Ein Jahrhundert auf wenige Seiten zusammenzufassen, ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Martin Hauzenberger, Historiker und vormals Produzent der Zeitlupe, hat es gewagt und die wichtigsten Meilensteine gesucht und gesetzt.
Text: Martin Hauzenberger
Es ist unseres Wissens eine der ersten, wenn nicht die erste Zeitschrift, die in Europa speziell dem Alter und seinen Sorgen gewidmet ist», schrieb die Redaktion selbstbewusst unter dem Titel «Einführung. An unsere Leser!». So begann die erste Ausgabe der Zeitschrift «Pro Senectute», die im März 1923 erschien. Sie vereinigte drei Sprachen in einem Heft: Sie trug neben ihrem lateinischen Namen auch die Titel «Schweizerische Zeitschrift für Altersfürsorge, Alterspflege und Altersversicherung», «Revue suisse pour l’assistance aux vieillards, la séniculture et l’assurance-vieillesse» und «Rivista svizzera per l’assistenza ai vecchi, la senicoltura e l’assicurazione contro la vecchiaia». Der deutschsprachige Teil war allerdings deutlich umfangreicher als der französische und der italienische. Die Redaktion übernahm Dr. Werner Ammann, der ein Jahr zuvor gewählte Generalsekretär von «Pro Senectute», der 1917 gegründeten Stiftung «Für das Alter». Er sollte die beiden Ämter in der Folge dreissig Jahre lang ausüben.
Diverse Aspekte des Älterwerdens
Das Heft brachte eine Fülle von Informationen über diverse Aspekte des Älterwerdens, über die Tätigkeit der Stiftung und die politischen Entwicklungen rund ums Thema Alter. Dazu kamen Kurzgeschichten, Zeichnungen, Fotografien, Gedichte. Die Titelseite zierte bis zur Dezember-Ausgabe 1953 eine Zeichnung, die einen knorrigen, bärtigen alten Mann darstellte.
Das erste Titelblatt zeigte 1923 einen alten Twanner Rebbauern (Holzschnitt von Karl Hänny). In den folgenden Jahrzehnten wandelte sich der Auftritt der Zeitschrift.
Schon in den ersten Heften fand man auch Werbeseiten – vor allem von Banken und Versicherungen, die Leibrenten und andere Versicherungsmöglichkeiten anpriesen für die ältere Generation, die damals noch keine Unterstützung durch die AHV kannte. Da gab es zum Beispiel eine Zeichnung, die einen glücklichen Senioren mit einem Einkaufskorb voller Maggi-Produkte zeigte, darunter der poetische Text:
«Auch mit Maggis Suppensachen, Kann man manche Freude machen. Eine warme Suppe tut Hohem Alter doppelt gut!»
Das Jahr 1947 brachte einen Höhepunkt in den ersten Jahrzehnten der Stiftung «Für das Alter», «Pro Senectute», und ihrer gleichnamigen Zeitschrift. Es war zudem ein ganz besonderes Jahr für die ältere Generation in der Schweiz. Am 6. Juli nahmen die Schweizer Männer bei einer Stimmbeteiligung von 80 Prozent das Gesetz über die Alters- und Hinterbliebenenversicherung mit einer überwältigenden Mehrheit von über 80 Prozent an. Die Zeitschrift «Pro Senectute» begleitete die Abstimmung in ihren März- und Juni-Heften ausführlich und druckte im September-Heft nach dem Abstimmungssieg einen Aufruf des Schweizer Innenministers, Bundespräsident Philipp Etter, der auch Präsident der Stiftung war.
