Tückische Tuberkulose
Als Kind litt Ursula Riesen aus Köniz an einer seltenen Form von Tuberkulose. Vier Jahre verbrachte die Bernerin in einer Spezialklinik im Waadtland.
Warum mir als kleines Mädchen oft mein rechter Ellbogen wehtat, wussten wir lange nicht. Erst als die Schmerzen auch in der Hüfte begannen und ich eines Tages auf dem Heimweg vom Kindergarten plötzlich keinen Schritt mehr gehen konnte, kam ich ins Spital. Die Diagnose: Tuberkulose im Ellbogen- und im Hüftknochen.
Der Krankenwagen brachte mich in eine Spezialklinik für Kinder in Leysin VD. Im grossen Schlafsaal stand dort Bett an Bett. Die Therapie bestand aus Antibiotikaspritzen und täglichen Sonnenkuren auf dem Balkon. Die ersten Monate waren besonders hart, weil ich nur liegen durfte. Ein Gurt über den Oberkörper verhinderte, dass ich mich aufrichtete.
Meine Mutter konnte die lange Reise von Bern her nur einmal im Monat machen. Anfangs hatte ich furchtbar «Längizyti», bis ich Französisch gelernt und Kameradinnen gefunden hatte. Eine Lehrerin ging mit dem Schulstoff von Bett zu Bett und einmal täglich machten wir Gymnastik im Liegen. Jede Abwechslung war willkommen.
Als es mir besser ging, musste ich ganz langsam wieder stehen und gehen lernen. Bis ich 1960 geheilt nach Hause durfte, vergingen vier Jahre. Erzähle ich heute von jener Zeit, klingt es unglaublich. Doch als Kind gewöhnte ich mich an die Umstände und nahm sie als gegeben hin. Die Jahre in Leysin gehören zu meinem Leben wie andere schwierige Zeiten auch.
Die Tuberkulose kann nicht nur die Lunge, sondern auch Knochen, Nieren und andere Organe befallen. Und ist leider bis heute noch nicht besiegt. Natürlich liess ich meine Kinder impfen, sobald dies möglich war. Mein Ellbogen blieb steif und ich benötigte bereits in jungen Jahren eine Hüftprothese. Diese lang gefürchtete Operation schenkte mir endlich ein schmerzfreies Leben.
Aufgezeichnet von Annegret Honegger
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