Das blaue Wunder Wandertage geniessen in Südfrankreich
Nizza, Cannes und St. Tropez sind bekannt für ihren Chic. Doch der Süden Frankreichs hat weit mehr zu bieten. Die Küsten und Gebirge des Hinterlandes sind atemberaubend schön – und ein prima Wandergebiet.
Text: Roland Grüter
Wahrscheinlich hat der Küstenstreifen an einem Tag wie diesem zu seinem Namen gefunden. Über uns scheint die Sonne, Himmel und Meer fliessen am Horizont ineinander, vereint in endlosem Blau. An rund 300 Tagen des Jahres scheint zwischen Monaco und Marseille die Sonne – und selbst im Winter fällt das Thermometer selten unter 20 Grad Celsisus. Daran fand 1887 der französische Schriftsteller Stéphen Liégeard dermassen Gefallen, dass er darüber ein Buch schrieb. Er nannte es «La Côte d’Azur» und gab damit diesem Landstrich seinen Namen. Noch immer schwingt darin Verheissung auf Strand, Meer und strahlendes Azurblau mit.
Wie prickelnd diese Mélange ist, erfahren Sie auf unserer Leserreise (Programm verlinken!!!!). In Wanderschuhen und auf leicht begehbaren Wegen tauchen Sie ein paar Tage ein in jenes «blaue Wunder», das nur im Süden Frankreichs wirkt. Generäle und Zarinnen, Dichterinnen und Tänzer, Hollywoodstars und Staatspräsidenten liessen sich davon begeistern. «Als ich begriff, dass ich jeden Morgen aufs Neue dieses Licht sehen würde, konnte ich mein Glück nicht fassen», schrieb beispielsweise Maler Henri Matisse, der 1917 nach Nizza zog. Auch Pablo Picasso und Jean Cocteau verfielen diesem Zauber. Sie haben dem Töpferdorf Vallauris oder der Stadt Fréju ein reiches Erbe hinterlassen.
Das milde Klima und die Nonchalence dieses Küstenstreifens faszinieren die Menschen des Nordens nun schon seit fast 200 Jahren. Was weniger bekannt ist: An der Côte d’Azur lässt sich auch wunderbar wandern. So beispielsweise am Cap Camarat, das exakt in der Mitte zwischen Toulon und Cannes liegt. Seit gut einer Stunde sind wir auf dem Wanderweg unterwegs. Unsere Strecke führt direkt am Ufer entlang. Sie quert schattige Pinienwäldchen und schlängelt sich durch mächtige Steinbrocken, ganz nahe an der Gischt des Mittelmeers. In der Ferne locken der vier Kilometer lange Sandstrand von Pampelonne und ein erfrischender Drink im Strand-Restaurant. Dort wollen wir uns stärken, bevor wir durch den Hafen von St. Tropez schlendern und die Millionen-Yachten der Superreichen bestaunen. Mit etwas Glück begegnen wir im Hafenbecken Leonardo DiCaprio, Paris Hilton oder anderen Sternen und Sternchen des Jetsets. Also besser kurz durchatmen und den Scheitel gerade ziehen. Sicher ist sicher.
Was die Côte d’Azur auch auszeichnet: An jeder Ecke fliessen Vergangenheit und Gegenwart ineinander. Auf den Strassen der Städte stockt der Verkehr der Moderne, durch die anliegenden Quartiere aber weht der Wind der Historie. Paläste und mächtige Herrschaftshäuser mahnen an jene Zeiten, als das Gebiet noch zu Savoyen gehörte.
Andere Stadthäuser wiederum erinnern an die Gründerjahre des modernen Tourismus, als Mitte des 19. Jahrhunderts kränkelnde Briten im Winter vor Nebel und Niesel in den Süden flüchteten – und in Nizza die Promenade des Anglais anlegten, an der sich noch immer unzählige Hotels säumen. Die Flaniermeile, die einst ausserhalb der Stadt lag, ist längst zum Wahrzeichen von Nizza geworden. In den 1950er- und 1960er-Jahren füllten im dortigen Luxushotel Negresco Brigitte Bardot, Grace Kelly oder Clark Gable ihre Cocktailgläser.
Wer dem trubeligen Stadt- und Strandleben den Rücken kehren will, findet nur wenige Kilometer davon entfernt Stille und Ruhe. Dort fallen die bis 3200 Meter hohen Gebirgszüge der Seealpen und des Esterel-Massivs zur Küste ab. Urplötzlich steht man in unberührten Tälern, folgt dem grünen Gürtel des Flüsschens Brague. Oder man bestaunt auf einer mächtigen Felsnase den Ausblick ins Nirgendwo, so auch oberhalb des Bergdörfchens Utelle. Dieses liegt auf einem Hochplateau und ist von der Küste einzig über ein kleines Strässchen erreichbar. Knapp 150 Menschen leben in diesem abgelegenen Adlerhorst noch. Sie müssen oft genug den lieben Gott anrufen, wollen sie im Bergwinter schadlos ihr hochgelegenes Zuhause erreichen. Damit dieser schützend seine Hand über sie hält, liessen die Bewohnerinnen und Bewohner von Utelle oberhalb des Dorfes eine Kapelle errichten.
Das ockerfarbige Gebetshaus liegt rund 90 Marschminuten vom Dorf entfernt. Wer zu ihm hochsteigt, wird mit einem Panoramablick auf die umliegenden Berglandschaften belohnt. Und fühlt sich dem Himmel buchstäblich ein gutes Stück näher. Auch die Kapelle von Utelle lernen Sie auf der Leserreise kennen. Also unbedingt auch rote Socken in den Koffer packen. Sie sind an der Côte d’Azur genauso gefragt wie ein Badekleid.