«Neugier ist der Motor jeder intelligenten Spezies»
Manche sehen Erich von Däniken als klugen Vordenker, andere als fantasievollen Schwätzer. Seit über 50 Jahren fasziniert oder irritiert er Menschen mit seiner Überzeugung, dass die Welt einst von Ausserirdischen besucht worden ist. Eben hat er sein 47. Buch darüber geschrieben.
Interview: Roland Grüter, Fotos: Pia Neuenschwander
Mitten in Interlaken im Obergeschoss eines Geschäftshauses. Erich von Däniken (89) schluckt im Stehen die letzten Bissen seines Mittagessens herunter, spült kurz die Gabel sauber, dann begrüsst er die Besucher: «Dann kommt halt rein – ihr seid fünf Minuten zu früh.» Er führt Filmerin, Fotografin und den Journalisten in sein Büro. Der Patron setzt sich an den grossen Tisch, lehnt sich im Stuhl zurück, zupft den blauen Blazer zurecht. «Sie können loslegen.»
Eloquent und ohne jegliche Denkpausen beantwortet er eine Stunde lang unsere Fragen. Seine Rhetorik ist berühmt und berüchtigt. Mit Witz, Verstand und ausgeprägtem Hang zu Poltereien verficht er seit 50 Jahren seine Überzeugung, dass die Welt einst Ziel von Ausserirdischen war. 47 Bücher hat er über die vielen Plätze geschrieben, an denen sie ihre Spuren hinterlassen haben sollen. Die Werke wurden in 32 Sprachen übersetzt und gegen 75 Millionen Mal verkauft.
Noch immer füllt Erich von Däniken mit seinen Vorträgen die Säle, hat eine weltweite Fangruppe. Kritiker sehen EvD, so sein Label, stattdessen als Fantasten, ja sogar als Spinner. Das lässt ihn erstaunlich kalt.
Herr von Däniken, 2025 werden Sie 90 Jahre alt und sind noch immer topaktiv. Was treibt Sie an?
Erich von Däniken: Das Leben und mein Interesse daran. Was mir hilft, auf den Beinen zu bleiben? Ich bete.
Zu Gott?
Nein, zum grandiosen Geist der Schöpfung. Wir Menschen haben keine Idee davon, wie das Universum entstand. Die Wissenschaft sagt: Am Anfang war der Urknall, sie kann aber nicht erklären, woher er rührt. Die Religion wiederum sagt: Am Anfang war Gott. Doch auch sie kann nicht beantworten, woher dieser stammen soll. Keiner weiss also, wie alles anfing. Ich selbst glaube fest an den grandiosen Geist der Schöpfung – mit diesem Geist stehe ich jeden Tag im Austausch. Und bitte ihn, dass ich gesund bleibe und es mir gut geht.
Der Geist scheint topfit – ist es der Körper auch?
Erstaunlicherweise, ja. Wobei: Mit seinen 89 Jahren läuft er ungern weit und ist dankbar dafür, wenn nach 300 Metern die erste Sitzbank auf ihn wartet. Sonst ist alles gut, ich bin das ganze Jahr über unterwegs. Einzig auf Exkursionen ins südamerikanische Hochland verzichte ich: Herz und Kopf vertragen die Höhe nicht mehr.
Fühlten Sie sich schon jemals alt?
Nein. Keinen Moment.
Sie mussten für Ihre Ansichten viel Kritik, ja sogar Häme einstecken. Machte Ihnen das nie etwas aus?
Natürlich verletzte mich manches, vor allem in jungen Jahren. Kritik tut weh, vor allem wenn sie unberechtigt ist. Heute lebe ich nach dem Motto: Entweder man kennt mich – der Rest aber kann mich. Darüber hinaus: Ich fand immer Menschen, von denen ich mich verstanden fühlte. Die ähnlich rebellisch sind, ähnliche Ansichten hatten.
Auch innerhalb Ihrer Familie?
Durchaus. Ich bin seit 66 Jahren verheiratet, habe eine Tochter und zwei ältere Schwestern. Wir hatten noch nie ernsthaft Streit. Uns verbinden nicht irgendwelche Ideologien, sondern Toleranz und Offenheit.
In Ihren Büchern stellen Sie auffallend viele Fragen, statt schlüssige Antworten zu liefern. Woher rührt das?
In meinem ersten Buch «Erinnerungen an die Zukunft» sind tatsächlich 238 Fragezeichen enthalten. In meinem Fach liefere ich aber sehr wohl Antworten. Viele Fragen sind längst nicht mehr offen, sie haben sich geklärt – zu meinen Gunsten.
Das ist Ansichtssache: Die Wissenschaft kommt in vielen Punkten zu anderen Ansichten.
