelegten Garten werden rund 500 verschiedene Beerensorten gepflanzt, Besucherinnen und Besucher dürfen sich bereits im nächsten Jahr durch die Vielfalt schlemmen. Und im hauseigenen Restaurant werden regionale Produkte der Innerschweiz aufgetischt – oder im Klosterladen und an Themenmärkten verkauft.
Küche der Alpentäler
Dominik Flammer, Inhaber der Zürcher Agentur Public History Food, ist Initiant des Zentrums. Er macht sich seit Jahren für Produkte der Alpentäler stark und hat dazu schon mehrere Bücher geschrieben. Vor allem sein Werk über die Schweizer Käsekultur geriet zum Bestseller. Über 50 000 Stück wurden davon verkauft. Der Zürcher ist ständig auf der Suche nach traditionellen oder neuen Produkten, nach bewährten oder zukunftsweisenden Herstellungsmethoden. Er berät Berufsköche, Ein- und Verkäufer grosser Handelsketten und gibt sein Knowhow an Vorträgen und Kursen weiter. Im neu begründeten kulinarischen Zentrum will er vor allem Bauern mit Köchen zusammenbringen: in der Hoffnung, dass sich diese gegenseitig beflügeln.
Der Startpunkt des Culinariums ist gut gewählt: Das Interesse an regionalen 2020 und traditionellen Produkten wächst stetig. Alte Gemüse- und Obstsorten werden wiederentdeckt: nicht nur von Sterneköchen, sondern auch in der Alltagsküche. In Österreich erfolgte dieses Revival weit früher – und bescherte der Gastronomie und Lebensmittelproduzenten viel Lob und neue Einnahmequellen.
Opfer der globalisierten Küche
In der Schweiz gerieten regionale Produkte in Vergessenheit. Ein Opfer des Fortschritts. Denn die Schweizer Küche war eine der ersten, die globalisiert wurde. Ende des 19. Jahrhunderts prägten französische Köche landesweit die Speisekarten. Auch die Köche späterer Generationen wurden mit festem Blick auf internationale Spezialitäten ausgebildet. Das kulinarische Erbe unserer Grossmütter schien ihnen zu verstaubt. Dabei ist dieses reich und vielseitig. Die Pizzoccheri des Puschlavs, die Luganiga des Tessins – jede Region kennt andere Spezialitäten. Dafür machen sich Dominik Flammer und dessen Mitstreiterinnen und Mitstreiter in Stans stark.
Was aber macht die alpine Küche aus? Bedingt durch das Klima, die Geologie und die Geschichte, umfasst sie meist fleisch-, milch und- obstlastige Gerichte. Auch die grosse Getreide- und Gemüsevielfalt gehören dazu. Dass ausgerechnet in einem Kloster daran erinnert werden soll, ist folgerichtig. Denn Klöster waren schon immer Wegbereiter für kulinarische Moden. In deren Gärten wuchsen Kartoffeln, Tomaten und andere Gemüse weit früher als auf privaten Pflanzplätzen. Darauf verweist ein anderes Buch, das Dominik Flammer unlängst geschrieben hat: «Die historischen Gemüsegärten der Schweiz». Darin beschreibt er 14 Gemüsegärten des Museums Ballenberg, die er nach den Moden uralter Zeiten bepflanzt hat (siehe Kasten). Darunter finden sich etliche Gemüse, die über die Jahrzehnte vergessen gingen – und die wir nun in Stans neu kennenlernen können.
In historischen Gärten war für Romantik wenig Platz. Die Menschen bauten an, was sie satt machte – Gemüse, Kräuter und Getreide, ein paar Beerensträucher. Fertig. Das zeigen die historischen Bauerngärten, die im Freilichtmuseum Ballenberg zu bestaunen sind. Jedes der grünen Reviere verweist auf eine andere Region und einen anderen Zeitabschnitt – und erinnert damit an die Kultur- und Sozialgeschichte der ländlichen Schweiz. Im AT Verlag ist ein Führer zu den Biotopen erschienen: Im Buch «Die historischen Gemüsegärten der Schweiz» (Dominik Flammer, Sylvan Müller) ist beispielsweise nachzulesen, wie die Hugenotten die Schweizer Gemüsekultur erneuerten – und unter anderem die Artischocke mitbrachten.
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