Tai-Chi ist Bewegungskunst, Meditation und Gesundheitstraining in einem. Ursprünglich als Kampfsportart in China entstanden, wird es als sanfter Weg zu mehr Wohlbefinden auch im Westen immer beliebter. «Unterwegs» mit einer Kursgruppe von Pro Senectute Kanton Zürich.
Text: Annegret Honegger
Foxy weiss genau, worum es geht. Die Mischlingshündin liegt auf ihrer Decke, den Trinknapf neben sich – und entspannt. Das tun auch ihre Besitzerin und der Rest der Gruppe im Tai-Chi-Kurs von Pro Senectute Kanton Zürich. Allerdings nicht liegend, sondern aktiv nach Anweisungen von Kursleiter Alfons Lötscher.
Tai-Chi – auch Taiji geschrieben und kurz für Taijiquan – ist eine Kampfkunstform aus China. Was man bei einem Aufenthalt in Fernost frühmorgens im Park sieht, funktioniert auch im Saal des Gemeinschaftszentrums in Zürich-Oerlikon. «Tai-Chi tut einfach gut», schwärmt eine Teilnehmerin, «selbst wenn ich völlig erschöpft hier ankomme, fühle ich mich nach der Stunde viel besser.»
Angeleitet von Alfons Lötscher bewegt sich die Gruppe wie in einem Tanz ohne Musik nach einer geheim-nisvollen Choreografie. Sanft und fliessend sind die Übungen, die Bewegungen weich und kraftvoll, ruhig und dynamisch zugleich. Die Abfolgen tragen poetische Namen wie «Kreisende Hände», «Der weisse Kranich streckt seine Flügel» oder «Buddhas Wächter stampft mit dem Stössel».
Mal verwurzelt man sich mit beiden Beinen sicher im Boden, mal dreht, kreist und beugt man sich leichtfüssig. Alfons Lötscher justiert da und dort eine Haltung, gibt Tipps für mehr Gleichgewicht und Entspannung. Wer möchte, kann sich jederzeit an einer Wand festhalten oder einzelne Übungen im Sitzen ausführen.
In manchen Positionen verharrt man länger, dann wieder erfolgt ein schnelles Stampfen oder ein Boxhieb in die Luft. Dies erinnert an die Wurzeln in der Kampfkunst, wobei die Kraft längst nicht mehr zur Abwehr eines Angriffs dient, sondern den Praktizierenden dann zur Verfügung steht, wenn es das Leben verlangt.
Mehr Muskelmasse ist dabei bloss «Nebenwirkung». Zentral ist das Chi, die Lebensenergie, die gemäss traditioneller chinesischer Medizin entlang von Meridianen durch den Körper fliesst und uns mit Leben erfüllt. Bestehen Blockaden, entsteht ein Ungleichgewicht, das Körper und Seele belastet. Tai-Chi will Verspannungen lösen, die Energien wieder frei zum Zirkulieren und uns in einen Zustand der Harmonie bringen. «Chi», erklärt AlfonsLötscher, «bewegt sich wie die Wellen im Meer, die ans Ufer rollen, sich wieder zurückziehen und neu aufbauen, wieder ans Ufer spülen …»
Fast meint man, diese sanfte Brandung in der ruhigen, konzentrierten Atmosphäre zu spüren und zu hören. Doch da ist nur der Atem der Teilnehmenden, nur Alfons Lötschers Stimme. Und Baustellenlärm von draussen. «Es ist, wie es ist – kein Grund, sich aufzuregen», meint ein Teilnehmer schulterzuckend. Die fernöstliche Gelassenheit hat er bereits verinnerlicht.
Was bei Alfons Lötscher mühelos aussieht, ist das Resultat jahrzehntelanger Übung. Doch nicht Perfektion, sondern die persönliche Entwicklung sei das Ziel. Tai-Chi brauche Zeit und Geduld, sei entdecken und geschehen lassen. «Anfängerinnen und Anfänger setzen sich oft unter Druck, weil sie alles richtig machen wollen», erklärt der Kursleiter. Dabei gebe es kein Ideal, das für alle gelte: «Wenn Körper und Geist zusammenwirken, kommen die Bewegungen ganz selbstverständlich und mit jener Natürlichkeit, die wir anstreben.»
Dann zeigen sich Stabilität, Ruhe und Gelassenheit aus dem Kurs auch vermehrt im Alltag, berichten die Teilnehmenden. Manche fühlen sich kräftiger, fokussierter, ausgeglichener. Manche haben mehr Energie, einen tieferen Blutdruck und schlafen besser. Plötzlich läuft ein Knie schmerzloser, wird aus einem Stolpern kein Sturz, bleibt der Rollator öfter in der Ecke stehen. Fit werde man mit Tai-Chi fast unbemerkt, sagt Alfons Lötscher: «Auf einmal steht man im Bus und braucht sich nicht mehr festzuhalten.»
Foxy, die während der Stunde höchstens mal mit dem Ohr gezuckt hat, streckt und schüttelt sich, gähnt ausgiebig. Sie hat das Tai-Chi-Prinzip längst verstanden.
Tai-Chi / Qi Gong bei Pro Senectute Kanton Zürich
Im Kurs fördern sanfte Tai-Chi-Übungen kombiniert mit Qi Gong das Gleichgewicht und steigern die innere und äussere Kraft. Sie beruhigen das Nervensystem und harmonisieren Körper, Geist und Seele. Alle Bewegungen und Abläufe werden langsam und präzis eingeübt, wobei der Fokus auf Entspannung und Wohlbefinden liegt. Auch Kondition, Koordination, Konzentration, Kreislauf und Körperbewusstsein profitieren. Tai-Chi eignet sich für Menschen jeden Alters.
Infos bei Pro Senectute Kanton Zürich unter Telefon 058 451 51 36, Mail sport@pszh.ch, pszh.ch
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