Schlucken statt kauen: Säfte und Smoothies sind gross in Mode. Eine Expertin erklärt, worauf wir beim Kauf und Konsum achten sollten.
Text: Roland Grüter
Die Regale der Grossanbieter sind zuhauf mit Säften gefüllt: Weshalb eigentlich? Céline Sommer: Die Nachfrage ist offenbar riesig. Viele Menschen mögen nicht einzig Wasser trinken, sie schätzen Säfte oft als Alternative. Diese werden nach wie vor häufig mit gesundheitlichen Vorteilen assoziiert, leider können da nicht alle Produkte mithalten.
Welche Nachteile sind zu befürchten? Flüssigkost bewirkt – im Vergleich zur festen Nahrung – eine weniger starke Sättigung, da das Kauen entfällt und das Volumen geringer ist. Durch die Vorverarbeitung werden ausserdem mehr Kalorien aufgenommen, als wenn wir frische Früchte oder frisches Gemüse essen. Konsumiert man Säfte und Smoothies im Übermass, droht folglich eine Gewichtszunahme. Die konzentrierte Nährstoffdichte und die flüssige Form lassen überdies den Blutzucker schnell steigen, was insbesondere bei Menschen mit Diabetes mellitus ungewünscht ist.
Diese Nachteile können aber auch Vorteile sein … Richtig. Beispielsweise bei Untergewicht und fehlendem Appetit. Hier können Säfte helfen, an Gewicht zuzulegen.
Viele Ältere leiden unter Kau- und Schluckbeschwerden. Helfen Säfte allenfalls, diese Schwäche zu überwinden? Viele Menschen mit Kauproblemen ergänzen damit tatsächlich ihre Weichkost. Gemeinhin empfiehlt man, täglich mindestens fünf Portionen Gemüse und Früchte zu essen. Das lässt sich bei Kau- und Schluckbeschwerden aber nur schwer umsetzen, auch hier können Säfte und Smoothies hilfreich sein. Wobei es zu beachten gilt, dass bei Schluckbeschwerden Flüssignahrung nicht immer empfehlenswert ist: Dicke Frucht- oder Gemüsepürees sind oft dienlicher.
Wie integrieren Seniorinnen und Senioren Säfte sinnvoll in ihren Speiseplan? Sie können beispielsweise den Tomatensaft als Apéro nutzen, das kann appetitanregend wirken. Wer unter Appetitmangel leidet, kann Säfte als Zwischenmahlzeit einsetzen. Und wer sein Gewicht nur mit Mühe halten oder steigern kann: Säfte vor dem Frühstück oder nach dem Nachtessen trinken. Damit lässt sich die lange Esspause über Nacht verkürzen.
Was unterscheidet Säfte von Smoothies, die ebenfalls gross in Mode sind? Für Säfte wird nur der Flüssiganteil der Früchte und Gemüse verwendet, für Smoothies hingegen die gesamte Frucht, das gesamte Gemüse. Was einen grossen Vorteil hat: Die wichtigen Substanzen befinden sich vor allem in der Haut der Naturzutaten. Zusätzlich bleiben in Smoothies auch Nahrungsfasern erhalten. In der Herstellung eines Safts gehen sie verloren.
Wie viel ist gut, wann ist Schluss? Über den Daumen gepeilt: pro Tag ein Glas Saft oder Smoothie, also maximal zwei Deziliter, egal ob Obst oder Gemüse. Dieselbe Empfehlung gilt für Multivitaminsäfte oder andere angereicherte Säfte (zum Beispiel mit Calcium und Vitamin D). In dieser Dosierung bringen sie genügend Nährstoffe mit. Wichtig: Bevorzugen Sie reine Frucht- oder Gemüsesäfte, die keinen zusätzlichen Zucker enthalten.
«Ein halber Liter Coca-Cola enthält 13 Würfelzucker, ein halber Liter Orangensaft jedoch 16.»
Céline Sommer
Insbesondere Fruchtsäfte stehen im Verruf, Zuckerbomben zu sein. Zu Recht? Ja. Für ein Glas müssen erstaunlich viele Früchte ihren Saft hergeben – weit mehr, als wir essen würden. Beeindruckend: Ein halber Liter Coca-Cola enthält 13 Würfelzucker, ein halber Liter Orangensaft jedoch 16.
Weshalb werden Säfte aufgezuckert? Der Zuckerzusatz ermöglicht, dass man für die angestrebte Süsse weniger Früchte braucht. Das hält die Produktionskosten niedrig. Ist auf den Flaschen «100 Prozent Fruchtanteil» vermerkt, kommt der Inhalt ohne zusätzlichen Zucker aus – im Gegensatz zu Tafelgetränken mit Fruchtsaftanteilen oder Fruchtnektaren.
Ungesüsste Säfte enthalten natürlichen Fruchtzucker. Weshalb gilt es auch hier, Mass zu halten? Die meisten unserer Zellen – mit Ausnahme der Leberzellen – können Fruchtzucker erst gar nicht als Energiequelle nutzen. Essen beziehungsweise trinken wir also zu viel Fruchtzucker, wird dieser in der Leber zu Fett umgewandelt und als Depot gespeichert. Dies kann langfristig zu diversen Stoffwechselstörungen führen, etwa zu erhöhten Blutfettwerten oder zu einer Fettleber.
Sind Gemüsesäfte generell unbedenklich(er)? Ja, solange sie keinen zusätzlichen Zucker enthalten. Sonst bringen sie ähnliche Nachteile mit wie entsprechende Fruchtsäfte.
Sind frisch gepresste hochwertiger als abgefüllte Säfte? Kommt drauf an. Werden die Früchte und das Gemüse vor der Verarbeitung jeweils frisch gekauft und zu einem Smoothie verarbeitet, ist der Vitamingehalt höher. Denn in der Verarbeitung industrieller Produkte geht ein Teil der Vitamine und Mineralstoffe verloren, beispielsweise durch das Pasteurisieren.
Zur Expertin: Céline Sommer ist BSc BFH Ernährungsberaterin am Ernährungszentrum Zürich. Sie ist Spezialistin für Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien. Mehr Infos: ernaehrungszentrum.ch
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