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Zukunftsträume 13. Dezember 2021

Zeitlupe-Redaktorin Usch Vollenwyder (70) erzählt seit Beginn der Corona-Krise jede Woche aus ihrem Alltag im bernischen Gürbetal. Heute: von Peggy March, einem alten Schlager und Wünschen für die Zukunft.

Usch Vollenwyder
Usch Vollenwyder,
Zeitlupe-Redaktorin
© Jessica Prinz

Ausgerechnet an meinem runden Geburtstag geistert auf der morgendlichen Hunderunde der alte Schlager «Mit siebzehn hat man noch Träume» von Peggy March durch meinen Kopf. Was soll das? Vielleicht bringt mein Unterbewusstsein ja etwas durcheinander: Zwischen siebzehn und siebzig liegen zwar 53 Jahre, aber nur wenige Buchstaben. Ich trällere das Lied vor mich hin, klaube die Worte zusammen und interpretiere neu: «Mit siebzig hat man noch Träume, da wachsen noch alle Bäume…» Ja, wohin wohl? «…in den Himmel der Liebe…» In der zweiten Strophe «kann man noch hoffen, da sind die Wege noch offen», wiederum «in den Himmel der Liebe». Na dann.

Im Handy google ich nach Peggy March. Auf Youtube finde ich einen Ausschnitt aus einer Fernsehsendung, in der eine strahlende Heidi Abel die Siegerin der Deutschen Schlagerfestspiele von 1965 ankündet. Ich lache laut über Frisur und Gewand und überhaupt über die ganze Darbietung: So ist meine Generation kurz vor den Beatles und Stones gross geworden! Schliesslich suche ich den Wikipedia-Eintrag über Peggy March. Verblüfft lese ich, dass die heute 73-Jährige vor zwei Jahren ein Album mit dem Titel «Man ist nie zu alt für Träume» veröffentlicht hat. Internet sei Dank finde ich auch diesen Beitrag. Eine jugendlich-fröhliche Peggy March behauptet, dass es für Träume kein «Ablaufdatum, keine Grenzen und kein Tabu» gebe.

Ich denke an meine eigenen Träume und werde nicht so recht fündig. Natürlich gibt es ein paar Dinge, die ich eigentlich ganz gerne noch machen würde: mit einem Camper samt Mann und Hund zwei Monate lang durch die Bretagne reisen zum Beispiel. Oder vielleicht doch noch ein Buch schreiben, einen Krimi aus dem Gürbetal – warum nicht? Ich plane, im nächsten Juni die kleine Insel im Indischen Ozean zu besuchen, auf der ich meine wichtigsten Jahre zwischen zwanzig und dreissig verlebt habe. Aber all das muss nicht mehr sein. Mein Leben ist auch ohne Bretagne-, Krimi- oder Inselglück rund und vor allem proppenvoll.

Natürlich wünsche ich mir Gesundheit und ein gutes Alter. Und einen Glückstern für meine Liebsten, Wohlergehen allen Menschen, Frieden auf der Erde und die Rettung des Planeten. Aber mit siebzig ist man realistisch genug um zu wissen, dass das Leben anderen Gesetzen als den eigenen Wünschen folgt. Ich möchte auch weiterhin über das Geheimnis von Leben und Sterben und über das grosse Ganze nachdenken. Doch selbst wenn ich hundert würde, käme ich damit an kein Ende. Ich glaube, ich bin wunschlos. Vielleicht nicht wunschlos glücklich, aber doch wunschlos zufrieden.

Das Leben und die Zukunft fühlen sich gut an, als ich in dieser Nacht noch einmal mit dem Hund hinausgehe. Der Himmel ist bedeckt. Doch darüber weiss ich den Sternenhimmel. Ich bin neugierig auf neue Aufgaben und Möglichkeiten. Mir kommt ein Gedicht der jüdischen Schriftstellerin Rose Ausländer in den Sinn. Es endet mit den Worten: «Sich freuen, trauern. Höher leben, tiefer leben. Nicht fertig werden.»


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Beitrag vom 13.12.2021

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