Seine Plakate prägen das Bild des Jazz: Niklaus Troxler, Künstler mit Urvertrauen und Innovationsgeist, erzählt von seinem kreativen Weg, seiner Faszination für Free Jazz und der Angst vor dem, was er kann.
Text und Fotos: Jessica Prinz
«Mein grösster Reiz ist ein weisses Blatt Papier», sagt Niklaus Troxler. «Es ist für mich das beste Gefühl, ganz von vorne zu beginnen. Alles zu vergessen, was ich je geschaffen habe, und so zu tun, als ob ich noch nie etwas gemacht hätte.» Troxler ist einer der bekanntesten Schweizer Grafiker. Seine Plakate, insbesondere jene für Jazzkonzerte, sind legendär und finden international Beachtung. «Der erste Strich ist der Anfang eines Prozesses. Aus Erfahrung weiss ich, dass immer etwas daraus entsteht.»
«Es ist für mich das beste Gefühl, ganz von vorne zu beginnen.»
Als 19-Jähriger organisierte er, der als Kind Autos in Fantasieformen gezeichnet hatte und Karosserie-Designer werden wollte, sein erstes Jazzkonzert. Er, der besser darin war, Musik zu hören, als sie selbst zu machen, und dennoch bis vor Kurzem in der örtlichen Guggenmusik mitspielte. Der Saal des Hotels Kreuz in Willisau war am ersten von ihm organisierten Konzert proppenvoll: 300 Leute kamen. «Das war Easy Listening Jazz, also keine Herausforderung», spielt der Luzerner Hinterländer die eigene Leistung herunter. «Aber die Organisation dahinter machte mir Spass.» Wenige Monate später folgte ein weiteres Konzert, danach noch eines. «Damals lebten noch ein paar klassische, authentische Bluesmusiker in Europa. Ich holte sie alle irgendwann nach Willisau – sie füllten die Konzertsäle ohne Probleme.»
Fasziniert von der «freien» Musik
Damals begann sich der heute 77-Jährige für Free Jazz zu interessieren. «Die Spontanität, die Leidenschaft, das totale Eingehen auf die Improvisation … Ich wusste fachlich nicht viel von dieser Musik, aber emotional hat sie mich gepackt.» Er habe zur damaligen Zeit gepasst, erinnert er sich. Auf- und Umbruch hätten in der Luft gelegen, das Leben war exzessiv und ebenso war es der Jazz. Er widerspiegelte einen Grundsatz von Troxler: auf die Intuition vertrauen – nicht nur darauf hören. Natürlich seien Leute aus dem Saal gelaufen, als er Musiker des Free Jazz einlud. «Ich sagte mir dennoch: Das muss jetzt einfach sein! Derart fasziniert war ich von dieser freien Musik», erzählt Troxler lachend.
Finanziell war es hart – mehr als einmal war er froh, wenn ihm eine Privatperson mit einem Batzen aushalf. Langsam wich das lokale Publikum einem breiteren, das von weit her – aus dem Welschen oder gar dem Ausland – anreiste, um sich Troxlers Jazzreihe anzuhören. Damals sei es aussergewöhnlich gewesen, dass es regelmässig aktuellen Jazz zu hören gab. Die Grundlage für das Jazz Festival Willisau war geschaffen. 1975 fand es zum ersten Mal statt. Eine einmalige Sache, war Troxler überzeugt. Der Anklang bei den Besucherinnen und Besuchern liess anderes vermuten: 2025 feiert das renommierte Festival sein 50-jähriges Bestehen.
«Meine grösste Angst ist die Routine»
Beinahe sein ganzes Leben lang gestaltete der dreifache Vater Plakate – für sein Festival und generell für eine sich stetig wandelnde Kunst. Dank des Jazz, sagt er, habe er sich immer auf etwas Neues einstellen können: eine neue Art Musik, neue Bands und Persönlichkeiten und neue künstlerische Stile. «Meine grösste Angst ist die Routine», erzählt Niklaus Troxler. «Ich habe Angst vor dem, was ich kann. Das Geile ist, etwas Neues zu erschaffen. Das war immer ein Antrieb für mich. Und das habe ich bis heute beibehalten.» Klar gebe es Elemente, die sich in seinen Werken wiederholen würden. So etwa die Klebebänder, mit denen er schon vor zwanzig Jahren Plakate gestaltet hatte. Die er aus reinem Zufall wieder entdeckte – weil er eine undichte Waschmaschine reparieren musste und im Baumarkt auf eine Vielzahl von Tapes in allen Farben stiess.
Unlängst hat er damit begonnen, mit Musikern und Musikerinnen gemeinsam zu improvisieren. Er klebt, sie spielen, beide Parteien inspirieren sich gegenseitig: Mal erzeugt ein Kontrabassist eigensinnige Klänge, indem er ein Stück Tape über seine Saiten klebt und es wieder abzieht, mal gibt Troxler mit dem Abreissen des bunten Klebestreifens den Takt vor.
Heute sind seine Plakate nicht nur ein visueller Genuss, sondern auch historische Dokumente der Jazzgeschichte. Einige davon hängen sogar im Museum of Modern Art in New York, zusammen mit anderen Werken, die zu den bedeutendsten der zeitgenössischen Kunst zählen. Der internationale Erfolg ehrt ihn, ist aber nebensächlich. Denn zumindest eines bleibt bei Troxler gleich: Er entwirft Plakate für die Strasse.
Zur Person
Niklaus Troxler ist einer der bekanntesten Schweizer Grafikdesigner und Plakatkünstler. Geboren 1947 in Willisau, begann er schon als 19-Jähriger regelmässig Jazzkonzerte zu organisieren, später gründete er das renommierte Willisau Jazz Festival. Seine Leidenschaft für Grafik führte ihn von Willisau um die ganze Welt. Er lebte und arbeitete in Paris, dozierte in Stuttgart, wirkte in China und den USA, in Südamerika und Russland. Seine Werke sind international bekannt und werden allseits bewundert. Mit seiner Frau, die er an einem von ihm organisierten Jazzkonzert kennenlernte, lebt er in Willisau und Berlin und denkt mit 77 Jahren noch lange nicht daran, sein Handwerk niederzulegen.
Das Jazz Festival Willisau wurde 1975 zum ersten Mal durchgeführt und bis 2009 von Niklaus Troxler geleitet. Nach 35 Jahren übergab er an die nächste Generation: Sein Neffe Arno Troxler ist seither für die Organisation verantwortlich. 2024 stammt das Plakatdesign aus der digitalen Feder seiner Tochter Annik Troxler. Das Festival findet vom 28. August bis 1. September 2024 zum 48. Mal statt.
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