Heinz Spoerli hat sich weltweit einen Ruf als ausgezeichneter Ballettchoreograf erarbeitet. Auch mit 80 Jahren gibt ihm die Bühne ein Gefühl, das der Basler nicht missen will.
Text: Fabian Rottmeier
In Coronazeiten muss sich auch ein Meister am Kleinen erfreuen. Heinz Spoerlis einzige Choreografie in letzter Zeit war die Sitzordnung an seinem Geburtstagsfest. Der Basler wurde im Juli 80 und lud 60 Gäste in ein Restaurant ein. Der richtige Platz ist nicht nur auf der Bühne, sondern auch an der Tafel erwünscht.
Beim Treffen wirkt der ehemalige Balletttänzer und renommierte Choreograf entspannt, gesund und jung geblieben. Er habe soeben eine «Detox-Woche» in Weggis verbracht, sagt er. Er ist über 20 Kilogramm leichter als 2012, als seine Ära am Zürcher Opernhaus nach 16 Jahren zu Ende ging. Doch wer denkt, Heinz Spoerli komme ohne Bühnen aus, der irrt. Er ist freischaffend und hat eine Reise nach Berlin in Aussicht, wo Ende August eines seiner Stücke aufgeführt wurde. Und im vergangenen Mai wäre an der berühmten Mailänder Scala eine Choreografie zu Beethoven zu sehen gewesen. Stattdessen hiess es im Februar: abbrechen. Corona statt Prometheus.
Einst hatte er sieben Assistenten
Zurück in Zürich, habe er zu Beginn des Lockdowns immer wieder am Stück gearbeitet, um den Faden nicht zu verlieren: Musik hören, Proben-Videos anschauen, Korrekturen notieren. Doch dann zwang ihn die Pandemie zu einer Ruhe, die er in seiner Zürcher Wohnung mit Sicht auf den See und die Berge auch genossen hat. Er ist längst froh, nicht mehr dauernd für 50 Ballettprofis verantwortlich zu sein. In den Sechzigern, bei seiner ersten Station im Ausland als Ballettdirektor, hatte er sogar eine 70-köpfige Kompanie – und sieben Assistenten. «Jedes Mal, wenn ich aufgestanden bin, sind sie mir gefolgt», sagt er, «dabei wollte ich doch meist nur alleine mit einem Tänzer reden.» Tanzen ist für Spoerli immer auch ein fortwährender Dialog – «bis am Ende niemand mehr weiss, was im Stück von mir ist und was von den Tänzern».
Am Ursprung seiner Karriere stehen die Besuche als Kind im Basler Theater Küchlin, wo sein Vater ehrenamtlich als Bühnenmeister tätig war. Heinz Spoerli und seine drei Geschwister durften oft mit. «Dort habe ich mitbekommen, wie viel Kraft von einer Bühne ausgehen kann.» Einmal durfte er sogar Startänzerin Josephine Baker einen Strauss überreichen – und erhielt von ihr ein Küsschen.
Statt Ruhm wartete jedoch vorerst eine Verkäuferlehre bei der Migros auf ihn. Er brach sie ab, klopfte stattdessen morgens für Privatleute deren Teppiche und begann, Ballettunterricht zu nehmen. Das Gefühl, dank Training auch Körperbewegungen zu schaffen, die er nie für möglich hielt, hat ihn begeistert. Eine Statistenrolle beim Basler Ballettmeister Waclaw Orlikowsky sollte weitere Türen aufstossen. Es folgten Stationen als Tänzer in Köln, Winnipeg, Montreal und Genf, wo er mit 27 Jahren erstmals choreografierte. Heinz Spoerli brachte es sowohl in den Siebzigern in Basel sowie ab 1996 am Zürcher Opernhaus zu weltweitem Erfolg. Er reiste mit seinen Kompanien um den Globus. Die Musik ist für ihn ebenso zentral wie der Tanz und bildet die Basis seiner Choreografien. Für seine letzte Arbeit in Zürich habe er eineinhalb Jahre lang nach dem passenden Bach-Werk gesucht. «Eine Arbeit, die von vielen kaum wahrgenommen wird.» Morgens stelle er immer als Erstes gleich Klassik an, am liebsten Bach.
Härte und Empathie, alles zu seiner Zeit
Präsenz, Distanz, Härte und Empathie sind sein Credo. Der «Tanzmacher», wie er sich selbst bezeichnet, trainiert mit seiner Kompanie kurz, aber intensiv, um das Beste aus jeder und jedem herauszuholen. Überstunden gebe es für seine Ballettgruppe nie, sagt er. Er selbst beschäftigt sich meist bis spät noch mit dem Einsatz des Lichtes. Man müsse aber auch ein Gefühl für die richtige Stimmung innerhalb der Gruppe entwickeln. «Vor einer Premiere gilt es, die Zügel etwas loszulassen – aber ja nicht zu sehr.» Weil er sich immer auch als Mutter und Vater des Ensembles sah, distanzierte er sich bewusst von ihm. Nie schlief er im selben Hotel, wollte nichts wissen von den internen Techtelmechteln und Querelen. Auch privat sei er ohne Beziehung ganz glücklich. Er sei gerne alleine.
Heinz Spoerli sagt, die tägliche Arbeit habe ihn erfüllt, nicht primär die Aufführungen. «Und doch: Wenn sich in den letzten Tagen vor der Premiere alles zusammenfügt, Musik, Tanz, Licht und die harte Arbeit, so ist das ein sehr schönes Gefühl.» Eines, das er auch mit 80 nicht ganz missen und jungen Talenten ermöglichen will. Vor 20 Jahren hat er deshalb in Basel eine Stiftung «zur Erhaltung der Kunstform des Tanzes» gegründet. ❋
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