© Bernard van Dierendonck

Faszinierende Vogelwelt

Auf der Exkursion von Pro Senectute Glarus und BirdLife Glarnerland geht es um Tannenhäher, Wintergoldhähnchen, Feldlerchen oder Elstern und Co. Nach Partnersuche, Nestbau und Aufzucht der Jungen stehen für die Vögel im Herbst die Mauser, der Zug nach Süden und die Winterkälte im Zentrum.

Text: Annegret Honegger

Petrus ist vermutlich kein Ornithologe. Sonst liesse er es nicht wie aus Kübeln giessen, sobald sich die Pro-Senectute-Gruppe zur Exkursion aufmacht. Die Menschen hüllen sich bei solchen Verhältnissen in ihre Regenjacken und spannen Schirme auf. Und die Vögel? «Sie suchen geschützte Plätze und versuchen, ihre Körpertemperatur von über vierzig Grad trotz Nässe und Kälte zu halten», sagt Roland Meier.

Bereits auf dem Weg in den Wald weist der Fachmann von BirdLife Glarnerland, dem früheren Natur- und Vogelschutzverein, auf künstliche Schwalbennester an Häuserfassaden hin und auf die speziellen Nistkästen im Glockenturm der Kirche, wo jedes Jahr Mauersegler brüten. Derzeit sind die Kästen leer, die Vögel längst in Afrika. Erst Anfang Mai kehren sie zurück: «Oft sehe ich sie am Landsgemeinde-Sonntag zum ersten Mal im Jahr.»

Abgesehen von der Brutzeit leben Mauersegler, die keine Schwalben, sondern mit den Kolibris verwandt sind, monatelang in der Luft: «Während eine Hirnhälfte schläft, übernimmt die andere die Navigation.» Und derweil der Nachwuchs im Nest wartet, fliegen die Eltern bei schlechtem Wetter auch mal bis nach Paris oder Mailand, um Insekten für die Jungen zu jagen.

Ausrücken zur Vogelrettung

Fallen im Frühling Jungvögel aus dem Nest oder stürzen ganze Nester ab, weil sie etwa an glatten Eternitfassaden zu wenig Halt finden, klingelt oft Roland Meiers Telefon. Er und andere freiwillige Vogelschützer rücken dann aus, um die Nester wieder zu montieren oder durch künstliche Nester und Nisthilfen zu ersetzen, die besser haften. Bei der Rettung dürfe man Jungvögel durchaus in die Hand nehmen: «Sobald sie wieder im Nest sitzen, füttern die Eltern sie problemlos weiter.»

Auf Vogelexkursion mit dem Vogelexperten Roland Meier (links im Bild) beim Eichwald, Schwanden, Kanton Glarus. © Bernard van Dierendonck

Während der Regen auf die Schirme prasselt und von Roland Meiers Hutkrempe tropft, entgeht der aufmerksamen Gruppe keine Bewegung am Himmel, im Gebüsch und im Gehölz. Bei solchem Wetter braucht man besonders gute Augen und Ohren fürs Aufspüren von Vögeln, denn diese singen derzeit kaum. Dies tun sie vor allem in den warmen Jahreszeiten ab dem Frühjahr, um Weibchen anzulocken oder Konkurrenten aus dem Revier zu vertreiben. Im Herbst, erklärt der Fachmann, machen viele Vögel den jährlichen Wechsel ihres Federkleids durch. Der Fachbegriff «Mauser» habe dabei nichts mit Mäusen zu tun, sondern kommt vom lateinischen mutare für wechseln.

