Lebensfreude auf vier Pfoten
Sie sind treu und aufmerksam, sie spenden Trost und sorgen für Erheiterung: Hunde sind für viele die besten Freunde. Besonders im Alter wächst der Wunsch nach einem vierbeinigen Begleiter, doch das ist nicht immer ganz einfach.
Text: Marc Bodmer, Roland Grüter. Fotos: Markus Forte
Zu keinem anderen Tier hat der Mensch eine engere Bindung als zum Hund. Wenn wir in die treuherzigen Augen eines Hundes blicken, werden laut einer Studie die gleichen Glückshormone ausgestossen wie beim Augenkontakt mit einem Baby. Die Vierbeiner verstehen überdies auch Worte. Gemäss den Hundeforschern Brian Hare und Vanessa Woods gibt es ausser den Menschen keine andere Lebensform, die Wörter so schnell lernt wie Hunde. Darum ist es auch völlig normal, dass wir mit ihnen sprechen. Sie hören uns aufmerksam zu und ihre Mimik sagt oft mehr als tausend Worte.
Hunde sind keine Katzen. Das klingt lapidar, ist aber für die Beziehung zwischen Mensch und Tier entscheidend. Katzen sind selbstständiger, Hunde viel abhängiger von ihrem Frauchen oder Herrchen. Das macht mitunter die Beziehung so intensiv. Sie gehorchen der Chefin oder dem Chef, allerdings nur, wenn diese als kompetent erachtet werden, haben doch Hunde ein ausgeprägtes Hierarchieverständnis. Wer von ihnen zu Hause erwartet wird, kann auf einen Freudentanz gefasst sein, während eine Katze vielleicht gelangweilt ein Auge öffnet, weil sie im Schlaf gestört wurde. Hunde können auch nicht einfach durchs Katzentörchen nach draussen, ihre Besitzerinnen und Besitzer müssen täglich mindestens drei Mal hinaus mit ihnen – ob die Sonne scheint oder es Katzen hagelt. Diese Bewegung stärkt Körper und Immunsystem.
Aber auch der Seele tun Hunde gut. Studien haben gezeigt, dass der Kontakt mit ihnen zu einer massgebenden Reduktion von Stress führt und das Wohlbefinden steigert. Kein Wunder also, dass sich viele (ältere) Menschen, die sich einsam fühlen, einen pelzigen Begleiter als Gesellschaft wünschen. Die Corona-Epidemie der letzten zwei Jahre hat die Situation verschärft und die Nachfrage zusätzlich gesteigert. Das hat unter anderem unseriöse Anbieter auf den Markt gebracht, für die nicht das Tierwohl, sondern der schnelle Profit im Vordergrund steht. Diese verschachern über Online-Plattformen Welpen aus ausländischen Qualzuchten zu Billigpreisen. Meist sind diese krank, was die neue Besitzerin viel Geld und Nerven kostet. Darum ist grosse Vorsicht bei Online-Angeboten am Platz. Entscheidend ist in jedem Fall ein Besuch beim Züchter, der Halterin oder im Tierheim. Dort kann man sich ein Bild davon machen, wie die Hunde gehalten werden und unter welchen Bedingungen die Welpen aufwachsen.
Im Vorfeld einer Anschaffung sollte man sich ehrlich die folgenden Fragen stellen: Habe ich die Zeit, um mich täglich meinem Hund zu widmen und mit ihm spazieren zu gehen? Bin ich fit und stark genug? Kann ich mir Futter, Arzt-oder Spitalkosten leisten? Gibt es Leute in meinem Bekanntenkreis, die den Hund auch für längere Zeit hüten oder gegebenenfalls übernehmen würden? Wäre es nicht besser, auf einen eigenen Hund zu verzichten und mit einem Vierbeiner aus dem Tierheim oder der Nachbarschaft regelmässig spazieren zu gehen?
