Von Klee bis Spider-Man
Imitiert Kunst das Leben oder das Leben die Kunst? Der Blick zurück zeigt spannende Wechselwirkungen zwischen Zeitgeist, Gesellschaft und den Kunstschaffenden.
1920er
In den «Goldenen Zwanzigern» kamen Bewegungen wie Dadaismus und Surrealismus auf. Das Schaffen von Künstlern wie Max Ernst und Paul Klee war populär. Letzterer arbeitete auch an der Weimarer Hochschule für Gestaltung, die den Bauhaus-Stil in der Architektur prägte. In den Kinos verbreiteten die expressionistischen Horror- und Science-Fiction-Filme «Nosferatu» und «Metropolis» Angst und Beklemmung.
1930er
Bereits im Vorkriegs- Deutschland prägte Adolf Hitlers NS- Regime mit Terror und Propaganda die Stimmung. In den späten 30er-Jahren wurde der Chor Trapp Family gegründet. Die österreichische Familie flüchtete in die USA, weil sie nicht an Hitlers Geburtstag singen wollte. In den Kinos sorgten dafür Screwball-Komödien wie «Bringing up Baby» mit Katherine Hepburn und Cary Grant für Lacher.
1940er
Der «Soldaten-Klassiker» schlechthin war Lale Andersens «Lili Marleen». Während der Swing in Deutschland als «entartet» verboten war, begeisterten Benny Goodman, Ella Fitzgerald und Frank Sinatra den Rest der westlichen Welt. Das Kinoprogramm war sehr vielfältig, von Disneys «Bambi» über Orson Wells’ Drama«Citizen Kane» bis zum Herzschmerz von «Casablanca». Schon 1940 parodierte Charlie Chaplin in «The Great Dictator» Adolf Hitler, etwas, das heute kaum vorstellbar ist. Im kriegsversehrten Rom inszenierte Vittorio De Sica Ende der 40er-Jahre «Ladri di Biciclette».
1950er
Das Nachkriegsjahrzehnt war dominiert vom Schock der Atombombe, vom Zukunftspotenzial der Atomenenergie und des Kalten Krieges. Die Zeit gehörte aber auch Ikonen wie Marilyn Monroe («Some Like It Hot»), James Dean («Rebel Without a Cause») und Elvis Presley, deren Strahl- kraft bis heute anhält. Die Malerei prägte Jackson Pollock mit seinen ausdrucksstarken Action Paintings. Das Fernsehen entwickelte sich zum Massenmedium, und das Pantoffelkino zog in die guten Stuben ein.
1960er
Die US-TV-Serie «Star Trek», bei uns unter «Raumschiff Enterprise» bekannt, sorgte 1968 in den USA für einen Skandal, als sich der weisse Captain Kirk und die schwarze Offizierin Uhura in einer Folge küssten. Mescalin, LSD und Marihuana schufen die milde Grundstimmung der Hippie-Kultur. Die Beatles, Rolling Stones, Jimi Hendrix und Led Zeppelin verbreiteten musikalische Flower Power, während «Dr. Strangelove», «Rosemarie’s Baby» und «Psycho» in den Kinos Angst und Schrecken verbreiteten.
1970er
Das internationale Kino feierte mit Filmen wie «Jaws», «Apocalypse Now», «Star Wars» und dem «Schweizer» Monster-Film «Alien» ein goldenes Jahrzehnt. Star-Regisseure wie Steven Spielberg, Francis Ford Coppola und George Lucas krempelten Hollywood um. In unseren Breitengraden war auch «Die Schweizermacher» ein Publikumserfolg. In Discos tanzten die Menschen zu James Brown, den Bee Gees und Boney M., doch dem Kommerz sagten Punks den Krieg an. Für die Künstlerinnen und Künstler hiess die Devise «Raus aus dem Museum», Performances auf den Strassen. Christos «Running Fence», ein riesiger Nylonzaun, der sich durch einen Teil Kaliforniens zog, erinnert daran.
1980er
Während Jack Nicholson durch den Film «The Shining» schnaubte, machte Indiana Jones den Nazis in «Raiders of the Lost Ark» das Leben schwer und der «Terminator» terrorisierte Kalifornien. Aus den Lautsprechern quoll weichgespülter Punk namens New Wave, und Michael Jackson etablierte mit dem Album «Thriller» seine Solo-Karriere. Die Schweiz gewann dank Céline Dion den Eurovision Song Contest. Homosexualität, Aids und die Pop-Art- Graffiti-Werke von Keith Haring standen im Brennpunkt des Kunstschaffens.
1990er
Der Fall der Berliner Mauer löste neue Strömungen in der Kunst aus. Vermehrt flossen auch digitale Elemente ein. Multimedia-Kunst auch von Schweizer Künstlerinnen wie Pipilotti Rist eroberten die Museen. Auf der musikalischen Ebene verstärkten sich Trends aus den Vorjahren. Hip-Hop trat aus der Nische heraus. Den elektronischen Sounds traten harte Töne aus Seattle entgegen, der Grunge von Bands wie Nirvana und Pearl Jam. Mit Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch verliert die Schweiz zwei ihrer grössten Autoren.
2000er
Casting-Shows wie «Deutschland sucht den Superstar» brachten schnell verglühende Popsternchen hervor, und die Reality-Show «Big Brother» feierte den Voyeurismus ab. Im Kino treten die Hobbits ihre Reise in der «Lord of the Rings»-Trilogie an, aber auch deprimierende Zukunftsvisionen wie «Children of Men» oder der japanische Zeichentrickfilm «Spirited Away» begeistern das Publikum. Die Expo.02, die sechste Landesausstellung, feierte die Schweiz und deren künstlerisches Schaffen im Drei-Seen-Land.
2010er
Dank der Fortschritte in der digitalen Filmtechnik können sich Comic- Heldinnen und Bösewichte überzeu- gend über die Leinwand prügeln. Die Filme des Marvel Cinematic Universe mit Spider-Man, Hulk und Co. sind die dominierende Kinokraft. In den Hit- paraden kämpft sich immer wieder der Brite Ed Sheeran an die Spitze. Im Roman «The Circle» beschreibt Dave Eggers ein Internetunternehmen, eine Art Google fusioniert mit Facebook und beschwört eine albtraumhafte Vision der digitalen Zukunft herauf.
2020er
Während das Corona-Virus unsere gesellschaftlichen Gepflogenheiten umpflügte, setzte sich 2020 in den hiesigen Sälen mit «Platzspitzbaby» ein Schweizer Film an die Spitze der Kino-Hitparade vor Hollywood-Grossproduktionen wie «Tenet» oder «Star Wars: The Rise of Skywalker». Auf einer musikalischen Ebene machte Popstar Travis Scott von sich reden: Er veranstaltete im Online-Videospiel «Fortnite» ein Konzert, das von über 12 Millionen Spielerinnen und Spielern verfolgt wurde.
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