Wer in der Schweiz einer Schlange begegnet, wird mit einiger Wahrscheinlichkeit die Ringelnatter vor sich haben. Sie lebt in Feuchtgebieten oder in Gewässernähe und ist an der typischen hellen Nackenzeichnung meist gut zu erkennen.
Text: Esther Wullschleger Schättin
Wer das Glück hat, einer der scheuen Schlangen zu begegnen, bevor sie flink im Gebüsch oder im Gewässer verschwindet, mag vielleicht die markante Kopfzeichnung des Tieres in Erinnerung haben. Zwei gelblich-weisse «Mondflecken» bilden im typischen Fall eine Art Halbring um den Hals der Ringelnatter, was ihr auch den Namen gab.
Sie kommt im Umfeld von Gewässern noch relativ verbreitet vor und wird zudem recht gross, sodass sie von allen einheimischen Schlangen wohl am meisten gesehen wird. Ringelnatter-Weibchen können fast eineinhalb Meter lang werden, die Männchen bleiben mit höchstens 95 Zentimetern deutlich kleiner. Dabei können sie ganz unterschiedlich gefärbt sein: Es kommen hell- bis dunkelgraue, braune oder gar gänzlich schwarze Tiere vor, bei welchen dann die hellen Nackenflecken fehlen.
Schwimmtüchtige Jägerin
Wenn das Wetter kühl ist, sind Schlangen am ehesten an einer exponierten Stelle in der Landschaft zu sehen, wo sie sich an der Sonne aufwärmen. Als wechselwarme Tiere sind sie auf die Umgebungswärme angewiesen und müssen bei kühlen Bedingungen «Wärme tanken», um aktiv bleiben zu können. Bei genügend warmem, sonnigem Wetter indes verziehen sich die Ringelnattern wie andere Schlangen lieber in Deckung, um möglichen Beutegreifern nicht aufzufallen.
Die Ringelnatter ist eine schwimmtüchtige Jägerin, die vor allem Amphibien wie Frösche, Kröten und Molche überwältigt, seltener auch Fische. Sie gehört zum Verwandtschaftskreis der europäischen Wassernattern, wie auch die Würfelnatter, eine ebenfalls einheimische Art. Letztere ist noch stärker auf ein Leben am Wasser spezialisiert, kann über längere Zeit tauchen und stellt unter dem Wasserspiegel mit grossem Geschick Fischen nach oder lauert diesen zwischen den Steinen auf dem Gewässergrund auf.
Weltweit sind viele Reptilien bedroht
Schlangen und andere Reptilien sind meist wenig bekannt und gehören im Allgemeinen nicht zu den beliebtesten Tieren. So laufen sie auch Gefahr, vernachlässigt zu werden, wenn es um den Schutz gefährdeter Arten geht. Dabei sind weltweit rund ein Fünftel aller Reptilien bedroht, wie die Weltnaturschutzorganisation IUCN berichtete. Die meisten seien durch den Verlust ihrer Lebensräume gefährdet, etwa durch Abholzung oder Überbauungen. Manche werden übermässig bejagt, illegal für die Heimtierhaltung gesammelt oder, wie Krokodile und Giftschlangen, wegen Konflikten mit dem Menschen dezimiert.
Ringelnattern verschlingen die weitgehend wehrlosen Amphibien, ohne sie vorher in schlangentypischer Weise durch Umschlingen zu erdrücken oder mit Gift zu töten. Die kleine Schlingnatter hingegen, welche in trockenen, eher steinigen Lebensräumen nach Eidechsen jagt, umschlingt und erdrückt ihre agile Beute, ähnlich wie man es von grossen tropischen «Würgeschlangen» kennt.
Durch den Rückgang von Feuchtgebieten und naturnahen Gewässerufern hat auch die Ringelnatter viel an Lebensraum verloren. Es kann gelegentlich vorkommen, dass sich eine dieser Wassernattern bei einem Gartenteich einfindet, was nicht allen Gartenbesitzern gefällt. Naturfreunde sollten sich aber über den seltenen Gast freuen, zeigt er doch die hohe Qualität des Lebensraumes an. Die Ringelnatter wird mit einiger Wahrscheinlichkeit bald weiterziehen, denn sie lebt wenig standorttreu und vagabundiert umher.
Wie die meisten heimischen Schlangen ist sie nicht giftig. Sie kann sich gegenüber Angreifern wie Reihern, Greifvögeln, Füchsen oder Mardern kaum verteidigen und ergreift daher möglichst die Flucht. Wenn sie sehr bedrängt wird, kann sie zur Abwehr eine übelriechende Flüssigkeit verspritzen, zischt bedrohlich und behilft sich mit Scheinbissen. Oder sie stellt sich tot.
Zwei Arten von Ringelnattern in der Schweiz
Ringelnattern sind eierlegende Schlangen. Die tragenden Weibchen suchen zur Eiablage Bodenstellen mit feuchtwarmem Mikroklima, wo sich die länglichen Eier gut entwickeln können. Diese weisen eine pergamentartig weiche Schale auf, die dem Embryo wenig Schutz bietet. Ein Weibchen legt etwa 10 bis 30 Eier, vorzugsweise in vermoderndem Pflanzenmaterial wie Schilfresten oder auch in Komposthaufen, wo durch die Verrottung genügend Wärme entsteht. Die Eier und die sich entwickelnden Jungschlangen bleiben dann sich selbst überlassen. Gute Eiablageplätze sind meist selten, und manchmal legen mehrere Weibchen an einer geeigneten Stelle, sodass Massenansammlungen mit Hunderten von Eiern entstehen können.
Genau genommen leben zwei Arten von Ringelnattern in der Schweiz, die sich genetisch und äusserlich klar voneinander unterscheiden. Die Barrenringelnatter ist fast in der ganzen Schweiz verbreitet, während die Nördliche Ringelnatter ganz im Nordosten des Landes, in Schaffhausen, im Zürcher Oberland und in der nördlichsten Ostschweiz vorkommt. Die Barrenringelnatter ist die westlichere Form und lebt im Ganzen von den Pyrenäen bis zum westlichen Deutschland sowie in Italien und England.
Die Nördliche Ringelnatter ist von Deutschland her ostwärts bis nach Zentralasien verbreitet, wobei sie nordwärts bis zu skandinavischem Gebiet vorkommt. Damit ist sie die nördlichste eierlegende Schlange der Welt. Was sie vermutlich durch die Nutzung von Kompost- oder Misthaufen im Kulturland schafft. Die meisten Reptilien in kalten Klimazonen sind lebendgebärend und somit nicht auf warme Eiablageplätze angewiesen.
Weitere Infos zu Schlangen und anderen Reptilien: www.karch.ch
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