Sie beschafft Informationen, spürt vermisste Personen auf, observiert untreue Ehepartner oder leistet Begleitdienste. Nach ihrer Pensionierung gründete Louisa Erismann eine Privatdetektei. Sie erfüllte sich damit einen Kindertraum.
Text: Usch Vollenwyder
Man sieht ihr nicht an, dass sie die ganze Nacht in der Kälte stand und mit Nachtsichtgerät und Fotoapparat, mit genug Wasser und Bananen ein Einfamilienhaus observiert hat. Für eine Klientin sollte die Privatdetektivin Louisa Erismann herausfinden, ob ihr NochEhemann ein neues Leben mit einem neuen Haus, einer neuen Frau und einer neuen Arbeit begonnen hatte. Auch diesmal bestätigte sich der Verdacht: «Frauen spüren in der Regel, wenn sie von ihren Männern betrogen werden.»
In ihrer Zürcher Detektei holt sie Kaffee und erzählt mit Begeisterung von ihrer Arbeit: «Mein Beruf ist meine Berufung.» Dank ihrer zusätzlichen Coaching-Ausbildung begleitet und berät sie ihre Klientinnen – etwa zwei Drittel ihrer Aufträge bekommt sie von Frauen – oft während Monaten, auch wenn die Detektivarbeit längst abgeschlossen ist. Nach ihrer schwierigen Scheidung weiss sie aus eigener Erfahrung: «Man muss mit der Vergangenheit gut abschliessen, um in seinem Leben ein neues Kapitel aufschlagen zu können.»
Als zweitältestes von acht Kindern wuchs Louisa Erismann auf einem Bauernhof im Zugerland auf. Für ihren Schulweg legte sie täglich dreizehn Kilometer zurück. Sie kannte jeden Fuchsbau am Weg. Früh schon war sie gefordert, half die jüngeren Geschwister erziehen, ebnete ihnen den Weg und wurde zur Krisenmanagerin der Familie. «Nichts wurde mir geschenkt, ich musste meinen Weg selber finden.» Dadurch sei sie stark und selbstbewusst geworden.
Heute würde Louisa Erismann bei der Polizei eine Karriere als Kriminalistin beginnen. Schon als Kind habe sie allem auf den Grund gehen wollen – beharrlich sei sie möglichen Spuren gefolgt. Stattdessen verdiente sie sich mit verschiedenen Jobs ihr erstes Geld und ging als junge Frau nach London, um Englisch zu lernen. Sie arbeitete im Service, absolvierte die Bäuerinnenschule, wurde Fotografin, interessierte sich für Astrologie und Esoterik und war zuletzt zwanzig Jahre lang bei einem internationalen Augenoptikkonzern im Aussendienst tätig: «Ich hatte ein verrücktes Leben!»
Nach ihrer Pensionierung liess sie sich zur diplomierten Privatdetektivin ausbilden und gründete eine eigene Detektei. Sie übernimmt Aufträge von Privatpersonen, Versicherungen und Firmen, von Anwaltskanzleien und Gemeinden. Sie bietet Begleitdienste und Personenschutz für Prominente, Kinder und ältere Personen an. Der häufigste Grund, warum sie aufgesucht werde, seien jedoch Beziehungsprobleme: Frauen brauchen Gewissheit, dass ihr Partner tatsächlich fremdgeht. Männer wollen wissen, mit wem sich ihre Frau jeden Samstag trifft. Mütter suchen die Adresse des verschwundenen Vaters ihrer Kinder, Eltern den Aufenthaltsort von erwachsenen Kindern.
«Jeder Mensch hat das Recht auf Aufklärung», sagt Louisa Erismann: «Nichtwissen zermürbt.» Sie beschafft Informationen und observiert – nächtelang, an den Wochenenden, bei Regen und Sturm, auch schon in einem Maisfeld. Sie wechselt ihre Kleider, trägt Perücken und fährt ein unauffälliges Auto, damit die Zielperson – wie sie in der Fachsprache genannt wird – keinen Verdacht schöpft. Zu illegalen Aktionen lässt sich Louisa Erismann nicht hinreissen: Einbrüche oder Filmen im Schlafzimmer sind für sie ein Tabu. Angst kennt sie nicht.
Zwei bis drei Fälle bearbeitet Louisa Erismann gleichzeitig. Die erste Beratung ist gratis, für ihre Aufträge wird ein Kostendach berechnet. Fairness ist ihr ein grosses Anliegen, die ratsuchenden Menschen seien ihr wichtig. Sie ist überzeugt, dass ihr Leben gelenkt und sie unterstützt wird – vielleicht von oben, vom Universum; von ihrem verstorbenen Zwillingsbruder. Manchmal denke sie, dass dieser seine schützende Hand über sie halte. Oft weiss sie um Zusammenhänge, bevor sich diese überhaupt zeigen. Auf ihre Intuition kann sie sich verlassen. Sie ist froh über diese Fähigkeit, die sie manchmal weit über die sichtbare Realität hinausführt.
Zwei Dinge gibt Louisa Erismann nicht preis: Zu ihrem eigenen Schutz hält sie ihren Wohnort geheim. Zum anderen ihr Alter: Sie weiss, dass einer Frau ab einem gewissen Alter gerade in ihrem Beruf die nötigen Kompetenzen abgesprochen werden. «Dabei hatte ich nie mehr Wissen und Routine als jetzt. Diese grosse Erfahrung will ich für eine sinnvolle Tätigkeit nutzen.» Unterkriegen lässt sie sich nicht. Ihr Leben lang begleitete sie die Überzeugung: «Es ist alles möglich, wenn man es wirklich will.»
Privatdetektei, Seefeldstrasse 152, 8008 Zürich, Tel. 044 250 47 29, 079 883 34 28, Mail info@die-detektivin.ch, www.die-detektivin.ch