Soll sie, ich kann den Besuch von Ausserirdischen an mehreren Punkten beweisen. Nehmen wir beispielsweise Puma Punku, gelegen im Hochland von Bolivien: eine vollständig künstlich angelegte Plattform. Ich war mehrmals dort. Die Archäologie sagt, dass der Ort von den Aymaras, einem indi- genen Volk, geschaffen wurde. Puma Punku aber ist geprägt von Hightech. Vorgefertigte Steinelemente, messerscharfe Rillen, ingenieurmässige Planung. Die Indios hatten gar keine Möglichkeiten, diese Einrichtungen zu gestalten. Sie selbst sagen, diese seien von ihren Göttern geschaffen. Wissenschaft- ler können die Entstehung zwar nicht erklären, zweifeln die Theorie der Heimischen aber an. Das ist vermessen.
Welches Erbe hinterlassen Sie der Welt?
Meine Bücher. Sie wurden in 32 Sprachen übersetzt, die Gesamtauflage liegt mittlerweile bei 75 Millionen Exemplaren.
Was sonst?
Ich bin in meinem Fach längst nicht mehr der Einzige, der sich diesem ernsthaft widmet. Es gibt mittlerweile viele brillante Menschen, die meine Theorien weiterverfolgen und verfeinern, auch in der Wissenschaft. Das ist beeindruckend.
«In meinem Fach liefere ich sehr wohl Antworten. Viele Fragen sind längst nicht mehr offen, sie haben sich geklärt – zu meinen Gunsten.»
Wer vordenkt, öffnet anderen neue Welten. Gilt das auch für Sie?
Durchaus. Ich zähle mich zu diesen Pionieren. Schauen Sie zurück in die Geschichte. Es gab immer Frauen und Männer, die ihre Lanzen für etwas Neues brechen mussten. Ohne sie gäbe es keinen Fortschritt.
Wie wichtig ist dabei Neugier?
Sehr wichtig. Neugier ist der Motor für jede intelligente Spezies. Sie ist die Bombe in all unseren Gehirnen und zwingt Gesellschaften früher und später auch dazu, über die Welt hinauszuschauen. Wir sind dazu gezwungen, die vielen Fragen, die sich im Funkeln der Sterne stellen, zu erforschen. Wir haben keine andere Wahl.
In einer aktuellen Umfrage in Deutschland sagen 85 Prozent der Befragten, dass sie an ausserirdisches Leben glauben. Erstaunt Sie das?
Kein bisschen. Der Zeitgeist nähert sich meinem Wissen immer mehr an. In den 1970ern zweifelten selbst kluge, integre und geistreiche Astronomen meinen Verstand an und dachten: Was erzählt der Mann bloss für einen Stuss? Sie wälzten meine Theorien mit allerlei wissenschaftlichen Argumenten nieder. In der Zwischenzeit hat sich der Zeitgeist geändert: Inzwischen wissen wir, wie sich riesige Distanzen überwinden lassen. Wir wissen, dass es extraterrestrisches Leben geben könnte. Was einst als spinnert gesehen wurde, scheint heute vielen möglich.
Sie waren Opfer des Zeitgeistes?
Durchaus. Ich bin lange und intensiv der Frage nachgegangen: Was macht die jeweils vorherrschende Vernunft mit uns? Der Zeitgeist lässt Männer und Frauen seit jeher leiden, die der Zeit voraus sind und andere Werte verfechten. Das weiss ich aus Erfahrung.
Sie beschäftigen sich seit jeher mit grossen Themen, blicken hinaus in den Kosmos. Wie stark interessiert Sie die Welt und was die Menschen aktuell umtreibt?
Sehr. Ich lese noch immer täglich die «New York Times», die «Frankfurter Allgemeine», die NZZ, den «Blick» und darüber hinaus «Die Zeit». Aber politisch bin ich kaum aktiv.
Wenn Sie auf die Welt schauen: Was bereitet Ihnen besonders Sorge?
Der Mensch ist seit jeher ein grosser Egoist, ein unverbesserlicher Besserwisser. Dieser Anspruch, immer Recht zu haben, prägt das Verständnis von Nationen, unseren Umgang mit territorialen Ansprüchen. Immer nur wir! Wohin das führen kann, zeigt aktuell der Krieg in der Ukraine. Er basiert auf ebendieser Rechthaberei. Wir lernen nichts dazu. Dabei würden wir uns besser mehr ums Menschsein kümmern. Wer sind wir, welche Rolle ist uns im Universum zugedacht?
Sie sagen, dass alle die Wahrheit für sich in Anspruch nehmen. Gehören Sie nicht auch dazu?
Klar, jede und jeder ist von Dingen überzeugt. In meinem Fach weiss ich mittlerweile vieles, bin nun mal verdammt gut – in vielem anderen aber eine Niete. Was mich aber auszeichnet: Ich habe mich immer für Andersdenkende interessiert, den Kontakt mit ihnen oft sogar aktiv gesucht. Auch wenn wir anderer Meinung waren: Durch Gespräche, werden sie offen und ehrlich geführt, lerne ich immer dazu.
Können Sie Fehler gut eingestehen?
