Schwebfliegen fallen durch ihre beeindruckenden Flugkünste auf und sind neben den Wildbienen die wichtigsten Bestäuber von Pflanzen.
Von Esther Wullschleger-Schättin
Wenn am Gartentisch ein gelbschwarz gebändertes Insekt aufkreuzt, das scheinbar entschlossen auf einen zufliegt, dann werden manche Menschen ganz schön nervös. Die vermeintliche Wespe erweist sich beim genaueren Betrachten aber als äusserst rasanter, harmloser Flieger. Mit blitzschnellen Wendungen weicht das Insekt einer Abwehrbewegung des Menschen aus, um dann wieder einige Zeit an Ort und Stelle zu schweben und die Umgebung aus grossen Augen zu prüfen.
Die Grosse Sumpfschwebfliege ist völlig harmlos und trägt wie einige andere Artgenossinnen lediglich eine Warntracht, die an die wehrhaften Wespen erinnert. Sie ist eine Flugkünstlerin, die mit gut 300 Flügelschlägen pro Sekunde die wendigsten Flugbewegungen zustande bringt und auch flink rückwärts ausweichen kann, wenn sie eine Gefahr wahrnimmt. Demgegenüber wirken die echten Wespen fast schon unbeholfen oder jedenfalls gemächlich, wenn sie auf der Suche nach Nahrung beim Gartentisch angeflogen kommen.
Trotz ihrer Flugkünste sind Schwebfliegen als ausgewachsene Tiere keine Jägerinnen sondern wie die Wildbienen wichtige Pflanzenbestäuberinnen. Die meisten dieser oft sehr farbenprächtigen Fliegen suchen Blüten auf, um sich an Nektar oder Pollen zu verköstigen. Manchmal sieht man sie in Scharen auf Doldenblütlern wie dem Bärenklau saugen. Bei solch «einfachen» Blüten, die den Nektar recht offen anbieten, gelangen die Fliegen mit ihrem kurzen Tupfrüssel gut an die Nahrung. Die merkwürdige Schnauzenschwebfliege indessen bringt es auch fertig, an den Nektar von tieferen Blütenkelchen zu gelangen. Unter ihrem schnabelartigen Fortsatz am Kopf trägt sie einen ausklappbaren Rüssel, den sie bis eineinhalb Zentimeter weit ausstrecken kann.
Dass viele Arten der Schwebfliegen mehr oder weniger ausgeprägte Ähnlichkeiten mit Bienen, Hummeln oder Wespen zeigen, ist kein Zufall. Offensichtlich profitieren sie davon, einem stachelbewehrten Insekt zu gleichen, da sie so von manchen hungrigen Beutegreifern gemieden werden. Es gibt sogar eine Hornissenschwebfliege, die unserer einheimischen Hornisse ähnelt. Die täuschend hummelähnliche, bepelzte Hummel-Waldschwebfliege wiederum imitiert gleich verschiedene Hummeln. Sie kommt in drei entsprechend unterschiedlichen Farbvarianten vor.
Grosse Augen wie Fliegen
Bei genauem Hinsehen verraten sich Schwebfliegen noch durch ihre fliegentypischen Eigenschaften. Sie tragen nur ein Flügelpaar und ihre Fühler beschränken sich auf kurze Fortsätze am Kopf. Die Augen der rasanten Flieger sind dagegen merklich grösser als die von Hummeln oder Wespen. Bei den Männchen vieler Schwebfliegenarten sind die Augen so riesig, dass sie an der Stirn zusammentreffen (Schwebfliegen mit solch riesigen Augen sind also immer als Männchen erkennbar). Die Männchen dieser Arten brauchen offenbar besonders gute Augen, um Weibchen im Flug anzuvisieren und sich ihnen zur Paarung flink zu nähern.
So ähnlich die meisten Arten der Schwebfliegen als Blütenbesucherinnen leben, so verschiedenartig sind die Lebensweisen und ökologischen Rollen ihrer Larven. Als Rattenschwanzlarven bekannt sind etwa die Larven mancher Schwebfliegen wie der Mistbiene, die sich in Tierställen oft stark vermehren kann. Der lange, dünne «Rattenschwanz» dieser Larven ist in Wahrheit ein weit ausstülpbares Atemrohr.
Während sie durch diesen langen «Schnorchel» Sauerstoff aus der Luft beziehen, können Rattenschwanzlarven in schlammigen Pfützen, seichten Tümpeln mit verrottendem Pflanzenmaterial oder gar in Gülle leben. So behaupten sie sich in einem nährstoffreichen Milieu mit starker mikrobieller Aktivität. Manchmal sieht man im Randbereich eines Tümpels die dünnen Atemrohre dieser Tiere im Wasser, während die Larve im Schlamm des Gewässerbodens verborgen sitzt und sich durch das tote organische Material frisst.
Neben solchen Abfallverwertern gibt es Pflanzenfresser wie die Larven der Bärlauch-Erzschwebfliege, die in den Blättern des Bärlauchs minieren und Gänge graben. Andere wachsen in feuchtem, moderndem Totholz heran und wieder andere als Resteverwerter (manche auch als Räuber der Brut) in Hummel- oder Wespennestern. Spezialisierte Räuber gibt es ebenfalls, denn etliche Arten von Schwebfliegenlarven sind als eifrige Blattlausjäger bekannt. Diese ungewöhnlich intensiv gefärbten Fliegenlarven, die von der Form her an eine Art Egel erinnern, sind blind und vornehmlich nachts auf ihrer langsamen Beutepirsch unterwegs.
Mit dem breiteren Hinterkörper halten sie sich an der Unterlage fest, während der zugespitzte Vorderkörper nach Läusen tastet. Trifft sie auf eine Laus, kann die sonst eher träge Larve mit ihrem harpunenartigen Mundwerkzeug blitzschnell zuschlagen. So frisst sie sich durch eine Blattlauskolonie, saugt eine um die andere Laus aus und dezimiert die Pflanzensauger erheblich, während sie heranwächst. Die Schwebfliegenweibchen legen jeweils einzelne Eier in der Nähe einer Läusekolonie ab, sodass die wenig mobilen Nachkommen genug Nahrung finden. Zu den bekanntesten Blattlausjägern zählen die Larven der Hainschwebfliege, einer der häufigsten Arten in Mitteleuropa.
Etwas vom Faszinierendsten sind fliegende Insekten, die sich wie Zugvögel alljährlich auf Wanderschaft in mildere Klimagebiete begeben. Zu solch rekordweiten Flügen brechen neben manchen Schmetterlingen und Libellen auch viele Arten der Schweb- fliegen auf. Mit Radargeräten fanden Biologen heraus, dass gut vier Milliarden Hain- und Feldschwebfliegen jeden Frühling über den Ärmelkanal nach Grossbritannien ziehen. Die letzte Generation des Jahres wandert zum Überwintern wieder nach Europa zurück. Beim Col de Bretolet wurden schon in den 1960er-Jahren Massen von durchziehenden Schwebfliegen erfasst.
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