Er bedankte sich bei den Abstimmenden für das Resultat und schrieb: «Die eidgenössische Altersversicherung kann aber nicht von heute auf morgen alle Not des Alters aus der Welt schaffen. Die Schweizerische Stiftung ‹Für das Alter› hat daher auch in Zukunft wichtige Aufgaben zum Wohle der bedürftigen Greise und Greisinnen zu erfüllen.» Und er bat die Bevölkerung «um eine freiwillige Spende für das Alter». Wie schon dreissig Jahre zuvor bei der Gründung der Stiftung «Für das Alter» hatte ein verheerender Weltkrieg mit seinen Schrecken und wirtschaftlichen Verwüstungen im Volk das Bewusstsein gestärkt, dass die ärmeren und älteren Schichten der Bevölkerung eine bessere Unterstützung brauchten.
Ab 1954 erschien das Heft mit einem neuen Titelbild, das nur noch die Buchstaben PRO SENECTUTE grafisch aufbereitete. Und in der März-Ausgabe wurde der bisherige Redaktor (und «Pro Senectute»-Generalsekretär) Dr. Werner Ammann für seine dreissigjährige Tätigkeit verabschiedet. Die Redaktion übernahm der Basler Chirurg und Gerontologe Dr. Adolf L. Vischer, dem «Dr. J. Roth, der Nachfolger von Dr. Ammann als Generalsekretär der Stiftung ‹Für das Alter› » zur Seite stand.
17 Jahre lang redigierte Vischer die Zeitschrift «Pro Senectute» nach bewährtem Rezept. Am 31. Dezember 1971, seinem 87. Geburtstag, gab er den Posten auf. Im Heft 4/1971 wurde «Dr. med. Dr. theol. h. c. Adolf L. Vischer» mit Dank und dem (gemäss dem Stiftungsnamen lateinischen) Wunsch verabschiedet: «Möge ihm ein – wenn auch spätes – ‹otium cum dignitate› beschieden sein.» Musse mit Würde.
Die vier Hefte von 1972 erschienen ohne namentlich bekannte Redaktion, in Nummer 1/1973 stellte sich dann Dr. Peter Rinderknecht als neuer Redaktor vor. Und er hatte noch weitere Neuigkeiten anzukündigen: Das Format der Zeitschrift wurde vergrössert, auf der Titelseite stand nicht mehr die Grafik mit den grossen Buchstaben PRO SENECTUTE, sondern eine Fotografie. Auch im Heft waren mehr Fotografien zu finden, und der Abonnementspreis wur-de von drei auf sechs Franken pro Jahr erhöht. Von 1923 bis 1968 waren es gar nur zwei Franken gewesen! Und vor allem: Die Zeitschrift wurde einsprachig. Das französischsprachige Publikum wurde an das 1970 gegründete Magazin «Aînés» verwiesen, das Italienische verschwand ganz. Dafür blieb mehr Platz für Artikel in Deutsch für die damals 9000 Leserinnen und Leser.
Methusalem oder doch lieber Alterskrücke?
In der September-Ausgabe 1973 feierte die Zeitschrift ihren fünfzigsten Geburtstag und leitete eine wichtige Neuerung ein – mit einem Wettbewerb: «Schon mehrmals wurden Stimmen laut, der lateinische Name sei ja schon recht für die Stiftung ‹Für das Alter›», schrieb Redaktor Rinderknecht, «aber für eine Zeitschrift doch eher nichtssagend. Man möchte doch einen einfachen und prägnanten Titel suchen, ähnlich wie ihn ‹Aînés› in der Westschweiz führt.» So wurden die Leserinnen und Leser um Titelvorschläge gebeten. In der Ausgabe vom März 1974 schrieb Peter Rinderknecht dann: «Als der ahnungslose Redaktor im September den Wettbewerb ‹Neuer Name für die Zeitschrift Pro Senectute› ausschrieb, hatte er keinen Hochschein von dem, was da auf ihn zukam. Zuerst war es die überwältigende Phantasie der rund 130 Teilnehmer, die uns mit etwa 250 Vorschlägen beglückten.» Und er nannte einige dieser mehreren Hundert Titelideen: «Oase, Ompa (= Oma + Opa!), Alterskrücke, ProSen, Abendrot, Der Saemann, Blinklicht, Schneckenpost, Für ryfi Trübel, Methusalem, Endspurt, Faltenwurf, Filzpantoffel». Die Redaktion entschied sich für «Zeitlupe» mit den Hauptargumenten (die zum Teil aus dem Publikum stammten): «In der Zeitlupe erkennt man die Details besser.» «Ein verlangsamtes Tempo wird wohl von allen Älteren zugegeben und akzeptiert.» «Man geht mit der Zeit, doch etwas langsamer.» «Nicht mehr so hektisch wie bei den Jüngeren, das passt zu uns.»