Logisch stehe ich zu meinen Fehlern. Ein Beispiel: Vor vielen, vielen Jahren besuchte ich einen Tempel in der indischen Hauptstadt Delhi. Im Hof stand eine Säule aus Metall. Die Priester erzählten mir, die Säule gäbe es seit Urzeiten, ohne dass sie roste. Deshalb spekulierte ich in einem meiner Bücher, ob es sich allenfalls um eine ausserirdische Legierung handle, dass uns irgendwer mit der Säule ein Denkmal hinterlassen hat. Inzwischen rostet das Miststück, meine Folgerungen sind also hinfällig. Soll ich da rumschwurbeln und die Sache verbiegen? Nein. Zu Fehlern muss man stehen, das lehrt einen spätestens das Alter.
Weshalb insbesondere im Alter?
Als junger Mensch ist man begeisterungsfähig, widersetzt sich oft jeglicher Kritik. Man springt allem auf, was die eigene Theorie bekräftigt, seiner Meinung dienlich ist. Das ist normal. Im Alter aber bleibt einem mehr Zeit, zu überlegen. Stimmt das, was ich da gerade verfechte, gibt es Aspekte, die ich allenfalls übersehe? Alter macht nicht zwingend klüger, aber vernünftiger.
«Im Alter aber bleibt einem mehr Zeit, zu überlegen. Stimmt das, was ich da gerade verfechte? Alter macht nicht zwingend klüger, aber vernünftiger.»
Macht Sie das Alter auch geduldiger?
Mich nicht.
Sie sind ein impulsiver, manchmal auch ein aufbrausender Mensch. Woher rührt das?
Keine Ahnung. So bin ich halt, das war schon immer so. Ich war schon in jungen Jahren ein Rabauz.
Ihr Vater wollte Ihnen den Eigensinn austreiben – und schickte Sie deshalb in eine Jesuitenschule, offenbar ohne Erfolg. Woran ist er gescheitert?
Mein Vater war ein hochintelligenter, liebenswürdiger Mann, aber ein tiefgläubiger Katholik. Mir aber leuchtete die Logik nicht ein: ein Gott, der seinen Sohn opfert, damit er den Menschen Liebe, Sanftmut und Herrlichkeit predigen kann, wie wir vernünftig miteinander leben. Doch die Menschen verstehen ihn nicht, nehmen ihn gefangen und quälen und ermorden ihn bestialisch. Und als Dank für die Gräueltat vergibt Gott den Menschen und ist versöhnt: Was ist denn das für eine Logik?
Hat Sie diese, wie Sie es nennen, Perversion zum Weiterdenken angehalten?
Ja, klar. Wenn etwas nicht stimmen kann, überlegt sich wohl jeder vernünftige Mensch: Wenn nicht das, was sonst? In der Folge wandte ich mich immer mehr vom Katholizismus ab. Ich bin zwar ein tiefgläubiger Mensch, aber längst kein Christ mehr. Trotzdem blieb die Frage stehen: Wenn nicht Gott, was oder wer stand am Anfang? Damals wurde mir erstmals bewusst, es muss etwas Grosses geben.
Sie veröffentlichten vergangenes Jahr das 47. Buch: «Sie waren doch da». Worum handelt es sich?
Das Buch beginnt mit folgenden Sätzen: Jede Kultur hat einen Kalender, und der Startschuss ist etwas Wichtiges: für Christen genauso wie für Moslems. Auch die Maya in Zentralamerika kennen einen höchst präzisen Kalender. Er beginnt am 11. August 3114 v. Chr. Warum? An diesem Tag stiegen die Götter von der Strasse der Sterne hernieder. Solchen Phänomenen gehe ich im Buch nach, erkläre die Zusammenhänge.
Nun arbeiten Sie bereits am Nachfolgewerk: «Notizen aus meinem Leben». Was hat Sie das Leben gelehrt?
Nimm es mit Humor. Viele Dinge lassen sich nun mal nicht ändern, und schon gar nicht auf die Schnelle und von einem kleinen Mann wie mich. Wie gesagt, ich lese – zusammen mit meiner Frau – täglich Zeitungen. Was da geschrieben steht, daran könnte man zerbrechen. Furchtbar. Stattdessen schauen wir uns gegenseitig an und genehmigen uns einen Whiskey.
Letzte Frage: Hätten Sie einen Wunsch frei, wofür würden Sie diesen verwenden?
Ich möchte gerne mit einem Ausserirdischen reden – und diesen nach Gott fragen, wie das Universum entstanden ist. Dann würde ich ihn bitten, vor die UNO zu treten. Damit die Menschen sehen, dass sie nicht an der Spitze der Krönung stehen. Dass sie bloss ein winziges Steinchen im grandiosen Schöpfungsuniversum sind. Etwas Selbstbescheidenheit würde uns gut anstehen. Kriege würden enden, wir fänden einen besseren Umgang miteinander.