Cassis – Königin der Beeren
Kleine, glänzende, schwarze Früchte mit Riesenkraft. Cassis ist eine Gesundheitsbombe. Und einiges mehr.
Text: Gaby Labhart
Alles, was dem Körper guttut, hängt am Strauch der schwarzen Johannisbeere. Diese kleinen Schönheiten sind voll von Vitamin C. Hundert Gramm Ribes nigrum decken unseren täglichen Bedarf an diesem Vitamin bestens ab. Bluthochdruckgeplagte profitieren vom extrem hohen Kaliumgehalt – mehr als doppelt so viel wie im Apfel. Er schwemmt überschüssiges Wasser aus dem Körper und hat eine blutdrucksenkende Wirkung. Magnesium, Phosphor und Eisen, antimikrobielle Wirkstoffe und Antioxidantien gehören auch in diesen Supermix. Darüber wiederum freuen sich die kapillaren Blutgefässe. Und das alles hilft mit, Entzündungen, Erkältungen, Halsweh, Angina, Rheuma und Gicht den Garaus zu machen.
Bis ins hohe Mittelalter wurde die rote Johannisbeere weit mehr geschätzt als die schwarze, die sogar als Stinkwurz abqualifiziert wurde. Allerdings erkannte Hildegard von Bingen schon früh, dass die schwarze Johannisbeere ein machtvolles Heilmittel ist. Die kleine Dunkle wurde nach Johannes dem Täufer benannt, der an einem 24. Juni Juni geboren wurde. Die Sträucher der schwarzen Johannisbeere trugen zu diesem Zeitpunkt die ersten Früchte und wurden damit zum Symbol des berühmten Propheten.
In Frankreich ist Cassis die Johannisbeere schlechthin: als Frucht wie auch als Likör (Crème de Cassis). Dieser Cassis wurde weltberühmt, als er eines Tages auf einen kühlen Schluck Weisswein traf. Das Rezept für den Likör kannten Mönche aus Dijon schon im 16. Jahrhundert. Die glückliche Harmonie aber mit Weisswein hat Félix-Adrien Kir erfunden. Der Pfarrer und spätere Kanonikus (1876–1968) war Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg und Bürgermeister von Dijon, der Hauptstadt des Burgunds, wo auch ein wichtiges Anbaugebiet der Cassisbeeren liegt.
Der umtriebige Monsieur Kir nahm jede Gelegenheit wahr, für seine Stadt zu werben. Bei Empfängen in seinem Rathaus wurde Weisswein mit einem Schuss Cassis ausgeschenkt. Mit Erfolg! Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Kir Alterspräsident der französischen Nationalversammlung und Mitbegründer der deutsch-französischen Freundschaft – zusammen mit Konrad Adenauer und Ludwig Erhard. An einer Feier zusammen mit Adenauer soll der Marketingexperte avant la lettre auch noch den Kir Royal erfunden haben – mit Champagner. Félix-Adrien Kir erhielt das Bundesverdienstkreuz – für die Freundschaft, nicht für den Kir (obwohl er auch dafür eine Auszeichnung verdient hätte).
In den 1980er-Jahren verbreitete sich der Kir auch ausserhalb Frankreichs, vor allem in der sogenannten Schickeria. Und so wurde die in der Münchner High Society spielende Fernsehserie «Kir Royal» nach dem unverzichtbaren Apéro benannt. Und nun bleibt noch das heiss diskutierte Cassis-de-Dijon-Prinzip, das einst tatsächlich mit Crème de Cassis begann. Und, knapp zusammengefasst, besagt, dass aus einem andern Mitgliedstaat stammende Produkte, die dort vorschriftsgemäss hergestellt wurden, überall in der EU angeboten werden dürfen. Die Schweiz hat in der Zwischenzeit auch noch den Cassis-del-Ticino bekommen, was weniger ein Prinzip als ein Bundesrat ist. Salute!