Viele Menschen sorgen sich erst seit kurzem um die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren. Staudengärtnerin Patricia Willi (63) setzt sich seit 33 Jahren für die heimische Flora und Fauna ein – und wurde dafür anfangs belächelt.
Text: Roland Grüter
Eigentlich sollten jetzt Kerbel, Margeriten und Bocksbart blühen. Doch die Matten überziehen das Luzerner Seetal wie ein sattgrüner Teppich. Sie sind derart über-düngt, dass in deren Halmenmeer längst keine Blumen mehr wachsen. Auch die Gewässer des Tales leiden unter der Last der Landwirtschaft. Der Waldibach beispielsweise plätschert trüb durch sein schmales Bett. Er fliesst direkt an der Wildstaudengärtnerei von Patricia Willi (63) in Eschenbach LU vorbei und erinnert diese mit lautem Glucksen daran, dass ihre Arbeit für die Natur nach wie vor wichtig ist. Seit 33 Jahren zieht die Luzernerin an dessen Ufer Abertausende heimische Pflanzen gross. «In der Natur habe ich meinen Beruf und meine Berufung gefunden», sagt sie, «deren Reichtum fasziniert mich nach all den Jahren noch immer – deshalb ist es mir wichtig, dass dieser Schatz erhalten bleibt.»
Pionierin der Wildstauden
Patricia Willi sitzt auf dem Balkon ihrer Wohnung und streicht mit der rechten Hand durch das Fell ihres Hundes Grappa. Sie lässt den Blick über ihre vielen Pflanzen schweifen. Rund 600 heimische Arten knospen in den Beeten und im Schaugarten vor der ehemaligen Scheune, in der die 63-Jährige lebt und arbeitet. Sie konnte das umliegende Land pachten und die Scheune im Baurecht erwerben. Hier hat sie ihre Wildstaudengärtnerei errichtet und den Betrieb allmählich ausgebaut. Die Samen für die Mutterpflanzen hat Patricia Willi aus der umliegenden Natur selber zusammengetragen – stets darauf bedacht, den Kreislauf der Biotope nicht zu belasten. «Die regionale Herkunft der Pflanzen ist wichtig», sagt sie, «die Pflanzen sind dadurch mit den Böden und klimatischen Verhältnissen vertraut – das hält deren Nachkommen in den Gärten gesund.» Was ein anderes Anliegen der Staudengärtnerin begünstigt. «Ich folge streng den Regeln des biologischen Anbaus», sagt sie. «Heimische Pflanzen mit Chemie zu behandeln, wäre widersinnig – das war mir von Anfang an klar.»
«Die Pflanzenwelt der Schweiz ist dermassen spannend und vielfältig, dass mir nie Zeit für anderes blieb.»
Patricia Willi
Die Natur. Seit Kindsbeinen an ist ihr Patricia Willi verfallen. Schon als kleines Mädchen verbrachte sie möglichst jede freie Minute an der frischen Luft, half der Mutter beim Jäten oder den Bauern beim Heuen. Zwar dachte sie nach der Matura kurz darüber nach, Turnlehrerin zu werden, entschied sich dagegen und liess sich zur Staudengärtnerin ausbilden. Nach der Lehre bewarb sie sich für eine Stelle in der Ostschweiz bei Andreas Winkler, dem Naturgartenpionier der Schweiz. Dort entdeckte sie ihre Leidenschaft für die heimische Flora endgültig. «Die Pflanzenwelt der Schweiz ist dermassen spannend und vielfältig, dass mir nie Zeit für anderes blieb», sagt sie.
Nach drei Jahren zog es Patricia Willi zurück in die Zentralschweiz und begründete 1988 ihren eigenen Betrieb, die Wildstaudengärtnerei. Der Naturgarten und die heimische Flora erlebten damals zwar einen ersten Aufschwung. Vielen war der Wildwuchs aber weiterhin verdächtig. «Ich wurde anfangs als Unkraut-Gärtnerin belächelt, galt als Exotin», sagt sie und staunt noch immer darüber: «Das muss sich einer vorstellen: Ich verkaufte heimische Pflanzen und galt als fremd. Was für eine verkehrte Welt!»
Mittlerweile sind die Vorbehalte in Bewunderung umgeschlagen. Die Sorge um Artenvielfalt und Insektensterben haben den Naturgarten mit seinen heimischen Pflanzen gross in Mode gebracht. Davon profitiert auch Patricia Willi mit ihren Wildstauden. Sie wurde schon mit wichtigen Umweltpreisen ausgezeichnet, und das Sortiment der Gärtnerei ist stetig gewachsen. «Wir sind längst an unsere Produktionsgrenze gestossen», sagt die Unternehmerin. Entsprechend freut sie sich darüber, dass Berufskolleginnen und -kollegen nachziehen und ihr Angebot ebenfalls mit Glockenblumen, Wiesensalbei und Natternkopf erweitern.
Sie selber wird schon diesen Sommer kürzertreten, die Zukunft der Wildstaudengärtnerei mit den rund 13 Angestellten ist in die Wege geleitet: Drei langjährige Wegbegleiterinnen und -begleiter werden die Gärtnerei übernehmen und weitergestalten. Patricia Willi wird dereinst mit Partnerin Barbara ins nahe Gesellenhaus, ins Stöckli, ziehen – und wieder länger und öfters durch Berge und Täler streifen, um deren Ökosysteme zu erkunden. «Damit ich dafür die Hände frei habe, muss ich zuvor erst anderes loslassen», sagt sie und lacht. «Auch wenn ich meine, damit wenig Mühe zu haben – ein Abenteuer bleibt dieser Schritt alleweil.» Der Waldibach gurgelt einen Augenblick lauter – als wolle er seiner Anwohnerin viel Glück für die Zukunft wünschen.
Spannendes zu Flora und Fauna lesen Sie auch in der Gartenpost von Zeitlupe-Redaktor Roland Grüter.
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