Was hat Entzündungsaltern mit der Ernährung zu tun? Viel, ist Ernährungsfachfrau Sybille Binder überzeugt. Denn bestimmte Nahrungsmittel können sowohl Entzündungen begünstigen als auch sie lindern.
Chronische Altersbeschwerden und Erkrankungen wie Arthritis, Arteriosklerose, Alzheimer und Diabetes werden von der Wissenschaft zunehmend mit dem Entzündungsaltern, dem sogenannten Inflammaging, in Verbindung gebracht. Man geht davon aus, dass sich das Immunsystem durch ein Wechselspiel von Erb-, Umwelt- und Lebensstilfaktoren verändert. Der chronisch niederschwellige systemische Entzündungszustand im höheren Lebensalter, der auch im Blutplasma nachweisbar ist, unterscheide sich deutlich von einer akuten Entzündungsreaktion, schreibt die Psychologin Ulrike Kübler in ihrem 2015 von der Universität Zürich veröffentlichen Text «Inflammaging und das präventive Potenzial von Ernährung und verhaltenstherapeutischen Interventionsansätzen».
Unspezifische Immunabwehr
Mit zunehmendem Alter verändert sich die Balance zwischen Zelltypen des Immunsystems. Die Aktivität der Immunabwehr gegen spezifische Krankheitserreger nimmt ab, die unspezifische Immunabwehr nimmt hingegen zu. Die Folgen sind zum Beispiel Schmerzen in den Gelenken.
Dass beim Älterwerden Entzündungsprozesse in Gang kommen, lässt sich leider nicht vermeiden, genauso wenig wie das Altern an sich. Die gute Nachricht ist aber: Chronische Entzündungsprozesse können positiv beeinflusst werden. Die Faktoren, die das Entzündungsaltern abschwächen oder verlangsamen sollen, sind: moderate Bewegung, ein befriedigendes Sozialleben und ganz besonders die passende Ernährung.
Wie soll das, was ich esse, mit der Alterung meiner Zellen zusammenhängen, kann man sich fragen. Antworten darauf weiss Sybille Binder. Als Ernährungsexpertin am Zentrum für integrative Naturheilkunde in Zürich (siehe Box) beschäftigt sie sich intensiv mit dem Zusammenhang von Nahrung und Körper. «Die Ernährung hat einen grossen Einfluss», sagt sie. «Bei Entzündungsprozessen des Körpers wirken Nahrungsmittel auf verschiedenen Ebenen.» Einerseits gebe es Stoffe, die Entzündungen fördern oder in Gang setzen könnten. Eisen aus rotem Fleisch oder mehrfach ungesättigte Omega-6-Fettsäuren tierischen und pflanzlichen Ursprungs gehören dazu. Diesen gehe man also besser aus dem Weg – oder vermeide zumindest einen täglichen Konsum.
«Entzündungsprozesse entstehen aber auch im Darm, wenn bestimmte Nahrungsmittel von Bakterien verstoffwechselt werden und dabei Ausscheidungsprodukte abfallen, die Entzündungen begünstigen», erklärt die Fachfrau. Gluten sei so ein Stoff, aber auch Lektin, das in Hülsenfrüchten und vor allem in Nachtschattengewächsen vorkomme. «Deshalb ist bei Kartoffeln, Tomaten, Auberginen oder Paprika für Menschen mit chronischen Entzündungen grösste Zurückhaltung geboten.» Wenig empfehlenswert ist auch Zucker. Er löst nicht direkt eine Entzündung aus, aber das Bauch- und Leberfett, zu dem im Übermass verzehrter Zucker umgewandelt wird. Bauch- und Leberfett produziert nämlich hausgemachte Entzündungsbotenstoffe, die sich sehr ungünstig auswirken. Wer zu viele gesüsste Speisen konsumiert und sich zu wenig bewegt, läuft daher Gefahr, chronische Entzündungsprozesse zu entwickeln.
Neben denjenigen Nahrungsmitteln, die potenziell entzündungsfördernd sind und daher auf eine «rote Liste» gehören, gibt es aber auch solche, die Entzündungen hemmen können. Diese Esswaren von der «grünen Liste» sind vor allem pflanzlicher Herkunft. Ihre Pflanzenfarbstoffe haben die Fähigkeit, freie Radikale zu binden. Diese aggressiven Sauerstoffverbindungen können jedes Gewebe schädigen und sind oft an Entzündungsprozessen beteiligt. Sybille Binder: «Broccoli ist ein guter Entzündungshemmer wie überhaupt alle Kohlarten. Ausserdem dunkelrote Beeren oder Früchte und ihre Säfte. Zum Beispiel Cassis, Brombeeren, Heidelbeeren – und Randen. Und Gewürze.» Allen voran hat sich das leuchtend gelbe Kurkuma zum Anti-Entzündungs- Gewürz erster Güte gemausert. Ein Teelöffel täglich sollte den Speiseplan anreichern – in Suppen, Saucen, Gemüse- und Reisgerichten. Ein «Mittel der Wahl» ist auch Grüntee. Der Aufguss aus nicht fermentierten Teeblättern soll erfolgreich Entzündungsprozessen entgegenwirken.
Nicht zu viel, nicht zu wenig Eiweiss
Muss man nun vegetarisch leben oder gar vegan, wenn sich chronische Entzündungen im Körper ausbreiten? «Es wäre falsch, alle tierischen Eiweis se vom Teller zu verbannen», entgegnet Sybille Binder. «Denn es gibt auch solche, die ausgesprochen günstig sind. Die Omega-3-Fettsäuren, die in fettem Fisch vorkommen, wirken zum Beispiel gut gegen Entzündungen. Und auch helles Fleisch, Eier, angesäuerte Milchprodukte wie Joghurt und Quark darf man problemlos essen. Was man als Entzündungspatient besser weglassen sollte, ist Milch, Käse und rotes Fleisch.»
Kurz: Zu wenig wie auch zu viel Eiweiss kann Entzündungen fördern. Die Ernährungsexpertin empfiehlt: «Die Hälfte des Tellers mit Gemüse füllen und zwei Drittel der anderen Hälfte mit erlaubten Proteinen. Nur wenig Stärkehaltiges dazu nehmen. Gewürze und Kräuter nicht vergessen. Nicht stark erhitzen, sondern eher dünsten und garen. Das ist antientzündliche Ernährung.»
Antientzündliche Ernährungspyramide
Die antientzündliche Ernährungspyramide nach logi (low Glycemic and insulinemic), die von der naturheilkunde propagiert wird, unterscheidet sich folgendermassen von der normalen Ernährungspyramide: ❱ Gesundes Öl (Lein-, Raps-, Hanf-) kommt auf die gleiche Stufe wie Gemüse ❱ Beim Eiweiss entfallen Milch, Käse und rotes Fleisch ❱ Stärkearme Kohlenhydrate mit tiefem glykämischem Index werden bevorzugt ❱ Raffinierte Produkte wie weisses Mehl gehören zu den Genussmitteln
nHk, Zentrum für integrative naturheilkunde, Militärstrasse 90, 8004 Zürich. tel. 043 268 07 83. e-Mail: zentrum@nhk.ch. www.nhk.ch
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