Und so startete das alte «Pro Senectute» als neue «Zeitlupe» – mit der Fotografie eines Swissair- Heckflügels auf dem Hefttitel mitnichten im Zeitlupentempo. Bald folgten weitere Neuerungen: 1978 erschienen statt jährlich vier Heften deren sechs, und ab 1979 wurden die Titelbilder farbig. Auf Ende 1986 trat Redaktor Peter Rinderknecht nach 13 Jahren zurück und verfasste im letzten Heft unter seiner Leitung eine elfseitige Reportage über das Kloster St. Johann im bündnerischen Müstair an der Grenze zum Südtirol – samt einem längeren Interview mit der Priorin. Sein Nachfolger Franz Kilchherr, Lehrer und Journalist aus Basel, stellte sich und diverse redaktionelle Änderungen im ersten Heft des Jahres 1987 vor und beruhigte alle, die allzu viel Neues befürchteten, mit den Worten: «Es scheint mir wichtig, dass die ‹Idee› der ‹Zeitlupe› weiterhin als Norm bestehen bleibt: Sie soll für ältere Menschen eine informative Zeitschrift sein, die sich auch für die Anliegen der Leser engagiert. Wenn dabei das Redaktionskonzept in gewissen Punkten von der bisherigen Linie abweichen sollte, so bedeutet dies keine Abkehr von Bewährtem! Veränderungen zeigen Leben an, dabei braucht Grundsätzliches nicht in Frage gestellt zu werden.» Ab 1995 wurde die Erscheinungsweise von sechs auf zehn Hefte pro Jahr aufgestockt, was sich bis heute erhalten hat: jeden Monat ein Heft, wobei in der Zeit um die Jahreswende und im Hochsommer jeweils zwei Monate in einem einzigen Heft zusammengefasst werden.
1974 verabschiedete sich das Magazin vom Titel «Pro Senectute» und präsentierte sich ab dato mit dem Namen «Zeitlupe», der aus einem Leserwettbewerb hervorgegangen war. Und ab 1979 erschienen die Titelbilder in Farbe.
Die Zeit unter der Lupe
Zum 75. Geburtstag der Zeitlupe wurde 1998 eine Umfrage unter den Leserinnen und Lesern gestartet, deren Resultate die Redaktion unter dem ermutigenden Titel «Weiter so!» zusammenfassen durfte. Und mit dem neuen Jahrtausend, dem Heft 1-2/2000, kam auch eine Neuerung, die seither das Gesicht der Zeitlupe bestimmt: Die prominente Persönlichkeit, mit der im Inneren des Hefts ein grosses Interview zu lesen ist, wird auch zum «Covergirl» oder «Coverboy» des Magazins. Zudem wurde der Magazin-Titel zweifarbig gedruckt – ZEIT in schwarz, LUPE in rot –, «weil die Wortteile Zeit und Lupe so ein grösseres Gewicht erhalten», wie Chefredaktor Franz Kilchherr in seinem Editorial schrieb: «Damit wollen wir zum Ausdruck bringen, dass wir die Zeit, unsere Zeit, genauer betrachten und unter die Lupe nehmen.» Der erste Auftritt einer Prominenz auf dem Titelblatt gehörte der renommierten Journalistin und Gerichtsreporterin Margrit Sprecher unter dem Titel «Menschen vor Gericht». Und das Jahr 2000 brachte auch das neue Motto der Zeitschrift: «Für Menschen mit Lebenserfahrung».
