Die scharfe Wurzel
Er ist scharf, würzig und in Asiens Küchen ein Muss. Hierzulande ist Rettich eine Randerscheinung. Wenn schon, kennt man ihn aus bayerischen Biergärten als «Radi».
Text: Gaby Labhart
Die würzigsten Rettichwurzeln kann man in diesen Tagen aus dem Boden ziehen und sein eigenes Oktoberfest veranstalten. Die kleinen zarten Rettiche, «Eiszapfen» genannt, eröffnen die Saison bereits ab März. Weisser und rosafarbener Mairettich wird logischerweise im Mai, weisser Sommerrettich wie das «Sommerwunder» im Sommer geerntet. Er ist der bekannteste der Rettiche und kann ausserhalb der Sommermonate nur im Gewächshaus gedeihen. Jetzt aber ist die hohe Zeit für den schwarzen oder violetten Herbst- und Winterrettich, der herzhafter und schärfer schmeckt als die frühreiferen Sorten. Man findet ihn auf Wochenmärkten, und er sollte geschält werden.
Eigentlich stammt der Kreuzblütler aus der Kohlfamilie aus dem Nahen Osten, vielleicht aus Ägypten. Er wurde nachweislich bereits bei den Pharaonen zum Kochen verwendet, vor allem aber als Heilmittel. Über Griechenland fand er seinen Weg nach Italien. Irgendwann im Mittelalter landete er dann ennet der Alpen – bei uns. «Lasst die Nahrung eure Heilmittel sein», riet einst Hippokrates. Nach rund zweieinhalbtausend Jahren ist seine Empfehlung aktuell wie nie. Heute isst man sich schön, schlank, schlau, gesund, ewigjung und was es noch mehr gibt in der trendigen Familie der «Superfoods».
Ein echter Kaminputzer
So gesehen ist es mehr als verwunderlich, dass der Rettich nicht längst wiederentdeckt worden ist. Wenn es stimmen sollte, dass Bier rundlich macht, dann ist Rettich dazu erst recht sinnvoll: Denn man sagt dem Rettich nach, er reinige innerlich die dicken Menschen und vermindere die schädlichen Säfte der Eingeweide. Der Meerrettich seinerseits gilt als reinigend bei Darmpilzen. Doch schadet Rettich, so liest man weiter bei Hildegard von Bingen, einem kranken und ausgetrockneten Menschen.
Ähnlich schreibt Rudolf Fritz Weiss, der als Begründer der wissenschaftlichen Pflanzenheilkunde gilt, in seinem «Lehrbuch der Phytotherapie» und ergänzt: «Das Einsatzgebiet sind chronische Gallenwegsstörungen mit Dyskinesie (Fehlfunktionen) der Gallenwege und eine Neigung zu Verdauungsbeschwerden mit Obstipation. Die günstige Wirkung des Rettichs erfolgt über die Beeinflussung des Darmes und hat eine günstige Wirkung auf Galle und Leber.»
Winterrettichsalat mit Apfel
Glutenfreier, vegetarischer Salat für 4 Personen. Rezept von Daniel Tinembart, Migusto
Zutaten: 1 grüner säuerlicher Apfel; 400 g Winterrettich; 1 weisse Zwiebel; 2 EL Joghurt nature; 3 EL Aceto balsamico bianco; 2 EL Distelöl; Salz; Pfeffer aus der Mühle sowie Sesamsamen nach Belieben.
So geht’s: Kerngehäuse des Apfels ausstechen. Rettich mit einer Bürste gut putzen. Apfel und Rettich samt Schale in feine Scheiben hobeln. Zwiebel in Scheiben schneiden. Alles mit Joghurt, Balsamico und Öl mischen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Anrichten und nach Belieben mit Sesamsamen bestreuen und servieren.
Zubereitung: ca. 30 Minuten
Es liegt an den drei verschiedenen Senfölen des Rettichs, die nicht nur für seine Schärfe zuständig sind, sondern auch für seine gesundheitsfördernde Wirkung. Er hat sehr wenig Kalorien, kein Fett und einen anständig hohen Vitamin-C-Gehalt. Weshalb er nicht nur ein Freund unserer Verdauung, sondern auch unseres Immunsystems ist. Es wird ihm eine stoffwechselanregende, antibiotische Wirkung nachgesagt.
Kurz und bündig brachte es Pfarrer Kneipp bildkräftig auf den Punkt: «So wie der Wirt die Lumpen herauswirft, wirkt der Rettich auf den Magen. Er ist ein echter Kaminputzer für den Unterleib.» In Bestform ist dieser Kaminputzer vor allem in rohem Zustand. Wenn er erhitzt wird, verlassen ihn die scharfen, gesundheitsfördernden Senföle.
Als Salat ist Rettich grandios. Ob mit Rahm oder Sauerrahm oder Joghurt, mit Apfelstreifen und/oder Gurken, mit Käse oder zum Wurstsalat – es gibt keine Grenzen für die scharfe Wurzel. Vor allem aber braucht der Rettich Salz. Und dazu ein Bier.
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