Neue Blüte
Lange galten Trockenblumen als verstaubt – nun werden sie wiederentdeckt. Ein neues Buch zeigt, wie sich gedörrte Blumen und Gräser kunstvoll vereinen lassen.
Von Roland Grüter
Erinnern Sie sich an die herzigen Strohblumen? Sie blühten einst in jedem Bauerngarten und machten ihren Besitzerinnen und Besitzern weit über den Sommer hinaus Freude. Denn die Blüten lassen sich prima trocknen, ohne dass deren Form oder Farben daran Schaden nehmen. Das wussten Bastelfans lange Jahre zu schätzen. Sie umrandeten mit dem getrockneten Flor Strohhüte, vereinten diesen zu dekorativen Kränzen oder drapierten ihn zu Gestecken. Dann aber setzte das Hobby ähnlich Staub an wie die Strohblumen in den Vasen. Die Faszination an Trockenblumen geriet in Vergessenheit. Sie wurden zum Relikt aus uralten Zeiten.
Nun werden Trockenblumen plötzlich wieder gelobt und gepriesen. Bloggerinnen – so heissen die Gerda Conzettis der Gegenwart – zeigen im Internet, wie sich aus gedörrten Hortensien und Ästen wuchtige Gebinde zusammenstellen lassen. Bräute schreiten mit Trockensträusschen zum Altar, und Hollywood-Stars lassen sich inmitten mumifizierter Blumenmeere abbilden. In Grossstädten wie New York und Berlin werden allseits spezialisierte Blumenläden eröffnet. Selbst traditionelle Floristen legen mittlerweile jene Blumen trocken, die sie frisch nicht verkaufen können. Trockenblumen gelten heute als Symbolträger der Nachhaltigkeit. Modernisten nennen sie neudeutsch «Modern Day Dryflowers».
Es macht nicht nur aus ökologischer Sicht Sinn, Schnittblumen ein zweites Leben einzuhauchen. Denn Trockenblumen sind, richtig arrangiert, durchaus hübsch anzusehen. Darauf verweist unter anderem der Erfolg der Floristin Bex Partridge. Die Britin ist eine der erfolgreichsten Verfechterinnen der modernen Tockenblumen-Kunst. Auf Instagram folgen ihr 44 000 Anhängerinnen und Anhänger – rund 400 000 Menschen klicken sich monatlich durch deren Blumenwelt. Vor kurzem hat Bex Partridge ihr Wissen im Buch «Trockenblumen» zusammengefasst. Darin zeigt sie auf, wie sich Blumen und Gräser richtig trocknen lassen – und was sich daraus gestalten lässt. Über 20 Objekte beschreibt sie: Tischdekorationen genauso wie Kränze und Mobiles. Schritt-für-Schritt-Anleitungen helfen Leserinnen und Lesern, die Werke selber umsetzen.
Auch Floristen lieben Trockenblumen
«Wir finden es eine sinnlose Verschwendung von Geld und Natur, wenn schöne und teure Blumensträusse jeweils nur eine Woche lang halten», schreiben auch die Gründer des Schweizer Jungunternehmens Arui auf ihrer Homepage. Arui will ebenfalls die Tradition der Trockenblumen erneuern. Das Start-up verkauft übers Internet zeitgenössische Bouquets aus Schweizer Bio-Trockenblumen. Äusserst erfolgreich: Das Lager ist derzeit leer – neue Sträusse können die Jungunternehmer erst wieder im nächsten Frühjahr fertigen. Geduld bringt hier buchstäblich Rosen.
Falls auch Sie auf den Trend aufspringen wollen: Der Einstieg ist einfacher als es scheint. Lassen Sie einfach den nächsten Blumenstrauss, den Sie geschenkt kriegen, ohne Wasser in der Vase stehen. So kam auch die britische Floristin Bex Partridge zu ihrer neuen Leidenschaft. «Das Trocknen von Blumen und Blättern ähnelt dem Konservieren von Lebensmitteln», schreibt sie in ihrem neuen Buch. Wir nutzen die Gaben des Sommers, um gut über den Winter zu kommen. «An einem grauen Wintertag können Trockenblumen unsere Herzen erfreuen», ist die Britin überzeugt. Sie erinnern uns an den vergangenen Sommer und deren Freuden. So wie einst die Strohblumen.
Buchtipp:
«Trockenblumen», Bex Partridge, Haupt Verlag, 160 Seiten, 32 Franken.
Im Frühling können hier moderne Trockensträsse gekauft werden: www.arui.ch
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