Im September 2000 kam das Editorial nicht mehr – wie zuvor mehr als 14 Jahre lang – von Franz Kilchherr, sondern von Martin Mezger, dem Direktor von Pro Senectute und damit Herausgeber der Zeitlupe. «Unser Magazin braucht einen neuen ‹Auftritt› », schrieb er: «Das Titelblatt haben wir bereits zu Jahresbeginn verändert und dafür viel Zustimmung bekommen. Nun folgen Veränderungen im Innern. Schritt für Schritt wollen wir die Zeitlupe modernisieren – immer im Bestreben, eine Zeitschrift zu machen, die Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, gefällt und die Ihren Bedürfnissen entspricht. Aber nicht nur der ‹Auftritt› wechselt. Eine Änderung ist auch bei der Chefredaktion anzuzeigen: Franz Kilchherr, der seit 14 Jahren für die Zeitlupe verantwortlich zeichnet, hat die Verlagsleitung und, vorläufig, die Produktionsverantwortung übernommen. Als neuer Chefredaktor konnte Dr. Rolf Ribi, der lange sehr erfolgreich den ‹Brückenbauer› geleitet hat, gewonnen werden.» Zum Jahresende 2001 verabschiedete sich Dr. Rolf Ribi allerdings bereits wieder von den Leserinnen und Lesern.
Erstmals eine Chefredaktorin
Das nächste Editorial, jenes der Nummer 1-2/2002, verfasste dann Martin Mezger als Herausgeber und Chefredaktor ad interim. Dies blieb er vier Hefte lang, bis sich in der Nummer 6/2002 der neue Chefredaktor Emil Mahnig zu Wort meldete, der zuvor im Ringier-Verlag das Format «Gesundheit Sprechstunde» aufgebaut und geleitet hatte und dies jetzt für die Zeitlupe tat. Zu Beginn des Jahres 2009 verliess er die Zeitschrift wieder – unterwegs zu neuen Zielen.
Seither leitet zum ersten Mal in der langen Geschichte der Zeitlupe eine Frau die Redaktion, die bereits unter den letzten ihrer männlichen Vorgänger stark weiblich geprägt gewesen war: Marianne Noser geht bereits in ihr 15. Jahr als Chefredaktorin und hat mittlerweile die Redaktion verjüngt und den Inhalt den Herausforderungen der Zeit angepasst. Denn die heutigen Seniorinnen und Senioren sind im Vergleich zu ihren Altersgenossinnen und -genossen früherer Jahrzehnte deutlich aktiver und anspruchsvoller geworden.
«Für Menschen mit Lebenserfahrung» – Das Motto begleitet die Zeitlupe seit dem Jahr 2000. Seit damals zieren auch die Interviewten das Titelblatt.
231 prominente Schweizerinnen und Schweizer aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport und Medien haben seither das Titelblatt geziert und sind im Heftinneren ausführlich zu Wort gekommen. Auch zahlreiche Menschen mit Lebenserfahrung, aber ohne grosse Namen wurden vorgestellt, von unzähligen guten Ratschlägen aus allen Lebensbereichen konnten die Lesenden profitieren, und die «Menschen mit Lebenserfahrung» konnten miteinander Erinnerungen aller Art austauschen, beispielsweise auch in der erfolgreichen Buchreihe «Das waren noch Zeiten …» Ein wichtiger Teil der Zeitlupe sind auch die Informationen über die vielfältigen Aktivitäten der kantonalen Pro-Senectute-Organisationen. Hundert Jahre «Pro Senectute»-Zeitschrift und «Zeitlupe» – das bedeutet auch hundert Jahre Schweizer Lebenserfahrung über alle Generationen hinweg.
Neben den Print-Ausgaben der Zeitlupe erhalten Sie Zugang zu sämtlichen Online-Inhalten von zeitlupe.ch, können sich alle Magazin-Artikel mit Hördateien vorlesen lassen und erhalten Zugang zur Online-Community «Treffpunkt».
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