Hundepicknick 19. Juli 2022
Mehr als zwanzig Jahre lang arbeitete Usch Vollenwyder (70) bei der Zeitlupe. Seit Januar ist sie pensioniert. Jede Woche erzählt sie aus ihrem Alltag im bernischen Gürbetal. Heute: von Hunden über alles.
«Buebeli, chumm zum Mami!» Das «Buebeli» ist ein dicker, alter Entlebucher, das «Mami» seine 73-jährige Besitzerin. Der Hund ignoriert den Befehl seiner Meisterin und bleibt beharrlich neben dem aufgebauten Buffet mit Zopf, Wurst und Käse sitzen. Die anderen Hunde – sechs Labradore und drei Mischlinge – jagen einander nach. Ein uralter kleiner Mops, taub und fast blind, schläft in seinem Wägelchen. Dieses sieht aus wie ein Kinderwagen, ist aber eine Spezialanfertigung extra für Vierbeiner, mit Matratze und Haltevorrichtung. Zwei der Hundebesitzerinnen diskutieren über den Liegeplatz ihres «besten Freundes»: Bei der einen darf er im Bett schlafen, bei der anderen nur manchmal und wenn, dann nur am Fussende.
Handys werden gezückt und Fotos gemacht: Hunde in allen Variationen. Jemand stellt ein Kinderbassin auf. Mit Engelszungen und Hundegudelis werden auch die wasserscheuen Vierbeiner beschworen, sich im Becken abzukühlen. Die Mutigen und die Wasserratten bekommen zur Belohnung Hühnerhälse, Kauröllchen und Knabber-Snacks. Die Stimmen der Hundebesitzerinnen und der wenigen Besitzer säuseln und locken, das Vokabular erinnert an einen Mutmacher-Vormittag in einer Kinderkrippe: «Sooo gut machst du das! Bravo mein Süsser! Siehst du, Wasser ist doch gaaar nicht schlimm!»
Ich tue mich schwer mit dem jährlichen Picknicktag der Hundeschule und dem verzückten Getue um die Vierbeiner. Man kann kaum ein vernünftiges Wort miteinander wechseln, denn die Tiere stehen im Mittelpunkt. Dabei mag ich Hunde. Ich gehe gern ins wöchentliche Training. Das heisst, der Hund geht gern: Er geniesst das Spiel mit seinen Hundekumpels, kriecht durch Tunnels und springt durch Reifen, balanciert über Wippen und schmale Balken. Dank der Hundeschule kann er auf einer Wanderung problemlos ein Gitter überqueren oder ein Hindernis überspringen. Ich mag auch meine Hundegspänli, der kurze Austausch zwischendurch, wenn gelacht wird und Erlebnisse ausgetauscht werden. Oder wenn die Trainerin Tipps zur Hundehaltung gibt.
Doch das tagesfüllende «Projekt Hund» macht mir Mühe. Langsam macht es sich nämlich auch auf dem Land bemerkbar. Unser erster Hund strolchte noch Nacht für Nacht mit seinen Kumpanen durchs Dorf. Beim zweiten fügten wir uns dem Diktat der Robidog-Säcke. Der dritte war in jeder Beziehung ein Familienmitglied, wenn auch nicht im Bett oder am Mittagstisch. Bei unserem vierten Hund, dem jetzigen, besuchten wir sogar eine Welpenspielgruppe. Hin und wieder liess sich auch mein Mann dazu überreden. Ganz wichtig sei das «Schmüselen», meinte die Hunde-Dompteuse: Dazu musste er sich auf den Boden setzen, den jungen Hund in die Arme nehmen und mit ihm schmusen.
Mein Mann schaute fassungslos. Die Hundetrainerin reichte ihm eine Decke. Er könne sich daraufsetzen, meinte sie. Und merkte nicht, dass ihm nicht vor dem Boden, sondern vor Hundehaaren und Schlabberzunge im Gesicht graute.
Auch wir haben in der Hundehaltung Fortschritte gemacht. Ob es allerdings bis zum «Buebeli, chumm zum Mami» reichen wird, wage ich zu bezweifeln.
- Mögen Sie Hunde und wie weit gehen bei Ihnen die Liebe zum Vierbeiner? Berichten Sie uns doch davon. Oder teilen Sie die Kolumne mit anderen. Wir würden uns freuen.
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