In der nordischen Taiga und in mitteleuropäischen Bergwäldern ist das Auerhuhn zu Hause. Das grösste Wildhuhn Europas ist auf einen reich strukturierten Lebensraum mit gutem Nahrungsangebot angewiesen.
Text: Esther Wullschleger Schättin
Ganz bestimmte Gegebenheiten müssen erfüllt sein, damit das Auerhuhn im grossflächig erhaltenen, lichten Nadelmischwald der Bergzone überleben kann. Nadelbäume, die Sitzwarten wie auch Tannen- oder Kiefernadeln als Winternahrung bieten, deckungsreiche Bodenvegetation, wo die grossen Bodenbrüter ihre Küken sicher aufziehen können. Zudem ein gutes Angebot an Zwergsträuchern wie Heidelbeeren, welche die wichtigste Sommernahrung bilden, wie auch genügend Sonnenwärme und Insektennahrung für die Küken sind entscheidende Erfordernisse für die seltenen Wildhühner.
Das Auerhuhn ist das grösste aller Raufusshühner, einer Verwandtschaftsgruppe von Hühnervögeln der Nordhalbkugel, die allgemein an kühle Klimabedingungen angepasst sind und während des Winters mit karger Pflanzennahrung auskommen. Befiederte Beine und Füsse mit «Schneeschuheffekt» haben diesen Verwandten des Schneehuhns ihren Namen gegeben.
Im Norden und im Osten Eurasiens leben Auerhühner in den weiten Ebenen der Taiga, also in den von Nadelhölzern geprägten Wäldern der nordisch-kaltgemässigten Klimazone. Diese Wälder bilden ähnliche Lebensräume wie die naturnahen Bergwälder Mitteleuropas, etwa eine ebenfalls mit reichlich kleinen Beerensträuchern bewachsene Krautschicht.
Besonders der Auerhahn ist eine imposante Erscheinung. Er kann über vier Kilogramm Gewicht und eine Länge von 90 Zentimetern erreichen, was schon fast der Grösse eines Truthahns nahekommt. Über den Augen trägt er leuchtend rote Hautgebilde, die sogenannten Rosen. Auch der elfenbeinfarbene Schnabel kontrastiert mit dem dunklen, im Brustbereich metallisch glänzenden Federkleid. Der stattliche Auerhahn wurde seit frühen Zeiten gejagt, bewundert und geschätzt, seine Silhouette ist auf Kunstabbildungen wohlbekannt. Die Jagd auf das edle Tier war indessen «höheren Herren» vorbehalten.
Die Auerhennen bleiben um etwa ein Drittel kleiner und tragen ein schlichtes, oberseits braun gesprenkeltes Gefieder, das sie im Dickicht der Bodenvegetation hervorragend tarnt. Sie brüten ihr Gelege in einer Nische am Boden aus, gut versteckt vor dem Fuchs oder anderen Beutegreifern. Die Küken sind Nestflüchter, werden aber noch von der Henne geführt. Anfänglich sind sie vielen Gefahren ausgesetzt. Bei andauernd nasskaltem Frühlingswetter sterben oft viele der kleinen Küken an Unterkühlung oder mangels Insektennahrung.
Sonderwaldreservate für das Auerhuhn
In der Schweiz kommen Auerhühner vor allem in den nördlichen Voralpen, in den Zentralalpen Graubündens und im westlichen Jura zwischen etwa 1000 bis 2000 Metern Höhe vor. Das gefährdete Wildhuhn wird in Sonderwaldreservaten gefördert wie in den Kreisalpen (SG), bei Amden (SG), Albula (GR) und Surses (GR), die den ursprünglich vorkommenden Gebirgswald erhalten sollen. Mit speziellen Forstmassnahmen wird das Auerhuhn dabei unterstützt. Lichtungsschläge bringen beispielsweise offene Stellen mit dichter Krautschicht und reichem Heidelbeerbestand, Nadelbäume werden als Jungwuchs gefördert und Totholz bleibt liegen.
Die Balz der Auerhähne – ein beeindruckendes Schauspiel der Tierwelt – findet vom März bis etwa Ende Mai statt. Das Geschehen beginnt am Morgen früh. Mit einem hölzernen «Knappen» macht sich vielleicht der erste Hahn vom Ast eines Baumes aus bemerkbar, um den urchig klingenden Auerhahngesang vorzutragen. Der relativ leise, tiefe und wenig melodische Gesang beginnt mit immer schnelleren Knapplauten, darauf erklingt ein Ploppen, das an das Öffnen eines Korken erinnert, und zum Schluss der Strophe trägt der Hahn scheibenartig wetzende Laute vor.
Später, wenn es allmählich heller wird, begibt er sich auf den Boden und balzt auf einer kleinen Lichtung oder in einer Waldrandlage weiter. Mit abgespreizten Barthaaren, erhobenem Kopf und weit gefächerten Schwanzfedern, die einen Halbkreis bilden, stolziert er umher. Oder er erhebt sich mit lauten Flügelschlägen zu einem hohen Flattersprung. Mehrere Hähne finden sich schliesslich auf dem Balzplatz ein, sichern sich eine gute Stelle, jagen Konkurrenten weg und versuchen die eintreffenden Hennen zu beeindrucken. Die einen oder anderen Junghähne werden ebenfalls zur Szenerie gelockt, wagen es aber meist noch nicht, die Imponierhaltung einzunehmen und so einen der Platzhähne herauszufordern.
Manchmal gebärdet sich ein einzelner Hahn während der Balzzeit wie «verrückt», greift auch vorbeigehende Menschen an und versucht die Störenfriede durch Bisse in die Beine zu vertreiben. Balztolle Auerhähne belästigten (laut Tiervater Brehm) selbst Pferde, auf die sie ohne Furcht zugingen. Solche Vorkommnisse mit einzelnen Auerhähnen sind jedoch die Ausnahme. Auerhühner sind normalerweise sehr scheu und ihre Fluchtdistanz gegenüber dem Menschen ist gross.
Die Alpenlandschaften stehen unter grossem Druck durch Erholungssuchende. Wenn etwa Wintersportler abseits von Pisten oder Wegen unterwegs sind, kann dies Tiere in eine kraftraubende Flucht treiben. Gerade für die Auerhühner, die sich im Winter sehr energiearm ernähren und den Stoffwechsel entsprechend herunterfahren, bedeuten wiederholte Störungen während der kalten Jahreszeit leicht den Tod. Tannennadeln, die sie im Winter verzehren, haben einen tiefen Nährwert und sind schwer zu verdauen. Die stattlichen Wildhühner sind leider vielerorts in Mitteleuropa selten geworden, in der Schweiz sind sie stark gefährdet und in Deutschland vom Aussterben bedroht.
Rücksicht auf Wildtiere beim Sport in freier Natur: wildruhezonen.ch
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