Schon als kleines Mädchen wollte Lilo Elias-Seiler aus Zürich nur eines: Tanzen! Ihr Beruf war für sie Berufung, Glück und Gratwanderung zugleich.
Tänzerin? Meine Eltern waren entsetzt. Dieser Beruf gehörte sich nicht für eine junge Frau aus gutem Haus. Doch ich hatte tanzen wollen, seit ich denken kann. Beim Tanzen, das spürte ich früh, war ich ganz bei mir und einfach ich selbst.
So tanzte ich heimlich und verliess die Schule für mein erstes Engagement als Elevin am Stadttheater Luzern. In meinem kleinen Kämmerlein lebte ich mehr schlecht als recht von meinem Monatslohn von 75 Franken. Doch meine Hartnäckigkeit liess meine Eltern endlich verstehen, wie ernst es mir mit meinen Plänen war.
Nach dem Krieg wurde mein Traum wahr: An der «Sigurd Leeder School of Dance» in London absolvierte ich eine Ausbildung in Modern Dance. Die Stadt war völlig zerstört und ein Schock für mich als 17-Jährige aus der verschonten Schweiz. Doch ich trainierte mit jungen Menschen aus der ganzen Welt, die ebenso brannten fürs Tanzen wie ich. Das «feu sacré», das in uns allen loderte, liess uns die Strapazen vergessen, die zu diesem Beruf gehören.
Betrachte ich das Foto von mir in jungen Jahren als Seeräuber-Jenny in Brechts «Dreigroschenoper», spüre ich sofort wieder das Fieber jener Zeit, die Spannung und die Faszination der Bühne, die ich bis heute liebe – auch wenn ich mit weit über neunzig längst nur noch in meinen Gedanken und Erinnerungen tanze.
Seit ich im Altersheim wohne, staune ich wieder, wie verschieden die Menschen sind und wie gut so viele ihr Schicksal Tag für Tag meistern. Auch mein Leben ist bis heute geprägt von Herausforderungen, an denen ich immer wieder wachse. Oft denke ich dann an diese wunderbaren Sätze aus Shakespeares «Hamlet», kurz bevor der Vorhang fällt: «The readiness is all. The rest is silence.»
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