Am 7. März befinden die Stimmbürger über das Bundesgesetz für eine elektronische Identifizierung (E-ID). Pro Senectute Schweiz sieht das Alter nicht als stichhaltiges Pro- oder Kontra-Argument. Klar ist: Seniorinnen und Senioren werden damit nicht diskriminiert.
Meine Tante, weit über 80 Jahre alt, rief mich letzte Woche irritiert an, nachdem Sie mich im Radio gehört hatte. Der Grund? In meiner Funktion als Leiter Kommunikation von Pro Senectute Schweiz erklärte ich, dass ich den Missmut gegenüber der fortschreitenden Digitalisierung nicht als Grund für eine Ablehnung einer E-ID gelten lasse. Meine Tante machte mich höflich darauf aufmerksam, dass doch mein eigener Vater, selber 88 Jahre alt, nicht einmal ein Smartphone besitze und «nichts mit diesem digitalen Zeug» am Hut habe.
Meine Tante ist nicht die einzige Person, die diesen Einwand anbringt. Immer wieder teilen Leute Pro Senectute Schweiz mit, dass Seniorinnen und Senioren bei dieser oder jener Frage ganz anders denken würden. Insbesondere bei Themen, in welchen die allgegenwärtige Digitalisierung mitschwingt. Hier glauben insbesondere jüngere Semester zu wissen, dass alle technischen und digitalen Neuerungen schlicht ein Horror für alle Personen im Pensionsalter sein müssten.
Natürlich ist die Schliessung von Post- oder Bankfilialen für die von einer Umstrukturierung betroffenen Arbeitnehmenden eine Herausforderung. Und für ältere Menschen, die den sozialen Aspekt des Gangs an den Schalter schätzen, ein Verlust. Aber ein Grossteil der Seniorinnen und Senioren trägt selber zu diesen Veränderungen bei: Sie nutzen immer öfter und vielseitiger digitale Services und Alltagshelfer.
Die Mehrheit der älteren Personen versteht es, mit digitalen Medien umzugehen.
Gemäss unserer Studie «Digitale Senioren 2020» kann die Mehrheit der Seniorinnen und Senioren heute mit digitalen Kommunikationstechnologien bestens umgehen. Die ältere Bevölkerung sieht sich somit mit denselben Vor- und Nachteilen einer E-ID konfrontiert wie jüngere Personen. Natürlich ist es bei allen Neuerungen wichtig, an jene Menschen zu denken, die den Anschluss verlieren könnten. So gibt es in der Schweiz noch immer rund 400 000 Menschen im Pensionsalter, die nicht online sind. Diese sind oftmals über 80 Jahre alt und machen rund ein Viertel der 1,6 Millionen pensionierten Menschen aus. Deshalb ist es eine der zentralen Aufgaben, diesen Menschen eine Alternative zu bieten.
Anders gesagt: Es gibt nach wie vor einen digitalen Graben, aber er wird kleiner. Unsere Gesellschaft ist im Wandel und wird zunehmend digitaler, soziale Treffpunkte verschwinden mehr und mehr. Man mag diese Veränderung bedauern, aufhalten lässt sie sich aber nicht. Umso mehr gilt es, in diesem Bereich aktiv zu werden, nicht gegen die Digitalisierung anzukämpfen, sondern neue soziale Aktivitäten und Fähigkeiten zu fördern. Freiwillig aktiv zu werden, heisst auch, sich für eine lebendige Gesellschaft zu engagieren.
Bei der aktuellen Diskussion um die E-ID geht es also nicht darum, ob sich ältere Menschen in einer immer digitaleren Welt überhaupt zurechtfinden, sondern es steht vielmehr die Frage im Zentrum, ob der Staat oder private Anbieter die neuen digitalen Identitäten anbieten sollen. Die Antwort darauf interessiert und betrifft uns alle – meinen Vater vielleicht nicht mehr so stark wie mich –, denn es geht im Grundsatz darum, dass wir alle lernen, mit unseren digitalen Daten bewusst umzugehen und kritisch zu hinterfragen, wem wir was preisgeben oder anvertrauen. Das gilt auch für die Abstimmung über die E-ID*. In dem Sinne: Auf eine spannende Gestaltung unserer Gesellschaft in einer immer digitaleren Welt. ❋
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