In einem Naturpark im Trentino haben einige der letzten Europäischen Braunbären überlebt. Noch ist der Bestand sehr klein und bedroht, doch hört man immer wieder von einzelnen Jungmännchen, die auf ihrer Wanderschaft bis in die Schweiz gelangt sind.
Text: Esther Wullschleger Schättin
Wie die anderen Grossraubtiere wurde der Bär einst rigoros verfolgt. Fast hundert Jahre lang war er gänzlich aus der Schweiz verschwunden, bis 2005 ein erster Bär im Gebiet des Schweizerischen Nationalparks gesehen wurde. Es war JJ2, später Lumpaz genannt (rätoromanisch für Lausbub), der sich als Jungbär auf Wanderschaft von seinem Geburtsort im Trentiner Naturpark Adamello Brenta bis in die 50 Kilometer entfernte Schweiz vorgewagt hatte. Seither sind etliche weitere Bären aufgetaucht, fast jedes Jahr und vor allem in den Südostschweizer Alpen sorgten einzelne Exemplare oder deren Spuren für Aufsehen.
Im italienischen Trentino konnte sich dank eines Schutzprojektes das letzte Vorkommen des Europäischen Braunbären im Alpenraum knapp halten. Meister Petz war einst über ganz Europa verbreitet, doch heute sind seine Bestände im westlichen Europa auf wenige Reste zerstückelt und zum Teil derart geschrumpft, dass sie kaum mehr überlebensfähig scheinen. Grössere Gruppen gibt es noch in Skandinavien, im Karpatengebiet und in Südosteuropa, während weitere kleine Populationen in den kantabrischen Bergen Nordwestspaniens, in den Pyrenäen und im Apennin überlebt haben.
Von Slowenien ins Trentino
Beinahe wäre auch die Trentiner Bärenpopulation erloschen. Um den Bestand zu retten, wurden um die Jahrtausendwende einige Bären aus Slowenien im Naturpark des Trentino ausgesetzt. Diese lebten sich gut ein und sorgten auch wieder für Nachwuchs, sodass die Population wachsen konnte und immer wieder jüngere Tiere aus dem Gebiet in die Umgebung abwandern. Geeigneten Lebensraum wie vor allem grosse, zusammenhängende Waldgebiete finden die anpassungsfähigen Bären im Alpenraum offenbar genug, auch in der mehrheitlich dicht besiedelten Schweiz.
Die europäischen Bären, über Jahrhunderte verfolgt und gejagt, sind gegenüber dem Menschen extrem scheu und vorsichtig geworden. Direkten Begegnungen gehen sie aus dem Weg. Zwar können sie nicht besonders gut sehen, doch bemerken sie Menschen, die sich nähern, durch ihr feines Gehör und den scharfen Geruchssinn schon sehr früh und weichen aus.
Die Bären sind Allesfresser und suchen vor allem nach pflanzlicher Nahrung wie Beeren, Eicheln, Nüssen, Kräutern oder Knospen, aber auch nach Insektenlarven, die sie mit den kräftigen Krallen aus dem Totholz holen, nach Ameisen oder anderen Kleintieren. Aas wird ebenfalls angenommen oder leicht jagbare Beute erlegt (Bären sind nicht besonders geschickte Jäger). Eine fast schon sprichwörtliche Vorliebe für Honig scheint Meister Petz auch in der Schweiz umzutreiben, denn Bienenstöcke wurden schon mehrfach aufgesucht und geplündert. Für ein kräftigens Exemplar ist es ein Leichtes, ein kleines Holzhäuschen auseinanderzunehmen, wenn er darin Fressbares wittert.
Zu den Herausforderungen des Bärenschutzes zählt es, Nahrungsquellen aus der Zivilisation rigoros unzugänglich zu machen. Bienenstöcke in Bärenstreifgebieten sollten durch Elektrodraht gesichert und Abfallbehälter «bärensicher» konstruiert werden. Die Bären würden sich sonst ergiebige Nahrungsquellen in Menschennähe sehr schnell merken. Um unvorhersehbare und gefährliche Begegnungen zu vermeiden, müssen allzu zutrauliche Tiere vergrämt, also vertrieben werden, wenn sie sich in Menschennähe begeben.
Die Braunbären leben als Einzelgänger umherstreifend, ohne ein Territorium zu besetzen. Auf ihren Streifzügen gehen sie Artgenossen aus dem Weg, doch können sich an ergiebigen Nahrungsquellen manchmal etliche Tiere sammeln. Einzig zur Paarung findet sich das Männchen eine Zeitlang mit einem Weibchen zusammen.
Bärenspuren im Winter
Nach einer Keimruhe werden die jungen Bärchen gut geschützt im Winterlager, meist einer Erdhöhle geboren. Bären halten keinen dauerhaften Winterschlaf, sondern lediglich eine Winterruhe, aus der sie relativ leicht erwachen können. Es ist deshalb nicht allzu erstaunlich, im Winter Bärenspuren im Schnee zu finden, denn die ausgewachsenen Braunbären können ihr Winterlager bei mildem Wetter durchaus kurz verlassen.
Die Jungbären werden zwei bis drei Jahre lang von der Mutter geführt. So lernen sie von ihr alles Lebensnotwendige, etwa wo sie gute Nahrungsquellen finden. Während sich die Töchter dann in der Nähe des mütterlichen Streifgebiets ansiedeln, wandern junge Männchen über weite Strecken ab, um neue Wohngebiete zu finden. Wenn sie dabei in Gegenden vorstossen, wo noch keine weiteren Bären vorkommen, dauert es also einige Zeit, bis auch das eine oder andere Weibchen dort eintrifft. ❋
Der Eisbär blickt angesichts der Klimaerwärmung einer ungewissen Zukunft entgegen. Dieser spezialisierte Jäger aus der Arktis ist sehr nah verwandt mit den Braunbären. Nun kommt es öfters vor, dass nordamerikanische Braunbären, die Grizzlys, bis weit in den kanadischen Norden wandern, wenn das Wetter wärmer wird. Vor allem aber sind die Eisbären wegen des schmelzenden Eises mehr gezwungen, sich auf dem Festland aufzuhalten. Dort begegnen sie öfters den Grizzlys, sodass auch immer wieder Mischlinge, so genannte «Pizzlys» oder «Cappuccinobären», mit sehr hellem cremefarbenem Fell beobachtet werden.
Das Thema interessiert Sie?
Werden Sie Abonnent/in der Zeitlupe.
Neben den Print-Ausgaben der Zeitlupe erhalten Sie Zugang zu sämtlichen Online-Inhalten von zeitlupe.ch, können sich alle Magazin-Artikel mit Hördateien vorlesen lassen und erhalten Zugang zur Online-Community «Treffpunkt».
Um diese Website optimal bereitzustellen, verwenden wir Cookies.
Mit der Nutzung dieser Website stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Erfahren Sie mehr in der
Datenschutzerklärung.