Gesichtet werden heute Kohlmeisen, Haus- und Feldspatzen, Bachstelzen und Distelfinken, Türkentauben oder ein seltenes Braunkehlchen. Roland Meier steuert mit seinem grossen Wissen Spannendes zu weiteren einheimischen Arten bei. So seien die Feldlerchen, von denen früher 200 Paare in Glarus Nord brüteten, aus den Tälern verschwunden: Zu kurz sind heutzutage die Abstände zwischen dem Mähen der Wiesen, als dass die Vögel ihre Eier ausbrüten und ihre Jungen aufziehen könnten, ohne dass diese Opfer der Mähmaschinen würden. Elstern, erfährt man, seien nicht nur vorwitzig und blitzgescheite Singvögel, sondern längst nicht so verheerend räuberisch wie ihr schlechter Ruf. Und vom Tannenhäher, der früher als Zerstörer der Arvenwälder galt, wisse man heute, dass er zu deren Erhalt beiträgt. Denn einige der Zigtausend Nüsschen, die die Vögel sammeln und verstecken, entwickeln sich im Frühling zu Jungbäumen.

Sprachkenntnisse bringen Vorteile

Vogelexperte Roland Meier (Glarner Natur- und Vogelschutzverein)
© Bernard van Dierendonck

Viele Vogelzüge haben die Schweiz bereits Richtung Süden verlassen. Zum Fliegen brauchen die Tiere grosse Energiereserven in Form von Körperfett. Deshalb sind immer wieder Zwischenstopps nötig, um Nahrung zu «tanken». «Das Fett ist das Kerosin der Zugvögel», erklärt Roland Meier. Wer eine Reise nach Afrika tut, kann anschliessend auch in der Vogelwelt was erzählen. «Vögel haben verschiedene Dialekte und lernen neue Rufe, wenn so genannte «Spötter» in Afrika einheimische Vögel imitieren», sagt Roland Meier. Und Sprachkenntnisse sind auch in der unter Vögeln von Vorteil: Wer mehr «Fremdsprachen» beherrsche, habe bessere Chancen bei den Weibchen als «Sprachmuffel».

Diejenigen, die hier überwintern, brauchen eine gute Isolation und Überlebensstrategien in Schnee und Kälte. Das nur fünf Gramm schwere Wintergoldhähnchen etwa, der kleinste Vogel Europas, muss an einem kurzen Wintertag ein Fünftel seines Körpergewichts wieder anfuttern, das es in der langen, kalten Nacht jeweils verliert. Wer Vögel füttere, solle dies konsequent den ganzen Winter über tun, betont Roland Meier. Und im Frühling damit aufhören: Die meisten frisch geschlüpften Küken können Körner nicht verdauen und kommen um, wenn ihre Eltern sie damit füttern.

Ein Adler wird an diesem Morgen zwar nicht gesichtet, aber im gleichnamigen Restaurant klingt die Exkursion bei Kaffee und Gipfeli aus. Während die nassen Jacken und Schirme an der Garderobe trocknen, stellen die Teilnehmenden Roland Meier Fragen und erzählen von ihren eigenen Erlebnissen rund um die Ornithologie.

Einige berichten, dass sie ihre Faszination für Vögel nach der Pensionierung entdeckt oder nun erst Zeit hätten, ihr Interesse für die Natur zu vertiefen. Auf den Vogel- und anderen Exkursionen von Pro Senectute lerne man zudem nicht nur Neues zu Flora und Fauna, sondern auch Gleichgesinnte kennen.

Das nächste Mal treffen sich die Vogelkundlerinnen und Vogelkundler spätestens auf der Frühlingsexkursion: Dann halten die Vögel Hochzeit, bauen ihre Nester und man hört sie hoffentlich bei Sonnenschein singen und zwitschern.

Pro Senectute Glarus: Vogelexkursionen und weitere Angebote

Jeweils im Frühling und manchmal im Herbst bietet Pro Senectute Spaziergänge mit einem Vogelexperten an. Weitere Veranstaltungen in der Natur sind Wanderungen, Schneeschuhwanderungen, ein Kräuterspaziergang oder ein Rundgang auf dem Bienenlehrpfad. Informationen zu allen Angeboten und Dienstleistungen:

  • Pro Senectute Kanton Glarus, Gerichtshausstrasse 10, 8750 Glarus, Telefon 055 645 60 20, gl.prosenectute.ch
  • Angebote in Ihrer Region finden Sie bei Pro Senectute in Ihrem Kanton. Sämtliche Adressen stehen auf prosenectute.ch
Beitrag vom 06.10.2021

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