Stellt man sich diese Fragen nicht selbst, hört man sie von Züchterinnen oder in Tierheimen. Wer im Pensionsalter ist, erhält allerdings oft Absagen: «Insbesondere bei Anfragen in Tierheimen war unser Alter ein Grund dafür, dass wir nicht berücksichtigt wurden», sagt Peter Scheidegger (73) aus Olten SO. Für Tierärztin Mirjam Kündig ist dieses Vorgehen zu starr: «Nach der Pensionierung hat man Zeit. Das ist perfekt. Aber es kann andere Gründe für eine Absage geben, wenn der Hund beispielsweise zu gross ist.» (Siehe Interview)
Wer sich einen Hund zulegen möchte, muss also im Vorfeld einiges abklären. Denn seriöse Züchterinnen oder die Verantwortlichen in Tierheimen erwarten eine gute Lösung für ihre Vierbeiner, auch für den Fall, dass Herrchen oder Frauchen einmal ins Spital müssen oder gar versterben. Schliesslich werden insbesondere kleinere Hunde gerne über zehn Jahre alt. Es empfiehlt sich deshalb, einen besonderen Passus im Vorsorgeauftrag oder Testament zu ergänzen, der festhält, was mit dem Hund bei einem Todesfall geschehen soll.Ist alles entsprechend vorbereitet und aufgegleist, kann man sich auf eine wunderbare Zeit freuen. Denn Hunde bringen Bewegung, Freude und oft auch Humor in den Alltag. Die Verbindung zwischen Mensch und Hund ist einmalig. Wer sie einmal erlebt hat, möchte sie nicht mehr missen.
«Rawya ist kein Schosshündchen!»
Peter Scheidegger (73), Olten SO
Bereits als Teenager begleiteten mich Kerry Blue Terrier durchs Leben. Auch während meiner Studienzeit hatte ich stets einen Hund an meiner Seite. Iarla wurde 16 Jahre alt, ein stolzes Alter für einen Hund dieser Grösse. Danach wollten meine Frau Lisebeth (74) und ich keinen so grossen Hund mehr. Kerry Blue Terrier werden zwischen 16 und 18 kg schwer und haben richtig Kraft. Auch einen Hund aus einem Heim, der möglicherweise traumatisiert ist und viel Training braucht, trauten wir uns nicht mehr zu. Wir entschieden uns deshalb für einen Zwergschnauzer. Das sind richtige Hunde und keine Schosshündchen. Vom Wesen her sind sie mit Terriern verwandt und haben Charakter. Mit neun Wochen zog Rawya, so heisst die junge Dame, vergangenen Frühsommer bei uns ein und wurde schnell stubenrein. Wir können sie dank ihrer Grösse überallhin mitnehmen.
Doch bevor es so weit war, erlebten wir eine wahre Odyssee. Ich habe mit rund einem Dutzend Züchterinnen und Züchtern gesprochen. Oft bestanden lange Wartelisten oder, insbesondere bei Anfragen in Tierheimen, war unser Alter ein Grund dafür, dass wir nicht berücksichtigt wurden. Dank einem Tipp unserer Tochter, die Rawya notfalls auch übernehmen würde, wurden wir schliesslich in Deutschland fündig.
Wir konnten die Zucht aufgrund von Covid jedoch nicht spontan besuchen. Wir haben dann die Züchterin gebeten, uns via Facetime-Video die Umgebung zu zeigen, in der die Welpen aufwachsen. So konnten wir einen Eindruck bekommen, wie die Hunde sozialisiert werden, und schliesslich eine noch namenlose mehrfarbige Hündin auslesen. Meine Frau geht mit Rawya regelmässig in die Hundeschule. Dort lernt sie andere Artgenossen kennen und vieles mehr. Das täte allen Hundebesitzerinnen und -besitzern gut, denn viele wissen kaum etwas über ihre Vierbeiner und deren Wesen.»
«Stella ist eine grosse Schmuserin»
Marcella Karrer (69) und Hanspeter Graber (78), Oftringen AG
Hanspeter Graber: «Ich mag grosse Hunde. Früher hatte ich mehrere Riesenschnauzer, richtige Familienhunde. Der Vorgänger von Stella war ein Labrador-Mischling. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger ist sie keine Kostverächterin. Jedes Mal, wenn ich in der Küche etwas mache, kommt sie und schaut, ob es Futter gibt. Interessant ist, wie dieses Verhalten auch mich prägt. Selbst wenn Stella nicht zu Hause ist, versuche ich möglichst wenig Lärm in der Küche zu machen.»
Marcella Karrer: «Bevor Stella bei uns einzog, hatten wir während drei Jahren keinen Hund mehr. Doch mir fehlte die Gesellschaft. Ich begann auf der Strasse allen Hunden nachzuschauen und machte mich auf die Suche. Ich wurde auf tutti.ch fündig. Stella war damals 10 Monate alt und war auf einem Bauernhof nahe Krinau SG nicht glücklich.»
Hanspeter Graber: «Hätten wir uns einen so grossen Hund von einem Züchter oder aus einem Tierheim gewünscht, hätten wir Stella aufgrund unseres Alters kaum bekommen.»
Marcella Karrer: «Als Stella zu uns kam, war sie sehr neugierig und wollte mit allen Hunden spielen. Ein oder zwei Mal hat sie mich beim Spazieren umgerissen. Dann haben wir sie für drei Tage zu einem Hundetrainer gebracht, der ihr Leinenführung beigebracht hat. Jetzt ist sie viel ruhiger, und Spaziergänge mit ihr sind ein Vergnügen. In die Hundeschule gehen wir weiterhin.»
