Für Milliarden von Menschen sind soziale Medien Teil ihres Alltags geworden. Sie hinterlassen gewaltige Mengen von Daten, die von Firmen wie Facebook ausgewertet und verkauft werden, was teils unerwünschte Folgen haben kann.
Eine alte Internet-Weisheit besagt: «Wenn das Produkt gratis ist, dann bist du das Produkt.» Wer Dienstleistungen wie Google, Facebook und dergleichen nutzt, bezahlt nicht mit Geld, sondern mit seinen Suchanfragen, Interessen und anderen Daten, aus denen sich ein Profil erstellen lässt. Das Stichwort hier lautet «Big Data», die Sammlung und Auswertung gigantischer Datenmengen, aus denen sich bestimmte Muster, Verhaltensweisen und anderes mehr herausfiltern lassen.
In friedlichen Demokratien sind die Erkenntnisse aus Big Data für die Werbebranche von grösstem Interesse. Mit diesen Profilen können Angebote kreiert werden, die auf die Nutzerinnen und Nutzer persönlich zugeschnitten sind und auf den verschiedenen Plattformen bei diesen eingeblendet und beworben werden.
Dieser Umstand lässt sich unter den Begriff «Erste-Welt-Problem» einordnen. Doch das Wissen, das aus den Datenfluten gefischt wird, geht viel weiter. So haben Studien nachgewiesen, dass Facebook aufgrund von «Likes» und anderen Daten Vorhersagen über Religion, politische und vor allem auch sexuelle Ausrichtung machen kann. Der homosexuelle Historiker und Bestseller-Autor Yuval Noah Harari weist darauf hin, dass Facebook und Co. möglicherweise «vor dem Nutzer selber wissen, dass dieser schwul ist». In den Händen der Werbebranche mag dies vergleichsweise harmlose Folgen haben, aber wenn sich totalitäre Systeme wie beispielsweise in China solcher Informationen bedienen, dann kann es sehr schnell sehr unangenehm werden.
Doch bleiben wir in der friedlichen westlichen Welt – wobei nach dem Sturm auf das Kapitol in Washington, USA, am 6. Januar 2021, auch hier ein paar Fragezeichen angebracht sind … Wie Internet-Pionier Jaron Lanier in seinem Buch «Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst» schreibt, bleibt es nicht bei blossen Werbeschaltungen. Von Beginn weg war es die Absicht von Facebook, dass die Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange auf der Website verweilen sollten: Je länger sie sich dort tummeln, desto mehr Werbeeinblendungen können geschaltet werden.
Likes verursachen Glücksgefühle
Ein Weg, um diese Bindung zu verstärken, ist der «Like»-Knopf. Jedes Mal, wenn jemand einen Beitrag mit dem Daumen-hoch-Zeichen belohnt, kommt es beim Autor oder der Autorin zu einem kleinen Dopamin-Ausstoss. Das Glückshormon strömt bei jeder Wertschätzung aus – und davon möchten alle möglichst viel bekommen. Aus diesem Grund kehrt man auch immer wieder zurück, um zu schauen, ob es neue «Likes» gegeben hat. Sean Parker, einer der Mitgründer von Facebook, sagte in einem Interview 2017, dass diese Lösung, die eine Schwachstelle der menschlichen Psychologie ausnützt, ganz bewusst gewählt wurde.
Es sind denn auch diese Methoden, die Facebook und andere soziale Medien so erfolgreich gemacht, aber auch in Verruf gebracht haben. Die den Social Media zugrunde liegenden Mechanismen führen auch zu einem Hickhack, das oft die Diskussionen auf Facebook & Co. bestimmt. Je kontroverser, unflätiger diese geführt werden, desto länger bleiben die Leute online, weil sie wissen wollen, was als Nächstes kommt. Es ist nicht wirklich im Interesse der Betreiber von sozialen Medien und ihrer Investoren, sogenannten Trollen Einhalt zu gebieten. Sie gehören gewissermassen zum Geschäftsmodell.
Das Wirtschaftsmagazin «The Economist» bezeichnete kürzlich Facebook als eine «unethische Firma». Dieser Einschätzung ist nichts beizufügen. Bedenklich ist aber, dass Facebook weltweit 2,7 Milliarden Menschen miteinander verbindet, auf Whatsapp kommen nochmals 2 Milliarden hinzu und auf Instagram über eine Milliarde. Und übrigens: Ich habe mein Facebook-Konto vor zwei Jahren gelöscht.❋
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