Lange wurde Hafer in der Schweiz kaum mehr angebaut, nun aber wächst daran das Interesse. Haferprodukte boomen. Davon sollen nun auch hiesige Bäuerinnen und Bauern profitieren.
Text: Roland Grüter
Dorfkinder erinnern sich: Einst machte immer wieder die Schweizer Kavallerie auf einem nahen Bauernhof halt. Die Soldaten spendierten ihnen jeweils knochentrockene Armee-Biscuits – und den vierbeinigen «Eidgenossen» eine Portion Hafer. Den Pferden wurde dafür ein Stoffsack um den Kopf gezurrt. In Reih und Glied, festgebunden an langen Seilen, mampften die Tiere das eingefüllte Getreide. Im Jahr 1972 kam das Aus für die Schweizer Kavallerie, und die rund 3000 Traber, die damals dem Bund gehörten, wurden in den Ruhestand geschickt. Parallel dazu sattelten auch die meisten Bauern auf mehrere PS um und bestellten ihre Felder fortan mit Traktoren und anderen Zugmaschinen. Mit dem Verschwinden der Pferde verabschiedeten sich auch die Hauptabnehmer der hiesigen Haferproduzenten. Das Getreide geriet in Vergessenheit.
Anbau wird aktiv gefördert
Nun aber erlebt Hafer ein grosses Revival. Vor wenigen Wochen hat die Fenaco, die Schweizer Agrargenossenschaft, die 174 landwirtschaftlichen Genossenschaften und deren gut 43 000 Mitgliedern gehört, bekanntgegeben, den Anbau dieser Getreideart aktiv zu fördern. Mit garantierten Abnahmemengen und besserer Vergütung will sie diese Kultur wirtschaftlich interessanter machen und mehr Bauern dafür begeistern. In den vergangenen Jahrzehnten spielt Hafer in der hiesigen Landwirtschaft eine verschwindend kleine Rolle. Lediglich 1700 Hektaren wurden damit bepflanzt. Zum Vergleich: Weizen wird gemäss Schätzungen auf 78 809 Hektaren kultiviert. Die Zeichen stehen gut, dass die Massnahmen greifen. Denn Haferprodukte boomen, davon sollen auch hiesige Landwirte profitieren.
Haferflocken, -joghurts oder -flakes sind leicht verdaulich, beinhalten einen hohen Gehalt an B-Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Diese Eigenschaften machen den Oldie zum «Superfood» – und damit für Konsumentinnen und Konsumenten wieder begehrenswert. Darüber hinaus gilt Hafer als veritabler Eisenlieferant, was ihn für die vegetarisch-vegane Ernährung präferiert: Vor allem dem pflanzlichen Milchersatz werden wahre Wunderkräfte zugeschrieben, auch wenn längst nicht alle wissenschaftlich abgestützt sind. Hafermilch gehört denn auch bereits zum Standard-Repertoire der Supermärkte.
Der pflanzliche Drink ist dermassen erfolgreich, dass die heimische Produktion die Nachfrage nach dem Rohstoff nur zu einem verschwindend kleinen Teil decken kann. Der Grossteil des verwendeten Speisehafers wird aus Finnland, Deutschland, Frankreich und Tschechien importiert. Das sind jährlich immerhin 50 000 Tonnen. Nun sollen Schweizer Landwirte die Gunst der Stunde besser nutzen und dadurch mehr Einkünfte generieren.
Nischenprodukte boomen
Nischenprodukte scheinen für hiesige Bauern generell attraktiv. Denn Kartoffeln, Zuckerrüben und andere traditionelle Produkte stehen unter grossem Preisdruck, also bauen Agronominnen und Agronomen Hartweizen, Kichererbsen, Reis, Quinoa oder eben Hafer an, die ihnen neue Einnahmequellen eröffnen. Viele Produzenten geben ihre Spezialitäten im Direktverkauf weiter. Dadurch ist die Wertschöpfung grösser. Der Klimawandel spielt den Akteuren zusätzlich in die Hand – plötzlich sind Kulturen möglich, die einst undenkbar waren. Agroscope, das Kompetenzzentrum der Schweiz für landwirtschaftliche Forschung, hilft mit, die damit verbundenen Chancen zu nutzen. Sie ertüftelt Sorten, die mit dem hiesigen Klima besser zurechtkommen, denn viele Exoten stammen aus wärmeren Ländern und stehen unter Zeitdruck, in kurzen Sommern auszureifen.
Hafer kommt ursprünglich aus dem Nahen Osten, dem Mittelmeergebiet und Äthiopien. Er wuchs in Urzeiten als Unkraut auf Getreidefeldern, wurde erst später separiert und hauptsächlich als Futtergetreide angebaut. Der Sommerhafer wächst äusserst langsam, garantiert also nicht immer reiche Ernten. Darüber hinaus sind nicht alle Sorten standfest, was die Erträge zusätzlich schmälert. Im Gegenzug sind sie nicht sonderlich auf Wärme und Wasser angewiesen, stellen kaum Ansprüche an die Böden. Hafer gilt sogar als Gesundungsfrucht, er überträgt auf den Feldern keine Fruchtfolgekrankheiten. Das macht ihn vor allem für Bio-Betriebe attraktiv, da er die Böden gesund hält.
All das spricht für die Rückkehr des kulinarischen Multi-Talents. Sogar der Haferbrei soll wieder in Mode kommen. Einst füllten sich damit die Armen ihre Mägen, nun sind es Trendsetter. Diese «haberen» den Hafer genauso willig weg wie einst die «Eidgenossen» der Schweizer Kavallerie.
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