Die digitale Welt dreht sich immer schneller. Dieser Situation probieren wir zu begegnen, indem wir mehrere Dinge gleichzeitig erledigen wollen. Eine Illusion.
Es wird immer hektischer. Draussen regiert der Herbst, dabei war es eben noch Frühling. Wer sich online bewegt und die Mailbox anschaut, entdeckt darin einen Schwall an Botschaften, auch SMS wollen beantwortet sein. Auf der Strasse hat man ebenfalls den Eindruck, dass hier die Ungeduld regiert. Überall drängeln sich die Velofahrer vor. Die adrette Dame auf dem Trottinett düst fast lautlos vorbei, Skateboarder machen Kapriolen auf dem Trottoir. Und die Spaziergängerin kämpft damit, von den Leinen ihrer beiden Hunde nicht zur Mumie geschnürt zu werden, während sie am Handy hantiert.
Das liebe Handy, ein Quell von Informationen und Zentrum des heutigen Themas: Multitasking. Aufgekommen ist der Begriff in den Sechzigerjahren, als es darum ging, die Fähigkeiten eines Computers zu beschreiben. Einst konnte ein Rechner nur eine Aufgabe bewältigen, mit den immer grösser werdenden Speicher- und Rechenkapazitäten funktionierten aber plötzlich zwei, drei oder mehr Tasks (englisch für Aufgabe) nebeneinander. Der Computer vermochte zu multitasken.
Nun versuchen wir Menschen es dem Gerät gleichzutun. Doch unser Hirn ist kein Computer und unsere visuelle Wahrnehmung ist beschränkt. Das heisst: Wir können uns auf etwas konzentrieren, sprich fokussieren.
Oder wir können uns einen Überblick verschaffen und mehrere Dinge gleichzeitig wahrnehmen. Aber beides gleichzeitig zu tun, funktioniert in der Regel nicht. Trotzdem versuchen wir es immer und immer wieder, in der Meinung, dass wir so Zeit sparen.
Besonders im Verkehr hat diese Tendenz zu-, wenn nicht gar überhandgenommen. So werden SMS-Botschaften ins Natel getippt, während man sich freihändig auf dem Velo fortbewegt. Fussgänger latschen als Handy-Zombies vor Autos, während sie gerade die Dok-Sendung «The Social Dilemma» schauen. In der Tempo-30-Zone wird die Langeweile mit Mail-Lesen vertrieben, statt sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Selbst auf der Autobahn wird mit dem Smartphone hantiert.
Nicht alles gleichzeitig machen
«Unfälle mit jährlich rund 1100 Schwerverletzten und 60 Getöteten sind auf Ablenkung und Unaufmerksamkeit zurückzuführen», hält BfU fest. Die Handy-Nutzung erhöht das Unfallrisiko um den Faktor 3,6. Selbst das Telefonieren über eine Freisprechanlage trägt zu einer Erhöhung der Unfallgefahr bei, obschon es erlaubt ist. Grund dafür: Unser Hirn erstellt während des Redens mentale Bilder der Gesprächsthemen und beansprucht damit die Wahrnehmung, die eigentlich für den Verkehr reserviert sein sollte statt für das Mittagessen vor dem geistigen Auge.
Aber auch am Arbeitsplatz oder zu Hause ist Multitasking keine Hilfe. Wer sich beim konzentrierten Arbeiten von E-Mail-Eingangstönen, Telefon oder den Enkelkindern stören lässt, braucht bis zu 20 Minuten, um wieder voll in seine Tätigkeit einzutauchen.
Üben wir uns im Multitasking, vermögen wir vielleicht verschiedene Dinge scheinbar gleichzeitig zu machen, aber keines richtig. Viel effizienter ist es, alles hübsch der Reihe nach zu erledigen. Dabei ist entscheidend, dass man unterscheidet zwischen Dingen: 1. die wichtig und dringend sind (Feuerwehr-Einsätze); 2. die wichtig, aber nicht dringend sind. Solche werden besonders von Dingen konkurrenziert, die 3. dringend, aber nicht wichtig sind («Chasch no schnäll …»), und solchen, die 4. einfach Spass machen. ❋
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