Mandeln: Kernige Wundertüte
Sie sind in jedem Lebensabschnitt schön – und sie sollen schön, schlank und potent machen: die geheimnisvollen Mandeln.
Text: Gaby Labhart
Ihre Blüte ist ein Ereignis, das Scharen von Touristinnen nach Mallorca lockt und in Entzücken versetzt. Und wenn die Kerne (Mandeln sind keine Nüsse, sie sind die Kerne der Frucht, und damit gehören sie zur Gattung Steinobst) in ihrer samtig-brauen Haut makellos auf dem Teller liegen, staunt man erneut über diese Perfektion, die einem die Natur da so grosszügig serviert. (Allerdings muss man vorher die steinharte Schale knacken.)
Bei den alten Griechen ist der Mandelbaum – laut Sage – aus einem Blutstropfen der grossen Göttermutter Kybele entstanden. Bis zur Romanik wurde Christus als Herrscher über die Welt in einer so genannten Mandorla, einer mandelförmigen Aura, dargestellt. Die Mandel diente als Symbol für die unbefleckte Empfängnis: «Christus wurde gezeugt in Marien, wie der Mandelkern sich in der unverletzt bleibenden Mandel bildet.» So war das im 13. Jahrhundert. Dass die wundersamen Kerne zugleich auch als Potenzmittel galten, tut der Empfängnis, insbesondere der unbefleckten, aber keinen Abbruch.
Sie sind in jedem Lebensabschnitt schön – die geheimnisvollen Mandeln. © shutterstock
Mandeln sind grandiose Eiweisslieferanten, weshalb sie auch von Linienbewussten gerne gegen den Hunger oder als Zwischenmahlzeit eingesetzt werden. Kalzium- und Magnesiumwerte sind ebenfalls hoch, die Vitamine fast des gesamten B-Komplexes kommen darin vor. Das wusste Hildegard von Bingen im 12. Jahrhundert zwar noch nicht, aber das wusste sie: «Wenn jemand das Gehirn leer geworden ist, soll er oft Mandelkerne essen. Das füllt sein Gehirn wieder auf und gibt die rechte Gesichtsfarbe.» Eine Handvoll Mandeln täglich gilt bereits als hilfreich gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Laut Bibel waren Mandeln ein wichtiger Bestandteil des Brotes ägyptischer Pharaonen, und Kleopatra, die Schönste aus den sagenumwobenen Dynastien, soll auch schon gewusst haben, dass Mandeln schön machen, und deshalb täglich ein paar geknabbert haben. Wobei man ehrlicherweise schon sagen sollte: Ein paar reichen nicht. Wenn die neuste Forschung von 30 bis 60 Gramm pro Tag ausgeht und eine Mandel durchschnittlich ein Gramm leicht ist, dann heisst es fleissig knabbern, bis man auf Kleopatras Niveau ist. Und notabene am besten mit Häutchen essen, weil dort zehn Prozent der Ballaststoffe stecken.
Um auch das zu präzisieren: Die Rede ist hier weder von gebrannten Mandeln noch von Schoggimandeln, nicht von gesalzenen und nicht von geräucherten. Und schon gar nicht von Marzipan, dessen Hauptbestandteil Mandeln sind – im besten Fall. Die Kreuzfahrer brachten die köstliche Masse einst aus dem Orient nach Europa mit. Marzipan bestand ursprünglich aus Mandeln und Honig und Rosenwasser, später aus Mandeln und Zucker und Aromastoffen. Und heutzutage können die teuren Mandeln auch mal durch Persipan ersetzt werden, das aus Aprikosen- und Pfirsichkernen gemacht wird.
Von der Geschichte nun zur Botanik: Ja, wir reden hier immer von süssen Mandeln, der am meisten verbreiteten aller Mandeln. Die Krachmandel hat eine dünne, poröse Schale und ist fast nur noch in Spanien und Südfrankreich bekannt. Und dann noch die böse Schwester, die Bittermandel, die wir aus dem Amaretto, den Amaretti und den Krimis kennen: Sie enthält das Glykosid Amygdalin, aus dem im menschlichen Verdauungstrakt Blausäure abgespalten wird. Ein tödliches Gift. Keine Angst, Amaro und Amaretti darf man bedenkenlos geniessen. Krimis sowieso!