Dagmar Vergeat und ihr Mann Matthias haben vor 25 Jahren in Basels Altstadt ihre Haustür zum kleinsten Museum der Schweiz gemacht: dem Hoosesagg-Museum. Skurriles ist Trumpf.
Text: Fabian Rottmeier
Das coronatauglichste Museum der Schweiz steht in Basel. Es ist immer geöffnet, gratis an der frischen Luft zu bestaunen und besteht aus einem 70 mal 70 Zentimeter grossen Holzkasten. Der Mini-Ausstellungsraum ist am Haustür-Guckfenster zu Dagmar und Matthias Vergeats Wohnung befestigt. Darin werden seit 25 Jahren (fast) ausschliesslich gesammelte Objekte präsentiert, die in eine Hosentasche passen. Das Hoosesagg-Museum im putzigen und äusserst schmalen Imbergässli (das Ingwergässchen), mitten in Basels Altstadt, ist ein Hingucker.
Ohne Corona flanieren hier in den Sommermonaten täglich zehn Stadtführungen vorbei. Dagmar Vergeat ist manchmal froh, kann sie ihre Wohnung auch durch den Innenhof verlassen. Die Ironie: Sie (64) und ihr Mann Matthias (60) hatten ihr Haustürfenster einst mit einem Holzkasten verriegelt, weil ihnen in den 90er-Jahren die Blicke der Passanten lästig wurden. Das rund 700 Jahre alte Haus «Zum grossen Christoffel» war schon damals bekannt, soll doch hier einst die erste Hebamme Basels gelebt haben. Zu Beginn wollte das Ehepaar im Kasten Dinge verkaufen – was kaum gelang. Schliesslich entstand die Idee, ihr Guckfenster in ein Museum umzufunktionieren. Das Ganze begann 1995 mit einer einfachen Setzkasten-ähnlichen Präsentation von Schnapsfläschchen («Wir hatten noch nichts anderes!»). Mittlerweile sind aufwendige Kunstwerke zu sehen, die dank Motörchen animiert werden. Die Detailliebe und Ideenvielfalt sind erstaunlich.
Alles wird befestigt
Die ausgestellten Privatsammlungen stammen aus der ganzen Schweiz. Dagmar und Matthias Vergeat setzen sie in Szene. «Der Aufwand, den mein Mann betreibt, ist enorm», sagt die passionierte Sammlerin von Figuren, die sie zum Schmunzeln bringen. Schliesslich müsse im Fensterkasten der oft benutzten Türe alles immer auch befestigt werden.
Pro Jahr gibt es bis zu acht Ausstellungen. Derzeit drehen im Fensterchen ununterbrochen Dutzende Würfel auf angetriebenen Scheiben ihre Runden. Zu Weihnachten bevölkern jeweils Vergeats Mäusefigürchen das Museum, und im vergangenen Herbst durften die Schaulustigen per Knopfdruck alte Zugbillette vor ihrer Nase kreisen lassen. Die Palette der bisherigen Präsentationen ist vielfältig: Zahnbürsten, daumengrosse Bücher, Pokémonfiguren, Schneekugeln, Eiffeltürme, Fiat Cinquecenti, die Beatles oder Parfümfläschchen. Auch das Januarloch wurde im Hoosesagg-Museum schon gestopft – oder ein Königsfiguren-Casting inszeniert.
Die dreifache Mutter und Grossmutter mochte schon immer Skurriles und Witziges – und hat ein Flair für gute Ideen: Dinge, die sie nicht mehr benötigt, verkauft sie auf ihrem Fenstersims in «Basels erstem Selbstbedienungs-Floomi» – als Kasse dient der Briefkasten. An der Fussball-EM 2008 stand im Museumsfenster ein Fernseher und übertrug die Spiele in «Basels glainschti Fäänzoone». Zu Weihnachten stellen die Vergeats einen 4,5 Meter hohen «und blutten» Christbaum vor ihre Tür und laden alle dazu ein, ihn zu schmücken.
Der verrückte Plattenspieler
Ins Kinderzimmer neben der Eingangstür hat die Büroangestellte seit dem Auszug der ältesten Tochter Hunderte von Figuren, Spielsachen und alte Gegenständen gestellt. Es ist ein bunt gefüllter, bedacht überladener Raum geworden, den sie hie und da auch für Apéros vermietet. Sie kramt eine Schallplatte und eines ihrer Lieblingsobjekte hervor: ein vermeintlicher Spielzeug-VW-Bus aus den 60ern. Er entpuppt sich als Plattenspieler mit integriertem Lautsprecher. Dank einer Nadel an der Busunterseite umrundet er die LP beim Abspielen. Herrlich!
Ihr Museum hat sich nicht nur eine grosse Fangemeinde erarbeitet, sondern brachte es bereits ins japanische Fernsehen und zu einem Eintrag im Dumont-Reiseführer «Schräge Museen». Für die Zukunft wünscht sie sich, dass Gegenstände wieder eine längere Lebensdauer erhalten. Dazu gehört auch das Weitergeben, das ihr im Alter viel leichter falle als früher. «Ich bin recht grosszügig geworden.» ❋
«Hoosesagg-Museum», Imbergässlein 31, 4051 Basel. Infos und Fotogalerie: hoosesaggmuseum.ch, Telefon 061 261 00 11
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