Hanspeter Graber: «Stella ist eine Mischung aus Berner Sennenhund und Grossem Schweizer Sennenhund. Mit ihren 47 Kilo ist sie eine grosse Schmuserin – in jedem Sinn des Wortes. Ich gehe einmal pro Woche im Altersheim vorlesen. Dabei begleitet Stella mich hin und wieder. Sie ist dort der absolute Liebling, weil sie sich von allen Bewohnerinnen und Bewohnern streicheln lässt.»
Marcella Karrer: «Ich habe mich für Stelle für eine Ausbildung zum Therapiehund interessiert, aber diese ist sehr aufwändig. Wir besuchen lieber weiterhin die Hundeschule und gelegentlich das Altersheim, wo Stella auch ohne Diplom viel Freude bereitet.»
«Beni sollte nicht mein letzter Hund sein»
Beat Knoepfli (71), Basel
Eigentlich bin ich eher ein «Dackel»-Typ, doch das Schicksal brachte mir einst Beni ins Haus, einen West Highland Terrier. Mittlerweile ist er 16-jährig, also ein Methusalem unter seinesgleichen. Deshalb machte ich mich vor knapp zwei Jahren auf die Suche nach einem Gspänli gleicher Rasse. Einerseits wollte ich Beni einen jüngeren Artgenossen zur Seite stellen, der ihn anspornt, ihm Gesellschaft leistet. Andererseits quälte mich der Gedanke, dereinst allein in meinem Haus zu leben. Denn ich besitze von jeher Hunde, und Beni sollte nicht mein letzter sein. Erst suchte ich in Basler Tierheimen nach einem Weggefährten, doch ich erhielt überall Absagen.
Ich bin zwar erst 71 und habe nach meiner Pensionierung viel Zeit: Doch den Verantwortlichen war ich zu alt, die damit verbundenen Risiken zu schwerwiegend. Sie geben ihre Tiere lieber an Jüngere weiter, obwohl deren Zukunft genauso ungewiss ist wie meine. Wer sich ein Haustier anschafft, sollte einberechnen, wie schnell sich das Leben ändern kann. Das sind wir unseren Lieblingen schuldig. Ich jedenfalls habe längst geregelt, was mit meinen Westies passiert, sollte mich das Leben aus der Bahn tragen.
Seit knapp einem Jahr lebt Boni (8) nun bei mir. Er ist eine grosse Bereicherung. Andere holen sich lieber einen Welpen ins Haus. Das kam für mich nie in Frage. Die nächtlichen Spaziergänge, der Spieltrieb, die lange Lebenserwartung: alles Argumente, die aus meiner Sicht dagegen sprechen. Ich hatte die Suche nach einem Zweittier schon fast aufgegeben, dann aber machte mich eine Freundin auf einen Artikel aufmerksam, in dem ein heimatloser Terrier porträtiert wurde. Ich meldete mich ‒ und bekam den Zuschlag: Boni. Genau genommen heisst er Bounty. Doch wer will schon einen Hund, der den Namen eines Schoggi-Riegels trägt? Ich nicht.»
Zum Experteninterview mit Tierärztin Mirjam Kündig «Hunde tun uns Menschen gut»
Wer hilft, die Kosten zu tragen?
Die Hatt-Bucher-Stiftung hat ein Herz für ältere Menschen. Und weil sie weiss, dass Tiere im Alter eine grosse Bedeutung haben können, unterstützt sie Seniorinnen und Senioren bei der Tierhaltung.
Gesuche um Unterstützung können von Pro-Senectute-Beratungsstellen, Beiständinnen und Beiständen, Sozialberatungsstellen von Kirchgemeinden und Gesundheitsorganisationen, Heimen etc. eingereicht werden.
Voraussetzung ist, dass die Person, die unterstützt werden soll, im Alter 65plus ist und Ergänzungsleistungen zur AHV bezieht (oder punkto Finanzen die EL-Schwelle knapp überschreitet). Alle nötigen Informationen finden sich auf hatt-bucher-stiftung.ch oder können bei der Gesuchsverantwortlichen der Stiftung, Frau Monika Pfister, erfragt werden über Telefon 044 250 44 50. Wenn die Grundlagen für eine Unterstützung gegeben sind, wird in der Regel ein jährlicher Haltungsbeitrag (für Hunde beispielsweise 960 Franken) ausbezahlt. Zudem können Tierarztkosten übernommen werden.
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