Karpfen waren einst auch hierzulande begehrte Speisefische. Sie leben seit dem Mittelalter in Schweizer Gewässern und wurden praktisch weltweit verbreitet. Ihre ursprüngliche Wildform ist jedoch heute gefährdet.
Text: Esther Wullschleger Schättin
Karpfen sind gesellige und grosswüchsige Fische, die man in manchen grösseren Weihern sehen kann. Oft schwimmen sie auf der Suche nach Nahrungsstücken, die vielleicht ins Wasser gefallen sind, in kleinen Grüppchen ruhig und recht träge an der Oberfläche, ohne grosse Scheu zu zeigen. Von anderen Fischen der Stillgewässer sind die Karpfen gut zu unterscheiden durch ihre lange Rückenflosse und die auffallenden Barteln – fleischige Bartfäden, die sie am Maul tragen. Ihr zahnlos erscheinendes Maul können sie weit vorstülpen, um einen Brocken Nahrung aufzunehmen. Auch bei den Kois oder Farbkarpfen, den domestizierten Zierformen fernöstlicher Karpfen, und bei den verwandten Goldfischen lässt sich dies gut beobachten, wenn sie etwa in einem Teich gefüttert werden.
Die vier Barteln, von welchen zwei kürzere an der Oberlippe und zwei längere in den Mundwinkeln sitzen, sind auch bei der Nahrungssuche bedeutsam. Der Karpfen ist ein unspezialisierter Allesfresser, der meist am schlammigen Gewässerboden gründelt und Verwertbares aufstöbert. Dabei nehmen die beweglichen Bartfäden Geschmacks- und Tastsinneseindrücke wahr und geben so Orientierung, auch wenn der Fisch in einer aufgewühlten Schlammwolke kaum etwas sehen kann.
Der Karpfen stöbert nach Kleintieren wie Würmern, Schnecken oder Insektenlarven im Schlammgrund, saugt winzige Wassertiere wie Wasserflöhe auf oder zupft weiche Pflanzenteile und Algen ab. Grosse Karpfen können offenbar auch kleine Fische überwältigen, doch stellen grössere Beutetiere eher die Ausnahme dar. Die Nahrung wird vor dem Verschlucken im Schlund zerkaut, denn dort tragen die Karpfenfische harte Schlundzähne und eine gegenüberliegende harte Kauplatte.
Karpfen gehören zu den ältesten domestizierten Fischen der Welt, schon früh wurden sie in Teichwirtschaften gezüchtet. Sie waren bereits den Römern bekannt, die den Fisch offenbar im Donaugebiet vorgefunden hatten und in weitere Gebiete verbreiteten. Im Lauf des Mittelalters erreichte der Karpfen so auch Schweizer Gewässer. Sein ursprüngliches Verbreitungsgebiet erstreckt sich vom Donaugebiet ostwärts bis zum Aralseebecken, wobei der Wildkarpfen die langsam fliessenden Flüsse des Tieflands und grosse Seen besiedelt.Die langgestreckte, viel schlankere Wildform ist heute gefährdet. Einerseits nehmen die Bestände im Ursprungsgebiet infolge von Flussregulierungen ab, da die Wildkarpfen zum Ablaichen auf Überschwemmungsflächen angewiesen sind. In den seichten und warmen Uferbereichen wachsen die frisch geschlüpften Jungkarpfen heran. Aber auch Kreuzungen mit den vielfach eingeführten domestizierten Arten gefährden die Ursprungspopulationen.
Die Zuchtkarpfen gehen auf Tiere von unterschiedlichem Ursprung zurück, auch ostasiatische Karpfen können eingemischt sein. In der Schweiz kommt die Wildform offenbar nur noch selten vor und wird deshalb als gering gefährdet eingestuft. Der Wildkarpfen wird als einheimisch angesehen, weil er seit vorkolumbianischer Zeit und somit seit vielen Jahrhunderten im Land lebt.
Moderne Zuchtformen des Karpfens sind deutlich hochrückiger und massiger als die Wildkarpfen, und sie wachsen viel schneller. Zum Teil weisen sie auch Veränderungen des Schuppenkleids auf. Es gibt Formen wie Spiegelkarpfen oder Zeilkarpfen mit nur noch einigen Schuppen, die stark vergrössert sein können, oder völlig schuppenlose Lederkarpfen. Zuchtkarpfen werden üblicherweise mit Getreide zugefüttert, während sie einen Teil der vielseitigen Nahrung im Teich selber finden. Sie gelten als besonders nachhaltig züchtbare Speisefische, da sie nicht mit Fischmehl versorgt werden müssen wie manche anderen Fische.
Karpfen-Koi-Tiere-Zeitlupe-Magazin-01-2022
Farbkarpfen aus dem Fernen Osten
Auch die farbenprächtigen Kois oder Farbkarpfen sind domestizierte Abkömmlinge von Karpfen. Sie stammen von der asiatischen Schwesternart des europäischen Karpfens ab und wurden in Japan ab etwa der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gezüchtet. Durch das Wegfallen von einzelnen Farbkomponenten entstanden verschiedenste Variationen wie weisse, orange oder gefleckte Tiere mit roten, orangen oder schwarzen Bereichen. Die Anlage von Koiteichen ist ein anspruchsvolles Unterfangen. Die grossen Fische brauchen sehr viel Platz, passende Bedingungen für die Überwinterung und ein Wasserfiltersystem.
Allerdings werden auch die Karpfen mehr oder weniger intensiv oder eher extensiv und tierschonend herangezogen. In sehr intensiven Teichzuchten mit grossen Besatzdichten, ausgiebiger und einseitiger Getreidefütterung zur schnellen Mast und knappen Platzverhältnissen fühlen sich auch die Karpfen nicht wohl. Wie es heisst, kann das Fleisch von Tieren aus allzu nährstoffreichen Teichen mit schlechter Wasserqualität moderig riechen. Das liegt vermutlich an Blaualgen, die in solchen Teichen massiv wachsen und dann von den Karpfen aufgenommen werden.
In grossen, extensiven Teichen indessen, wo Karpfen in geringer Besatzdichte leben und sich zur Nahrungssuche mehr bewegen können, wachsen sie muskulöser und weniger fettreich heran. Sehr extensiv untergebrachte Tiere brauchen keine Fütterung. Dass eine nachhaltige Wiederbelebung von historischen Karpfenteichen sogar wertvolle Lebensräume für seltene Tier- und Pflanzenarten fördern kann, zeigt ein interessantes Projekt, genannt «Karpfen pur Natur», im Umfeld des ehemaligen Klosters St. Urban LU.
Weitere Informationen zum Projekt «Karpfen pur Natur» beim Kloster St. Urban: karpfenpurnatur.ch
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