Das Bärli aus der Kindheit
Wir fragten unsere Leserinnen und Leser, welches Erinnerungsstück sie über die Jahre aufbewahrt haben – und was sie damit verbindet. In einer losen Reihe zeigen wir nun einige dieser sorgsam gehüteten Schätze und erzählen die Geschichte, die dahinter steckt. Heute: Das Bärli von Doris Landolt.
Von Jessica Prinz
Auf den Zürcher Flohmärkten ist Doris Landolt weitherum bekannt. «Fragen Sie nur nach der Doris mit den roten Haaren, wenn Sie da sind», sagt sie bereits zu Beginn unseres Gesprächs. Die 71-jährige Zürcherin sammelt für ihr Leben gern und verkauft die erworbenen Schätze an ihrem eigenen Flohmi-Stand.
Was bei der gelernten Coiffeuse und späteren Pflegerin allerdings nie über die Verkaufsfläche gehen würde, ist ihr Bärli. Er ist ihr Ein und Alles. Um genau zu sein: Es handelt sich dabei um das Bärli, das sie von ihren Eltern als Kleinkind geschenkt bekommen hat. Denn seither haben zwischen dreissig bis fünfzig weitere Bären den Weg in ihre Sammlung gefunden. Sie sind unter dem geräumigen Dachstock verteilt, in Vitrinen und auf Sesseln, in Regalen und auf dem Tisch. Von Zeit zu Zeit werden sie umplatziert und natürlich regelmässig fein säuberlich gereinigt. Denn da müsse man stets wachsam sein, betont Doris Landolt. Viele der Bären bestehen nämlich aus Mohair, den Haaren der Angoraziege. Wie Wolle ist auch dieses Material anfällig für Schädlinge und muss deswegen immer gut kontrolliert werden.
Damit hat die lebensfrohe Flohmigängerin allerdings kein Problem. Besonders gerne widmet sie sich dabei ihrem Bärli, dem «Chef der Bären». Auch wenn er Erinnerungen an eine Kindheit weckt, die nicht nur schön war. Wie das in den 1950er-Jahren häufig der Fall war, erkrankte auch ihre Mama an Tuberkulose. Als Doris Landolt knapp einjährig war, schwoll der Hals der Mutter auf der linken Seite heftig an. Blitzartig musste sie zur Kur nach Davos, wo die kalte Luft die Genesung vorantrieb. Als sie wieder heimkam, konnte das Mädchen bereits laufen.
Auch wenn dadurch «ein Glied in der Kette der Liebe gefehlt hat», so ist die Zürcherin überzeugt, dass sie dieses Erlebnis stark und eigenständig, resolut und offen gemacht hat. Gegen die Einsamkeit half damals das Bärli, das fast immer da war. Während ihrer Teenagerzeit ging das Stofftier dann zwar etwas vergessen, bevor die Mutter es aber wie viele andere ihrer Spielsachen verschenken konnte, rettete Doris Landolt es vom Estrich. Seither ist der Bär an ihrer Seite und zügelte mit ihr auch vom geliebten Zürich nach Kloten.
Weitere «Erinnerungsstücke»
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