Viel Spielspass und Teamspirit, aber weniger Tempo und Verletzungsrisiko: Das ist das Erfolgsrezept von Walking Football. Die Zeitlupe war beim Training der Gehfussballer von Pro Senectute Freiburg und dem FC Wünnewil-Flamatt dabei.
Text: Annegret Honegger
Das Runde muss ins Eckige – das gilt auch beim Walking Football. Doch der Weg dahin ist gemütlicher und gesünder als sonst beim Fussball: Statt gerannt wird gegangen. Mindestens ein Fuss muss jeweils den Boden berühren. Rennt man, pfeift der Schiedsrichter: Foul! Die Pfeife trillert auch bei Körperkontakt oder wenn der Ball über Hüfthöhe fliegt. Anspiel, Abstoss, Einwurf und Eckball werden als flacher Pass ausgeführt. Und die Abseitsregel ist einfach: Sie ist aufgehoben.
So weit die Theorie, nun ab aufs Spielfeld. Das Training auf dem Kunstrasenplatz des FC Wünnewil-Flamatt beginnt erst mal mit Kaffee und Gipfeli. Danach wärmt Trainer Paul Dietrich seine Männer – Frauen wären auch willkommen – sorgfältig fürs Spiel auf. Das ist an diesem kühlen Montagmorgen besonders wichtig. Schliesslich sind die Muskeln, Sehnen, Bänder und Gelenke der Spieler allesamt mindestens Ü-60. Ausser bei Lionel: Der Zweitklässler und Enkel von Trainer Dietrich hat Ferien und freut sich, bei den Grossen mittun zu dürfen – im Messi-T-Shirt und sogar mit dem gleichen Vornamen wie sein Idol.
Anpfiff! Heute kämpfen die hellen und dunklen T-Shirts gegeneinander, vier gegen vier. Gespielt wird auf einem verkleinerten Spielfeld ohne Goalie auf Mini-Tore, vor denen mit Hütchen ein Sperrbereich abgesteckt ist. Schnell zeigt sich: Hier stehen viele Jahre Fussballerfahrung auf dem Platz. Durchdachte Angriffe, präzise Pässe, kontrollierte Ballannahme, gelungene Stafetten, schöne Abschlüsse – alles da.
Wäre nicht die gemächliche Gangart, wähnte man sich an einem ganz gewöhnlichen Match. Oder fast. Denn was fehlt, sind Schwalben, Kopfbälle, harte Zweikämpfe, schnelle Dribblings, Zusammenstösse und Stürze. Nur der Ball rollt so schnell wie immer. Setzen die Beine wie gewohnt zum Sprint an, um einen Steilpass noch zu erreichen, erhält die gegnerische Mannschaft einen Freistoss. «Gehen statt Rennen ist anfangs gewöhnungsbedürftig – vor allem weil einen in der Hitze des Gefechts ganz automatisch der Ehrgeiz packt», sagt Werner von Känel.
Die Initianten Paul Dietrich und Werner von Känel sehen nicht nur für die Gesundheit, sondern auch für den Verein Vorteile. Viele langjährige Spieler müssten irgendwann mit Fussball aufhören, wegen körperlicher Einschränkungen, einer Krankheit oder Operation: «Beim Walking Football kann man seinem Hobby nachgehen, selbst wenn man nicht mehr so fit ist oder Angst vor Verletzungen hat.» Dank Gehfussball bleibe man länger am Ball und der Kontakt zum Verein und zu den Kollegen bestehen, mit denen man vielleicht schon Jahrzehnte kickt. Paul Dietrich betont, weshalb auch die Suva in der Schweiz die neue Sportart unterstützt: «Langfristig gewinnt nicht, wer am meisten Tore schiesst, sondern wer gesund und aktiv bleibt.»
Zur Pause steht es drei zu eins für die Mannschaft in den dunklen Shirts. Diese sind während des Spiels noch etwas dunkler geworden, denn geschwitzt wird auch, ohne zu rennen. In der zweiten Halbzeit drehen die Dunklen weiter auf und dominieren klar. Eiskalt verwerten die Spieler und vor allem ihr kleiner Messi Chance um Chance. «Acht zu drei», jubelt der Jüngste am Schluss und freut sich diebisch, dass er das Team seines Grossvaters geschlagen hat.
Die Spieler sitzen noch zusammen, fachsimpeln über die Matches vom letzten Wochenende, die neusten Transfers und das anstehende Turnier. Das Bier ist kühl und das Fussballfieber alles andere als lauwarm. Klar hätten ein paar Kollegen anfangs faule Sprüche gemacht, der eine oder andere hörte Wörter wie «Schnapsidee» oder «Altherrenfussball». «Aber da stehen wir längst drüber», sind sich alle einig, «für uns zählt der Spass am Spiel, an der Bewegung und am Zusammensein.» Und: «Wäre die Zeitlupe nicht der ideale Walking-Football-Sponsor?»
Das 2011 in England entstandene Walking Football ist eine gesundheitsorientierte und gesellige Variante des Fussballs, die im Gehen ausgeübt wird. Die Teams bestehen aus drei bis acht Spielerinnen und Spielern, die auf einem verkleinerten Feld mit oder ohne Goalie spielen.
In der Schweiz bieten verschiedene Clubs und Pro-Senectute-Organisationen Walking-Football-Trainings an. Angebote und Regeln findet man bei der Schweizer Walking Football League unter walking-football.ch.
Angebote in Ihrer Nähe finden Sie bei Pro Senectute in Ihrer Region. Adressen auf prosenectute.ch oder Infoline 058 591 15 15.
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